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Thomas Gisler

Musik und Politik – beisst sich das?

Was aber, wenn die eigene politische Einstellung nicht mit derjenigen des Lieblingkünstlers übereinstimmt? (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Musik verfolgt uns praktisch überall hin. Sei es, wenn wir im Zug das neue Album des Lieblingkünstlers hören, sei es am Wochenende im Ausgang oder als Berieselung während des Einkaufens.

Musik verfolgt uns praktisch überall hin. Sei es, wenn wir im Zug das neue Album des Lieblingkünstler hören, sei es am Wochenende im Ausgang oder als Berieselung während des Einkaufens. Mit der Politik wird es in den nächsten Wochen ähnlich sein: Vor den Nationalratswahlen im Oktober lächeln Politiker von Plakatwänden und Inseraten, teilen uns ihre Ansichten im Radio und Fernsehen mit und probieren mit dem Volk in den Fussgängerzonen in Kontakt zu treten.

Und manchmal vermischen sich Musik und Politik auch. Damit meine ich nicht den üblen Freiheitssong von Willy Tell feat. SVP (zentral+ berichtete). Es gibt aber genügend ernstzunehmende Künstler, welche politische Themen in ihren Songs aufgreifen oder ihre Meinung in Interviews preisgeben.

Politische Ansicht versus Musikpräferenz

Was aber, wenn die eigene politische Einstellung nicht mit derjenigen des Lieblingkünstlers übereinstimmt? Darf ein Linker Bands wie Freiwild oder Onkelz hören, einfach nur weil die «geile Mucke» machen und ihre rechtsradikale «Vergangenheit» ausblenden? Darf ein SVP-Wähler Polo Hofer oder Züri West hören, obwohl diese Acts dem linken Spektrum zu zuordnen sind? Oder auch andersrum gefragt: Darf sich ein Musiker sein Publikum aussuchen?

Als eher linker Musikkonsument hat man in dieser Hinsicht wohl am wenigsten Probleme. Kulturschaffende und somit auch Musiker kommen zum grösseren Teil aus dem politisch linken Spektrum. Und offen rechte Bands sind meistens in der extrem radikalen und somit nicht mainstreamtauglichen Ecke. Wenn es doch mal eine eher rechte Band in die Hitparade schafft, wird sie von diesem Konsumentensegment konsequent gemieden. Ich jedenfalls kenne in meinem Bekanntenkreis keinen Linken, der Böhse Onkelz oder Freiwild hört…

Dürfen sich Musiker politisch äussern?

Was machen aber SVP-Wähler? Hören die den ganzen Tag Krokus? Vermutlich nicht. Es gibt sicher auch welche, die Polo Hofer hören, der in Interviews offen sagt, er sei links. Oder Knäckeboul. Da kommt es dann auf seiner Facebook-Seite zu Einträgen wie: «Ich finde seine Musik gut und war schon an Konzerten. Aber über Politik sollte er besser nicht reden. Da hat er keine Ahnung.» Sollte er wirklich nicht? Wenn ein Musiker sich politisch äussern will, sei es auf oder neben der Bühne, ist das ja sein gutes Recht. Muss dann ein Konzertbesucher gleicher Meinung sein? Ein Konzert ist ja kein Diskussionsabend, wo Meinungen ausgetauscht werden. Darf der Hörer die politische Einstellung des Künstlers ausblenden und einfach die Musik geniessen?

«Ab 500 Besuchern hast du auch Arschlöcher darunter.»

Oder eben andersrum: Darf es einem Musiker egal sein, wer seine Konzerte besucht? Die deutschen Kommerzpunker «Die Ärzte» schreiben auf ihren Einlassregeln jeweils folgendes: «Verboten ist das Mitbringen von Glas, Waffen, Drogen und Nazis.» Trotzdem sind an ihren Konzerten vermutlich Personen mit rechter Einstellung. Und ich nehme an, von den 48’000 Besuchern des Tote Hosen Konzerts im Letzigrund waren unzählige darunter, die mit einem Songtext wie «Sascha, ein aufrechter Deutscher» relativ wenig anfangen können. Ok, das sind Extrembeispiele.

Wollen Bands und Musiker belehren?

Wie der Musiker Philip Boa schon sagte: «Ab 500 Besuchern hast du auch Arschlöcher darunter.» Aber fühlt sich eine Band wohl, wenn sie weiss, dass einem Teil ihres Publikums die politische Aussage ihrer Texte am Arsch vorbeigeht? Oder hoffen sie, dass sie den einen oder anderen «bekehren» können? Einen, der nicht am nächsten Tag auf Facebook gegen Asylanten hetzt, weil er am Tag davor den Songtext oder die Ansage der Band verinnerlicht hat?

Ok, der grösste Teil der Musik, die veröffentlicht wird, ist apolitisch. Unterhaltung. Und der Künstler, der sie veröffentlicht, ist in erster Linie Künstler und nicht Politiker. Und das ist auch gut so.

Ich persönlich hatte noch nie das Gefühl, dass ein von mir geschätzter Act politisch auf einer völlig anderen Linie fährt als ich. Andere Erfahrungen täten mich aber sehr interessieren…

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