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So feiert meine konfessionslose Familie kirchliche Feiertage

Ostern ohne Auferstehung und Weihnachten ohne Gott

Wie wollen wir unseren Kindern unsere Feste näherbringen?

 

(Bild: Diana Drubig)

Weihnachten ist vorbei, Fasnacht steht vor der Tür und bis zu Ostern ist es auch nicht mehr weit. Unser Elternblogger Maël Leuenberger wurde mit den christlichen Festen gross und liebt deren Werte – die Kirche jedoch ist ihm fern. Wie er sich, aber vor allem seinen Kindern, die Feiern erklären will, ergründet er in seinem aktuellen Blog.

Mein Kleiner liebt Fragen. Und ich bin manchmal um Antworten verlegen. Warum feiern wir Weihnachten? Ja warum eigentlich? Ich bin ungetauft und konfessionslos, glaube nicht an den Patriarchen da oben und die Exzesse der katholischen Kirche nerven mich gewaltig. Überhaupt, das ganze autoritäre Macho-Gehabe der Kirchen und Religionen widerspricht meinem humanistischen Menschenbild. Und doch lebe ich in einer christlichen Gesellschaft und die religiösen Feiern bedeuten mir – ja, was? Warum feiern wir diese? Wie wollen wir das als Eltern unseren Kindern erklären und weitergeben?

In diesem Blog will ich diese Feste ergründen und mich – ganz subjektiv – wappnen für kommende Fragen.

Januar: Heilige Drei Könige (Demut, Frieden, Ende der Weihnachtszeit)

Warum feiern wir «Könige», «Weise» oder «Sterndeuter aus dem Osten»? Auch, weil der Königskuchen sehr gut ist. Aber der Besuch an der Krippe, warum? Die Könige feiern einen neuen, kleinen Menschen, der mächtiger sei als alle drei zusammen. Damit lehren sie Demut und rücken nach meiner Leseart das Bewusstsein ins Zentrum, dass Macht relativ und vergänglich ist. Aber viel offensichtlicher stehen sie als Heiden gemeinsam mit Juden (Hirten) und dem kleinen, christlichen Messias in einem Moment voller Frieden im Stall – ein Symbol für die Hoffnung der Menschen auf Frieden, unabhängig von Glauben und Religion (unverzeihlich: Die Könige sind alle männlich).

Dazu stehen sie auch für das Ende der Weihnachtszeit, die für unsere Kinder mit dem Adventskalender im Dezember begonnen hat. Gelegenheit, kurz innezuhalten und die vorbeigezogenen Festtage Revue passieren zu lassen. Wenn unser Kleiner sehnlichst das Figürchen der Königin oder des Königs im Königskuchen erhaschen will (er hat es doch selber reingesteckt!), es jedoch (schon wieder!) Mama in ihrem Stück entdeckt, dann lernen er und ich, sich am Glück der anderen zu freuen und, dass Glück zufällig ist. Wir lernen, dass es schön ist, anderen die Krone aufzusetzen und ihnen was Gutes zu tun. Und wenn man dann selber einmal das Glück des Plastikfigürchens haben sollte, dann lohnt sich die Feier nur schon deswegen (bei uns darf man sich dann ein Nachtessen wünschen, welches der Rest der Familie zuzubereiten hat).

Februar: Fasnacht (Gut gegen Böse, vom Winter- ins Sommerhalbjahr)

Fasnacht – wenn man einen dermassen besoffenen Ausbruch aus dem Alltag braucht, dann stimmt meiner Meinung nach etwas mit dem Alltag nicht, auch wenn es die Vorbereitung auf die Fastenzeit sein soll. Aber Fasnacht ist auch ein mesopotamischer Brauch, der gemäss Wikipedia über 5’000 Jahre alt und demnach denkbar unchristlich ist. Und als Luzerner muss man ja doch irgendwie einen Zugang finden. Ich bemühe mich.

So entspricht mir die Fasnacht: Als Fest zur Austreibung der Wintergeister, als Symbol für das ständige Tauziehen zwischen Gut und Böse, als fröhliche Maskerade mit sinnhaften Parodien und anregenden, frechen Figuren oder liebevoll gebastelten Wesen, die gefestigte Rollenklischees spielerisch hinterfragen – mit diesen Ansprüchen finde ich mich wohl plötzlich an der Fasnacht in Basel, statt in Luzern (entschuldige, Luzern, aber die Fasnacht in Basel…). Dieses Jahr werden wir jedoch als Familiensujet an die Fasnacht in Luzern gehen, für unseren Kleinen bestimmt ein wunderbares Erlebnis – und vorerst geht es nur um das Rollenspiel und er begnügt sich mit der Antwort aus dem Altertum «weil wir Wintergeister austreiben».

April: Ostern (Neuanfang, Fruchtbarkeit)

Ostern, das Fest der Auferstehung, ist wohl das christlichste von allen Festen hier. Aber Ostern ist auch ein germanisches Frühlingsfest, das die Christen als Fest der Auferstehung vereinnahmt haben – die Frühlingsgöttin Ostara war eine heidnische Göttin. Ostern als Fest des Frühlings und damit des Neuanfangs von allem Leben: Das lässt sich durchaus ohne Auferstehung von Jesus feiern.

Der Hase, die Eierform und die Frühlingszweige als Symbole für die Fruchtbarkeit und den Neuanfang, das macht Sinn für mich. Die Geschichte des Osterhasen, der «Eier» versteckt: Ich mag das gemeinsame Suchen im Garten und den sonntäglichen Familienbrunch (Eier müssen es für mich nicht sein: Mir tun die Millionen geschredderten Osterküken und vergasten Legehennen jedes Jahr wieder leid…).

Warum also Ostern? Weil wir den Frühling und das Spriessen aller Pflanzen, das Leben an sich feiern. Warum Hase und Eier? Weil sie Symbol der Fruchtbarkeit, des Lebens sind. Um es kitschig zu formulieren: Der Osterhase mit seinen Lauschern erinnert uns, ganz Ohr zu sein für das Leben um uns.

November: Halloween (Trauern, Erinnern, Lebenszyklus)

All Hallows’ Eve, der Abend vor Allerheiligen – Bisher weigerte ich mich, Halloween als Fest zu akzeptieren. Ich nerve mich über das Klingeln und das Süssigkeiten-Gebettel von Kindern, die keine Ahnung haben, was «süss» oder «salzig» bedeutet und bei «salzig» meinen, sie würden Salzstängeli kriegen… – ich schalte deshalb bisweilen sogar die Klingel aus. Womöglich füge ich mich aber dem Fest. Denn wenn ich es mir überlege: Die Gedanken an Verstorbene und unsere Vorfahren kommen viel zu kurz.

Und aus dieser Perspektive scheint es mir plötzlich ein unglaublich wichtiger Brauch. Sich an die Verstorbenen zu erinnern und an die Seelen zu denken, die zum Ende der Sommerzeit erst umherirren und dann endlich heimkehren – in diesem Sinne gefällt mir das Fest. Sich den Verstorbenen Freunden und Bekannten sowie seinen Ahnen bewusst zu sein, die Trauer und auch Dankbarkeit für gemeinsam erlebte Zeit und eine gewisse Demut gegenüber dem Lebenszyklus zu fühlen, diesen Wert werde ich versuchen, so meinen Kindern weiterzugeben (wohl aber eher mit «Räbeliechtliumzug» oder Kürbis-Schnitz-Wettbewerb statt mit Süssigkeitengebettel). Und, wenn die Kinder bei «salzig» nicht ans Streiche spielen denken, ist das ja eigentlich auch nicht ganz so schlimm…

Dezember I: Samichlaus (Menschenwürde, Teilen und Freundschaft)

Die Geschichte vom barmherzigen Nikolaus vermittelt Werte, die meiner Meinung nach durchaus ihre Wichtigkeit haben, besonders im heutigen politischen Umfeld: Nikolaus gab sein Hab und Gut den Armen weiter, lebte Nächstenliebe und Uneigennützigkeit, nahm sich benachteiligten Menschen und Kindern in Not an. Für meine Kinder und jene in unserem unmittelbaren Umfeld ist das wohl noch etwas viel Ethik.

Da ist erst mal «Teilen können» und «Freundschaft leben». Ein wichtiger Aspekt, der gefeiert und zelebriert werden will: Der Samichlaus bringt einen Sack voll Sachen, er teilt diese und lehrt die Menschen, wie wichtig es ist, selber teilen zu können und Freundschaften zu pflegen. Er erinnert an die guten Eigenschaften und an die Würde eines jeden einzelnen Menschen (darum tadelt er bei uns auch nicht).

Die Geschichte des Sankt Nikolaus hat durchaus Platz, finde ich, auch ohne religiöses Brimborium. Wir feierten den Samichlaus dieses Jahr im Garten am Feuer mit befreundeten Familien. Ein schöner, ruhiger, gemütlicher Anlass – mein Kleiner singt noch heute das Samichlausen-Lied und mir dient der entsprechende Gruppenchat als Ferienchat für nächsten Sommer. Freundschaften leben und Dinge miteinander teilen, füreinander da sein – so gefällt mir der Samichlaus sehr.

Dezember II: Weihnachten (Liebe, Familie)

Zu Weihnachten gehört für uns auch die Vorweihnachtszeit: Gemeinsames Guetzle, der Adventskranz und ein Adventskalender, damit die Tage bis zu «Heiligabend» abgezählt werden können. Am 24. ist es dann das Christkindli, das heimlich den Baum schmückt, die Kerzen anzündet und das Glöckchen zum Klingen bringt und es sind wir, die uns gegenseitig Geschenke machen. Die Freude und das besinnliche Zusammensein an Weihnachten ist eine Kindheitserinnerung, die ich weder missen noch meinen eigenen Kindern vorenthalten will. Da lässt sich die christliche Sozialisierung nicht wegdiskutieren. Obwohl es Jungfrauengeburten schon bei den Persern, Griechen und Ägyptern gab und das Mittwinterfest ein germanischer Brauch gewesen war, sind Maria und Josef, das Jesuskind, die Könige und die Hirten in unserem Umfeld zu präsent – da lässt sich nichts umdeuten.

Aber «Warum kommt das Christkind?», darum:

Weil es uns immer wieder von Neuem zeigen will, wie kostbar die Zeit mit der Familie ist, wie schön es ist, dass wir einander haben, wie wichtig die Liebe ist. Und es lehrt uns darum, für Frieden einzustehen.

Wer ist das Christkind? Ein kleiner Engel, den wir uns herbeiwünschen. Als Erinnerung an das Kind in der Krippe.

Wer ist das Kind in der Krippe? Es stammt aus einer Geschichte: Die Weihnachtsgeschichte mit Maria und Josef, die sich die Menschen immer wieder erzählen, damit sie nicht vergessen, wie wichtig die Liebe ist. Andere Familien erzählen sich ähnliche Geschichten von der Liebe und von anderen Welten, aber die Geschichte mit dem Jesuskind erzählten schon Papapa, Mamama, Grossbaba und Grossmama. 

Eigentlich schön, haben wir all diese Feste. Ich jedenfalls bin nun gewappnet für die Fragen meiner Kinder. Komme, was wolle. Wobei, vergessen ging Pfingsten. Das Fest des heiligen Geistes zum Ende der Osterzeit müsste eigentlich auch in der obigen Reihe stehen. Aber für mich persönlich ist das eher eine rein kirchliche Sache – oder wird das auch von anderen gefeiert? Wenn ja, warum?

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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