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Mario Gyr: Mein Umgang mit Verletzungen

Was, wenn der Körper plötzlich nicht mehr mitmacht?

Der Zentralschweizerer Ruderer Mario Gyr berichtet über seine Erlebnisse in der Welt des Spitzensports.

(Bild: zvg)

Citius altius fortius – wir Sportler leben in unserem Alltag nach dieser olympischen Weisheitsformel. Als Spitzensportler will man immer mehr, als realistisch erscheint. Wir streben in jedem Training danach, etwas weiter zu gehen, stärker zu werden, schnellere Trainingszeiten aufzustellen, fitter zu werden und noch grössere Fortschritte zu erzielen. Was aber, wenn der Körper plötzlich nicht mehr mitmacht?

Natürlich wissen wir, dass «immer schneller, immer stärker, immer besser» eine Utopie ist und man tagtäglich mit neuen Herausforderungen und kleinen Rückschlägen auskommen muss. Doch durch Optimismus, Leistungswille und mit dem grossen Ziel vor Augen, lassen sich die meisten Hürden überspringen.

Das Comeback nach der Enttäuschung

Anders sieht es aus, wenn man durch Verletzungen oder Krankheiten gezwungen ist, plötzlich einen Stopp einzulegen. Diese unangenehme und schmerzhafte Erfahrung musste ich leider mehrmals in meiner Karriere erfahren. Egal, ob Pfeifferisches Drüsenfieber, fünf Rippenbrüche oder Nierenoperationen, jeder Rückfall war wieder ein Anfang für ein erfolgreiches Comeback. Die Selbstverständlichkeit und blinde Vertrautheit, mit der man als Spitzensportler mit seiner Hochleistungsmaschine Körper umgeht, ändert sich schlagartig, wenn man im Spital liegt und plötzlich nichts mehr zu gehen scheint oder man gerade auf dem Röntgenbild sieht, dass die Rippe schon wieder gebrochen ist.

Nicht mehr möglichst schwere Gewichte zu stemmen oder schnellstmöglich die Kilometer auf dem Wasser zu absolvieren, sind die Herausforderungen des Alltags, sondern banale Dinge wie sich auf die Seite zu drehen, aufzustehen, ein paar Schritte zu gehen, aufs WC zu gehen oder zu essen. Diese an sich selbstverständlichen Tätigkeiten werden schnell zur ganz grossen Herausforderung.

Schritt für Schritt zum Wiedereinstieg

Eine Operation ist zwar der erste und ein wichtiger Baustein auf dem Weg zurück, aber es braucht noch viel mehr, damit man als Athlet nach einer Verletzung so schnell wie möglich zurück in den Wettkampf gehen kann. Gerade die Zeit des Wiedereinstiegs ins Training ist extrem heikel und entscheidend für den weiteren Heilungsverlauf und die Rehabilitation. Im Unterbewusstsein hat man ständig das Gefühl, man verliere an körperlicher Fitness. Man weiss, dass die Gegner und Teamkameraden voll im Training sind und Fortschritte erzielen – dies nagt und nervt.

In dieser Phase ist es nicht einfach, aber entscheidend, sich zu zwingen, dem Körper noch den einen oder anderen freien Tag mehr zu gönnen. So ein Prozess kann schon ein bisschen dauern und die Ungewissheit, wann man endlich wieder Vollgas geben kann, ist schwer zu handhaben. Es braucht dabei Vertrauen in den Körper und man muss die Fähigkeiten entwickeln, nicht an der eigenen Genesung zu zweifeln.

Öfter mal lachen

Mitunter lohnt es sich, dabei die Perspektive zu wechseln. Lachen hilft da auf alle Fälle. Ich habe mich immer gezwungen, nach einer schlechten Neuigkeit damit anzufangen. Es ist besser, wenn man lacht, selbst wenn es schmerzt und traurig ist. Wenn man nach vorne schaut und die Gesamtsicht betrachtet und nicht dauernd an die Verletzung denkt, geht es viel besser. Dann sieht man manche Dinge vielleicht mit anderen Augen, weniger verbissen, dafür mit der Gewissheit, dass man als Spitzensportler, der seine Ziele verfolgen darf, sehr privilegiert ist. Der Gesundheit und dem Körper, welche, nebst der starken Psyche, des Profisportlers wichtigstes Kapital sind, soll man Sorge tragen.

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Spitzensportler schreiben über ihr Leben. Mario Gyr (Rudern), Petra Lustenberger (Schiesssport), der Ringer Samuel Scherrer, Snowboarder Dario Burch, Ueli Schnider (Langlauf) und andere erzählen aus ihrem Alltag an Wettkämpfen und was der Sport für sie persönlich bedeutet.
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