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Die Übermutter: Zwischen Fürsorge und Kontrollfreak

Hilfe, das GV-Virus hat mich befallen

(Bild: pixabay)

Bei der Kindererziehung wandert man auf dem Grat zwischen Fürsorglichkeit und Kontrollfreak. Nach dem Schreck, dass sich erste Symptome auch bei ihr ausbreiten, sagt Bloggerin Myriam Kasper dem Gluggere-Virus, abgekürzt GV, den Kampf an.

Kennt ihr den Begriff Gluggere? Ich wurde damit das erste Mal vor ein paar Wochen konfrontiert, als ich meinen Freundinnen den Grund für meine fast zweistündige Verspätung zu unserem Treffen offenbarte: Ich konnte um keinen Preis aus dem Haus gehen, bevor Sohnemann eingeschlafen war. Und das obwohl ich mich schon so lange auf diesen Mädelsabend gefreut habe und ich überzeugt bin, dass es mir gut tut, ab und zu Abwechslung vom Familienalltag zu erhalten.

Und nein, unser Sohn war weder krank noch gab es sonst irgendeinen Grund zur Besorgnis. Ich wollte einfach die volle Kontrolle haben (bin sonst eher der chaotische und quirlige Typ, wohl bemerkt), bis unser Sohn gegessen hatte und eingeschlafen war. Ob er genug gegessen hat, ob der Husten immer noch da ist vor dem Einschlafen und und und … Als ob mein Mann für unser Schlafenszeit-Ritual nicht auch bestens geeignet wäre. Meine Kollegin meinte dann lachend, dass ich wohl «eine kleine Gluggere werde».

Die Hennen bleiben zu Hause

Habe dann zu Hause nach Gluggere gegoogelt (wollte ja so schnell wie möglich das Thema wechseln) und war schockiert, was google rausgegluggert hat. Eine Gluggere ist eine Hennenmutter und auf Mütter bezogen eine Mutter, die die Kinder überumsorgt. Also eigentlich eine Übermutter! Hilfe, ich will doch keine Übermutter sein! 1’000 Bilder schiessen mir durch den Kopf: das weit aufgesperrte Fenster vom obersten Stock, aus dem der lauthals rufende Mittagsschrei, der über den ganzen Spielplatz hindurch und bis zum letzten Haus im Quartier drallt: «JO-NA-TAN! MITTAGESSEN!»

«Die eigenen Bedürfnisse werden weit hinten angestellt.»

Oder die Besserwisserkommentare auf dem Spielplatz: «Meiner lief schon mit 9 Monaten und deiner noch nicht?» oder: «Oh, er hat ja erst 2 Zähne! Meine Prinzessin hat schon 18 und das, seit sie 11 Monate alt ist.» Und: «Wo ist dein Kind denn, wenn du arbeitest? Ist das nicht etwas zu früh, ihn in eine Kita zu stecken» (ich Rabenmutter)? Und nicht zu vergessen: Die vielen versehentlich bunt verschmierten Shirts (orange = Karotte, Gelb = Kartoffel?) und die aus Zeitgründen gestutzten Haare, die beweisen, dass man sich und seine Bedürfnisse weit hinten anstellt. Oder eben die Tatsache, dass man die Kinder auf keinen Fall mit dem Mann alleine lassen will, denn die Mutti kann es einfach besser.

Sorry an alle Übermütter, die das jetzt lesen und sich wiederfinden, aber ich habe gewissermassen Verständnis für euch. Denn ich selbst finde mich auch wieder: bei den Flecken. Und beim Um-keinen-Preis-das-Haus-Verlassen, bevor Sohnemann nicht im Bett ist, weil ich offenbar zum Kontrollfreak und eventuell sogar zur Gluggere mutiert bin.

Ein Mittel gegen den Gluggere-Gau?

Ich hoffe, dass es mehrere Gluggere-Typen gibt und ich «nur» eine kleine bin …? Eine Minigluggere, die man noch heilen kann. Vielleicht ist es so wie bei einem Virus. Das Glugger-Virus, abgekürzt GV, schlummert in jeder Mutter und bei einigen bricht es aus und bei andern nicht. Und bei denen, wo das GV ausbricht, die können sich noch heilen, sofern es früh genug entdeckt wird. Bei den andern wird es später oder gar nicht entdeckt und wird zum chronischen GV.

«Ich will die Mutter sein, die ihrem Kind Freiheiten gibt.»

Es kann sich immer weiter vermehren und verbreiten, bis es den ganzen Verstand erobert hat und schliesslich die totale Selbstlosigkeit eintrifft – dies wäre dann der Gluggere-Gau, womit man zur absoluten Ober-Übermutter mutiert, die Ehe scheitert, die Kinder unselbstständig und ängstlich werden und … weiter will ich gar nicht denken. Gibt es eigentlich kein Medi gegen dieses doofe GV? Ein Anti-GV? Ich habe mich entschieden, ich will das GV eliminieren.

Kampfansage

Nach all den Horrorvorstellungen bin ich nun fest entschlossen, der Übermutti-Phase den Kampf anzusagen! Ich will das GV loswerden oder schlimmstenfalls die Mini-Gluggere bleiben – das ertrage ich noch knapp. Ich will die Mutti sein, die ihrem Kind Freiheiten gibt (sobald es das Alter natürlich erlaubt), dem Papi das Vertrauen gibt, dass er genau so toll ist, und ich möchte trotz Kindererziehung, Eheleben und Arbeitsalltag noch Zeit für mich selbst haben. Also, fertig, ausgegluggert.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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