Campus
Blog
Die Motivation der Prüfungszeit

Ich stinke noch nicht!

Während der Prüfungsvorbereitung bleiben Studenten zu Hause: Nur der Abfall muss montags raus.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Ein weiteres Semester neigt sich seinem trostlosen Ende zu. Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Arbeit. Leben. Studieren. Und ja nicht anfangen zu stinken.

Von der Motivation beflügelt rechne ich Anfang jedes Semesters die Creditpunkte der Veranstaltungen, die ich zu besuchen gedenke, zusammen. Ich nehme mir die anspruchsvollsten Vorlesungen vor, will möglichst viele Seminararbeiten schreiben, jedes Mal sowohl körperlich als auch geistig anwesend sein.

Und das tue ich auch – bis sich das Leben neben mich anschleicht, kurz räuspert und lauthals «HAHA!» ruft.

Ende Semester kratze ich die letzten Pünktchen, die mir noch geblieben sind, aus der Hüfte und bete, man liesse mich einfach nur weiterstudieren. T minus ein Monat bis zu den Prüfungen und nicht nur die Professoren sind verunsichert, wenn ihnen auf eine einfache Frage niemand die Antwort liefern kann.

«Das hatten wir vor 45 Minuten schon mal.» Stille im Rudolf Albert Köchlin Auditorium. «Hier handelt es sich um Stoff der ersten Vorlesung.» Darauf hört man nur, wie die Studis vergeblich den Augenkontakt zu vermeiden suchen. Dann endlich eine mutige Hand – dieselbe wie immer – und man fängt an, daran zu denken, sich mit der Person anzufreunden.

Oder lieber die Person sein? Werden? Werden wollen? Wie auch immer. Liegt alles sowieso nicht drin. Ein Jahr noch, maximal zwei, dann arbeite ich nicht mehr. Ein Jahr noch, vielleicht zwei, dann liegt das Geld auf der LUKB. Dann kann ich einfach mal studieren. Mögen sich doch nur die Noten bis dahin halten.

«Wo gehen wir hin? Was wollen wir tun? Die Umsetzung ist teuer oder, schlimmer noch, verdirbt die Agenda.»

Plants will survive

Zwischen den Semestern werden Pläne geschmiedet. Wo gehen wir hin? Was wollen wir tun? Viel bleibt davon nicht übrig, denn die Umsetzung ist teuer oder, schlimmer noch, verdirbt die Agenda. Meine Arbeit für eine gemeinnützige GmbH darf nicht auf der Strecke bleiben, wo kämen wir denn hin, ohne Arbeit? Ein neuer Vereinsstandort von «Rock your life» soll in Luzern zur Welt kommen. Will geboren werden, das Luzerner Baby, mein Baby, unser Baby.

Doch auch Mütter gönnen sich mal einen Drink im Capitol, ein Konzert in der Schüür. Vielleicht lässt sich zwischendurch ein Haus besetzen, vielleicht auch nicht.

Im Grunde bleibt das Funktionieren. Pflanzen wollen gegossen, die Waschküche saubergemacht werden. Zumindest will die Nachbarin, dass ich sie saubermache und auch, dass ich montagmorgens um sieben den Abfallsack rausstelle. So sei das in Wolhusen. Zudem soll ich eine Abwesenheitsnotiz hinterlassen, wenn ich abwesend bin und das oben Genannte nicht tun kann. So mache man das hier.

Ich verstehe

Sie habe sich Sorgen gemacht. Mein Fehler, denn ich bin verreist und habe vergessen, das Licht auszuschalten, die CKW dankt. Die Nachbarin hat daraufhin mächtig Angst gekriegt. Ich sehe sie vor mir, wie sie um mein Fenster schleicht und sich fragt, ob mir was passiert sei. «Du weisst doch, was man so alles liest in der Zeitung», sagt sie. Da lägen Menschen wochenlang herum, fingen an zu stinken. Sie hätte sich Vorwürfe gemacht, sagt sie, wenn ich angefangen hätte zu stinken. Und ich antworte, ich würde mich um den Abfallsack schon kümmern, wenn ich die Zeit dazu fände. Sie sagt, das geht nicht, denn er fängt an zu stinken. Ich verstehe.

«Morgens Uni, nachmittags Arbeit, abends wird geschrieben.»

Was man nicht alles liest in der Zeitung, was man nicht alles lesen sollte in der Zeitung. Ich habe sie abonniert, die Zeitung. Wie ein Mahnbrief kommt sie immer pünktlich und drängt sich auf meine To-Do-Liste. Ich vermisse die Zeit des Lesens aus Vergnügen und schreibe passiv-aggressive Sätze in mein Arbeitsbuch, das behauptet, Wohlstand liesse sich durch das Einkommen messen. Das behauptet, dass Geld wichtig sei. Und dann verstehe ich wieder.

Prüfungszeit

Zeit des Trockenshampoos und des Anti-Augenringe-Rollons. Auch Trainerhosen sind erlaubt. Nur der Abfallsack muss montags raus. Und die Arbeit, eine sinnvolle, wenn nicht gar sinnstiftende, soll getan werden. Ein Teilzeitpraktikum als neue Herausforderung, weil man nicht will, dass es anderen genauso ergeht. Sie sollen Zeit haben. Sie sollen eine Chance kriegen, die sie dann versauen können. Was sonst versteht man unter Chancengleichheit?

Morgens Uni, nachmittags Arbeit, abends wird geschrieben, spätabends die Lektüre gelesen, manchmal auch ausgelassen. Meistens ausgelassen. Zwischendurch ein Bier unter Funktionstüchtigen. Und dann stimmen wir an: «T minus ein Monat, dann ist es vorbei, dann kommt der Sommer und wir sind frei.» Frei, die spätabends ausgelassene Lektüre in Ruhe nachzulesen.

Müde? Bestimmt nicht!

Themen
Campus
Blog
Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon