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Hat das heutige Fernsehen seinen Zauber verloren?

Als das Fernsehen noch keine Farbe kannte…

(Bild: zVg)

 

Yvette Estermann erinnert sich an ihre Jugend, als das Fernsehen in der CSSR noch eine Herausforderung war. Wie damals Schwindelfreiheit Geld und Zeit sparte. Und warum ihr das Farbfernsehen das Träumen verdorben hat.

Die Menschen sitzen heute vor dem Fernsehgerät, die Fernbedienung in der Hand und zappen von einem Sender zum anderen. Hunderte Sender kommen per Kabel oder Satellit zu uns ins Haus,- störungsfrei und in fast perfekter Qualität. Das war früher anders! Wir machen uns kaum eine Vorstellung, was für eine unglaubliche Entwicklung das Fernsehen in den letzten Jahrzehnten machte, bis es die heutige, technische Perfektion erreichte. Von der «Nipkow-Scheibe» über die Bildröhrentechnik bis zum Flachbildschirm, war ein langer Weg. Unzählige schlaue Köpfe, Ingenieure, Techniker und Wissenschaftler, haben daran gearbeitet, die Technik verbessert und optimiert, bis zum heutigen, fast perfekten Bild. 

Ich erinnere mich sehr gut an meine Jugendzeit und meine ersten «Fernseh-Erfahrungen». Es gab damals weder Kabelfernsehen noch Satellitenempfang, sondern einfach mehrere Empfangsantennen auf dem Hausdach. Dass man damals ein TV-Gerät kaufen, nach Hause bringen, einschalten und gleich damit fernsehen konnte, existierte nur in der Vorstellung! Um ein Bild auf den Fernsehschirm zu zaubern – damals noch in schwarz-weiss – war eine echte Herausforderung nötig und es brauchte dazu den Einsatz der ganzen Familie…

Unser erstes Fernsehgerät stammte aus den 50er- Jahren und wurde erst ca. 1973 durch ein Neues ersetzt. Das ungarische Gerät hiess «Videoton» und hatte sechs mögliche Kanäle zur Auswahl. Ein Wahnsinn für uns in der damaligen Zeit!

Fernsehen als familiäre Teamarbeit…

Voraussetzung für einen Fernsehempfang war damals eine entsprechende Empfangsantenne auf dem Dach, die auf den zu empfangenden Sender abgestimmt werden musste. Und das funktionierte so: Für diese «Abstimmung» wurden drei Personen benötigt: Eine Person stand auf dem Dach und drehte die Antenne am Mast in verschiedene Richtungen. Diese Aufgabe für Schwindelfreie, übernahm mein Vater. Unten in der Wohnstube befand sich die zweite Person und beobachtete das Bild auf dem Fernsehgerät. Das war mein Zuständigkeitsbereich. Und eine dritte Person amtete als «Vermittlerin», als Kommunikator, indem sie die Empfangs- Resultate aus dem Wohnzimmer,- bei offenem Fenster, an den «Antennendreher» auf dem Dach weiterleitete. Dafür war Mutter zuständig.

Vater drehte auf dem Dach ruhig und langsam die Antenne in verschiedene Richtungen und wartete auf den «Empfangs-Kommentar» aus dem Wohnzimmer. «Was ist los? Siehst du etwas?» tönte es vom Dach herunter. «Ja, die Richtung stimmt. Noch etwas weiter drehen!» Etwas später: «Langsamer drehen, das Bild wird besser. Stop – jetzt ist es gut» Das Fernsehbild wurde immer deutlicher, doch plötzlich war alles weg. «Halt! Langsam zurückdrehen!» Laufend gab ich Kommentare aus der Wohnung, welche die Mutter auf das Dach weiterleitete. War eine optimale Einstellung des Fernsehbildes erreicht, musste die Antenne auf dem Dach fixiert werden.

Trotzdem wurde sie ab und zu durch einen Sturm gedreht und die Prozedur musste wieder von vorne beginnen. Sollten mehrere Sender empfangen werden, waren zusätzliche Antennen notwendig, mit welchen wieder die gleichen Einstellungen vorgenommen wurden. Wir konnten bei uns vier Programme empfangen: Zwei CSSR- Sender sowie je einen aus Ungarn und Österreich. Deshalb mussten auf diese Weise vier vershiedene Antennen ausgerichtet werden…

Natürlich konnte man für diese Arbeiten auch damals schon ein Fachgeschäft konsultieren. Doch bis diese Zeit fanden, vergingen oft Wochen. Und dazu die Kosten…

«Nicht berühren!»

Die weiteren Einstell- Arbeiten begannen nun im Wohnzimmer, direkt am Fernsehgerät. Dieses hatte auf der Rückseite zwei Knöpfe. Manchmal begann das Bild zu «laufen», nach oben oder nach unten und mit dem Knopf »Bildfang» konnte das Bild wieder stabilisiert werden. Eine weitere häufige Störung waren schwarze Querstreifen auf dem Bild. Mit dem zweiten Knopf konnte das Bild wieder synchronisiert werden. Auf der rechten Seite des Fernsehgerätes ragte zudem ein grosser Drehknopf aus dem Gehäuse: Der Kanalwähler. Mit ihm wurde der zu empfangende Sender eingestellt und durch drücken und gleichzeitiges drehen der Feinabstimmung, eine Optimierung des Bildes erreicht. Waren nun Bild und Ton optimal eingestellt, durfte am Gerät nichts mehr manipuliert werden.

Es wäre auch niemand von uns in den Sinn gekommen jetzt wieder einen anderen Sender einzustellen. Im Gegenteil. Rund um das Gerät war jetzt eine «verbotene Zone». Kamen wir als Kinder in die Nähe des Gerätes, ertönte die Stimme des Hausherrn: «Hände weg vom Gerät! Nichts berühren!» Alle wussten warum, denn eventuell müssten dann die «Einstellarbeiten» wieder von vorne beginnen. Ab und zu kam es vor, dass das Bild gut war, aber der Ton brummte. Ein Schlag mit der Faust auf das Gerät schaffte oft Abhilfe.

Fernsehen als genussvolles Erlebnis

Doch zuletzt haben wir es geschafft! Wir waren alle müde aber glücklich. So vorbereitet konnte man endlich den ersten Fernsehabend gemeinsam mit der ganzen Familie geniessen! Das war ein echtes Erlebnis! Über einige Filme oder Serien, wie z.B. «Die Frau hinter dem Ladentisch, Das Spital am Rande der Stadt» oder «Sandokan» wurde in der Schule oder am Arbeitsplatz noch tagelang diskutiert. Um 17.00 Uhr begann das Sendeprogramm und gegen Mitternacht war mit der Landeshymne Programmschluss. Der Sender wurde abgeschaltet und es erschien auf dem Bildschirm das bekannte «Ameisenrennen».

Ja, das waren noch Zeiten! Später wurde der Bildschirm farbig, die Geräte gross und schwer. Ich wehrte mich gegen die Erneuerung. Das alte Gerät war noch voll funktionstüchtig und ich konnte bei einem Film betreffend Farbe meiner Fantasie freien Lauf lassen. Irgendwie hat mir die Farbe das Träumen verdorben…

In entlegenen Gegenden, wo es auch heute noch keinen Kabelanschluss gibt, sieht man ab und zu immer noch «Antennenbäume» auf den Dächern. Bei sehr schlechten Empfangsbedingungen konnten dort auch sogenannte «Geisterbilder» auftreten, – das Bild erschien mehrfach auf dem TV-Schirm.

Heute wird rund um die Uhr gesendet. Die Qualität der Programme leidet darunter und viele Sendungen sind einfach nur Schrott! Die Menschen sitzen stundenlang vor dem Fernseher und am anderen Tag wissen sie nicht mehr, was sie am Vorabend gesehen haben. Ich gebe zu: Für mich hat das heutige Fernsehen seinen Zauber verloren. Damals war es für uns noch ein echtes Erlebnis!

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Die Luzerner Nationalrätin schlägt eine Brücke aus ihrem früheren Leben in der Tschechoslowakei und ihrem heutigen Leben. Dabei gibt Yvette Estermann Einblicke in das Leben hinter dem «Eisernen Vorhang». Dass es dabei auch mal politisch wird, verspricht sich von selbst. Ihre Meinung muss nicht mit derjenigen der Redaktion übereinstimmen.
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1 Kommentar
  • Profilfoto von kurt_heller bluewin.ch
    kurt_heller bluewin.ch, 15.03.2018, 10:35 Uhr

    …… und deshalb denkt sie heute noch schwarz/weiss!

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