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Wo kommt das Zuger Chriesi her?

Tafelkirschen beim Zurlaubenhof in Zug am 30.06.09, im Hintergrund die St. Michaels-Kirche. (Bild: IG Chriesi / Ueli Kleeb, Zug)

Blühende Kirschbäume, saftige Kirschen, flüssiger Kirsch und Kirschtorte sind seit langer Zeit Markenzeichen des Kantons Zug. Da fragt man sich, ob das Zugerland schon immer ein Chriesliand war.

Blühende Kirschbäume, saftige Kirschen, flüssiger Kirsch und Kirschtorte sind seit langer Zeit Markenzeichen des Kantons Zug. Zwar hat die starke Siedlungsentwicklung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dazu geführt, dass Landwirtschaft und Kirschenanbau stark an Bedeutung verloren haben. Doch seit 2008 gibt die «IG Chriesi» Gegensteuer und sorgt dafür, dass die Kirschenkultur durch wiederbelebte Bräuche wie Chriesisturm, Chriesimärt und innovative neue Produkte wie die Zuger Chriesiwurst wieder stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt.

Zug als Chriesihochburg

Aber war das Zugerland schon immer Chriesiland? Blühten bereits Kirschbäume, als die Jäger der Eiszeit durch die Voralpen streiften, und schnabulierten die Pfahlbauer der Stein- und Bronzezeit im Frühsommer Kirschen? Diese Frage stand plötzlich im Raum, als man sich entschied, im Rahmen des Internationalen Museumstags vom kommenden Mai das Thema «Zuger Chriesi» aufzugreifen. Also machten wir uns auf die Spuren der ersten Zuger Kirschen.

Historische Zuger Quellen führen uns zurück ins 17. Jahrhundert, über die Erfindung der Zuger Kirschtorte im Jahr 1915 und die Gründung der «Kirschwasser-Gesellschaft» in Zug 1870 bis zur ersten Erwähnung eines Chriesimarktes im Jahr 1627, um nur einige Eckdaten herauszugreifen. Doch damit sind wir noch längst nicht bei den Pfahlbauern angelangt!

Archäologische Funde aus dem Kanton Zug reichen ein gutes Stück weiter in die Vergangenheit zurück. Die bislang ältesten Zuger Kirschensteine sind nämlich knapp 1’800 Jahre alt und sind in den Jahren 2003/04 bei Ausgrabungen in Cham-Hagendorn in einer Schichte aus der Zeit um 220/30 nach Christus entdeckt worden. Damit stammen sie aus der römischen Epoche.

Kirschsteinperlen und Schlehenperlen aus der jungsteinzeitlichen Siedlung Arbon-Bleiche (um 3000 v. Chr).

Kirschsteinperlen und Schlehenperlen aus der jungsteinzeitlichen Siedlung Arbon-Bleiche (um 3000 v. Chr).

(Bild: AATG, Daniel Steiner, www.archaeologie.tg.ch)

Die Kirsche reiste in Feldzügen nach Rom

Dies deckt sich gut mit schriftlichen Überlieferungen zur Herkunft der Tafelkirsche. In der Antike galt nämlich die Region von Kerasos, heute Giresun (Türkei), als Zentrum der Kirschbaumkultur. Der Legende nach soll der römische Feldherr Lucius Licinius Lucullus im Jahr 63 vor Christus nach dem Sieg über den pontischen König Mithridates in seinem Triumphzug das erste Bäumchen mit reifen Kirschen in Rom präsentiert haben – so berichtet es jedenfalls der römische Schriftsteller Gaius Plinius Secundus um 77 nach Christus.

Ganz so bildhaft wie in seiner Erzählung hat es wohl nicht stattgefunden, aber wahrscheinlich gelangte die Tafelkirsche tatsächlich in der Folge dieser Feldzüge nach Rom und fand dort rasch grossen Anklang. Römer pflanzten veredelte Kirschen bald auch nördlich der Alpen und um 50 nach Christus sogar in Britannien – und spätestens gegen 220 nach Christus eben in Cham-Hagendorn.

Die Abstammung aller Kirschen ist umstritten

Auch nach dem Rückzug der römischen Eroberer blieb die Tafelkirsche in unserem Gebiet heimisch. Im Mittelalter standen Kirschbäume in Bauern- und Klostergärten. Kirschen wurden für den Eigenbedarf gepflanzt und lokal vermarktet. Die beschränkte Haltbarkeit der Früchte verhinderte über viele Jahrhunderte, dass sie im grossen Stil angebaut wurden.

Wir können es also als gesichert ansehen, dass die ersten Zuger Tafelkirschen in römischer Zeit wuchsen und die Pflanze ab dieser Zeit hier heimisch ist. 

Doch wie steht es nun mit den Pfahlbauern? Sammelten sie zumindest die Früchte der Wildkirsche (Vogelkirsche)? Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten! Botanikerinnen und Botaniker sind sich nämlich bis heute nicht einig, seit wann die Wildkirsche in Mitteleuropa und damit auch im Zugerland heimisch ist. Es stehen sich zwei Lehrmeinungen gegenüber: Manche gehen davon aus, dass die Wildkirsche «schon immer» hier heimisch war und lediglich die Tafelkirsche erst in römischer Zeit importiert wurde. Andere wiederum sind der Meinung, dass in vorrömischer Zeit hier überhaupt keine Kirschen wuchsen. Sie sehen alle heutigen Wildkirschen als ausgewilderte Nachfahren von in römischer Zeit oder später angepflanzten Tafelkirschen an.

Kirschsteine als Schmuck 

Auch archäobotanische Untersuchungen klären die Frage nicht abschliessend, werden doch ganz selten einmal in stein- und bronzezeitlichen Ausgrabungen Kirschensteine oder Hölzer, die vielleicht von Kirschbäumen stammen könnten, gefunden. Zu diesen seltenen Ausnahmen gehören zwei jungsteinzeitliche Kirschkerne aus Arbon im Kanton Thurgau aus der Zeit um 3000 vor Christus. Sie sind durchlocht und als Schmuckperlen verwendet worden. Es ist aber nicht sicher, ob sie an Ort und Stelle wuchsen. Ebenso gut können sie nämlich als Schmuck aus dem Mittelmeerraum importiert worden sein.

Klar ist aber: Kirschkerne erhalten sich im feuchten Boden gut und sind einfach zu bestimmen. Wären also zur Zeit der Pfahlbauer hier bereits Kirschen in grösseren Mengen gesammelt und gegessen worden, so würde man auf jeden Fall Reste der Kirschsteine finden. Dies spricht eher dafür, dass die Pfahlbauer am Zugersee noch keine Kirschen assen.

Die Region Zug-Rigi ist übrigens nicht die einzige Chriesi-Region der Schweiz. Auch in der Nordwestschweiz, im Aargauer und Baselbieter Jura, verzaubern jeden Frühling zahlreiche Kirschbäume die Landschaft. Das basellandschaftliche Kantonsmuseum Museum.BL widmet der Kirsche sogar eine eigene Sonderausstellung: «Die Kirsche … und eine Blueschtfahrt nach Tokyo.» Sie beleuchtet alle möglichen Aspekte der Kirsche, von der Botanik über den Anbau, die Verarbeitung und ihr Vorkommen in der Kunst bis hin zur japanischen Tradition des «Hanami», des Kirschblütenfests. Höhepunkt für Familien ist die ausstellungseigene Kirschen-Sortier-Anlage. Die attraktiv und abwechslungsreich gestaltete Ausstellung dauert noch bis zum 14. Februar 2016.

Und nur am 17. Mai 2015 sind im Museum für Urgeschichte(n) die ältesten Zuger Chriesisteine zu sehen.

Tafelkirschen beim Zurlaubenhof in Zug am 30.06.09, im Hintergrund die St. Michaels-Kirche.

Tafelkirschen beim Zurlaubenhof in Zug am 30.06.09, im Hintergrund die St. Michaels-Kirche.

(Bild: IG Chriesi / Ueli Kleeb, Zug)

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