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Sprachgrenzen beim nördlichen Nachbarn

«Sag mal, bist du nicht von hier?»

(Bild: pixabay)

Die Präsentation der Partneruniversitäten am International Day der Uni Luzern weckte mein Fernweh – und auch Erinnerungen an mein Austauschsemester als Bachelorstudentin. Vor einem Jahr reiste ich selbstsicher ins Nachbarland: Austauschsemester in Stuttgart. Probleme mit der Sprache sollte es da nicht geben. Dachte ich.

Ein herzliches Willkommen hatte ich mir anders vorgestellt. Ich: «Hallo, wie geht’s?» Antwort: «Hey … du bist nicht von hier, oder?» Nun, so wurde ich in Deutschland begrüsst. Standardmässig. Hätte ich für diese Frage jedes Mal einen Franken kassiert, das Klischée des reichen Schweizers träfe zweifellos auf mich zu.

Manchmal wurde ich auf meinen – allem Anschein nach unüberhörbaren – Schweizer Akzent auch subtiler hingewiesen. So wie einmal beim Velohändler. Ups, Fahrradhändler. Die Bitte, meine «Pneus» aufzupumpen, führte er netterweise noch ohne Kommentar aus. Beim Trinkgeld-Geben konnte er sich ein langgezogenes «Merciii» aber dann doch nicht verkneifen. Zwinker, zwinker.

«Ohne Haut und so»

Und dann gab’s noch einige, die habe ich regelrecht verwirrt. Als ich den betagten Metzger hinter der Fleischtheke nach «Poulet» fragte, warf er mir einen fragenden Blick zu. Angestrengt durchforstete ich meine Hirnzellen. Ah, «Hähnchen» heisst das wohl. Und prompt wollte er mir ein ganzes Güggeli einpacken. «Nein, nein», ich winkte energisch ab, «ich will doch nur die Brust, ähm, ohne Haut und so.» «Ach, Sie wollen Hühnerfleisch! Na, sagen Sie das beim nächsten Mal doch nicht so umständlich.» Ich nickte und lächelte säuerlich.

Das rollende R als Störfaktor

Die Frage, ob ich nicht von hier komme, ist mir verdächtig bekannt. Stichwort: die Bernerin in Luzern. Eine Art Kantönligeist gibt’s auch in Süddeutschland. Verfiel ein Mitstudent in einen schwäbischen Dialekt, folgte unweigerlich der Spruch: «Da kommt der Schwabe raus.»

Auf die Art und Weise, wie jemand spricht, wird im Normalfall kein Augenmerk gelegt. Erst ein Störfaktor, wie mein schweizerisch rollendes «R», weckte die Aufmerksamkeit der deutschen Kollegen. Kleider mögen Leute machen, aber die Sprache tut dies ebenso: Sie porträtiert und charakterisiert. Und so galt ich ab dem ersten Satz als «die Schweizerin».

Standarddeutsch versus Schweizerdeutsch

Nie hätte ich gedacht, wie gross die Unterschiede zwischen Standarddeutsch und Schweizerdeutsch tatsächlich sind. Viele Fehler unterliefen mir, ohne dass ich es bemerkte. Der Klassiker ist die Phrase «Ich habe kalt». Meine deutschen Freunde tätschelten mir jeweils liebevoll die Schulter: «Da dringt die kleine Schweizerin durch.» Und ich murmelte dann in meinen Schal ein «… verdammt. Mir ist kalt».

Zu einigen Wörtern fand auch ich schlicht kein brauchbares deutsches Pendant. «Znüni»: laut Duden «Zwischenmahlzeit am Vormittag» oder «zweites Frühstück». Umständlicher geht’s nicht. Dasselbe gilt für den «Zvieri». Und ist etwas «gäbig», steht das zwar schon für etwas Praktisches, aber irgendwie schwingt bequem, angenehm und passend auch noch mit. Und da wäre noch das Wort «äuä». Die Erklärung: hoffnungslos.

Doch: Ich schien mich gegen das Ende angepasst zu haben, zumindest ein bisschen. Im letzten Monat habe ich mich ganze fünf Minuten in der Uni-Mensa mit einer anderen Studentin unterhalten. Dann erst kam die Frage: «Sag mal, bist du nicht von hier?»

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Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
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