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Rollenspiele und Gewaltexzesse

Die Fasnacht – nur ein gigantisches Rollenspiel über dem der alkoholgeschwängerte Wunsch liegt, von einem oder einer Unbekannten flachgelegt zu werden? (Bild: CF)

Der Barkeeper wird tätlich angegangen und macht sich ernsthafte Gedanken über den Sinn der Fasnacht.

Bald kommen sie wieder. Die närrischen Tage. Die Fasnacht steht in ihrer ganzen Grausamkeit vor der Tür. CF ein Fasnachtsfeind? Mitnichten. Eine knappe Woche voll von Frivolitäten und dionysischem «Laissez-faire». Was kann sich ein vulgärer Mensch denn mehr erträumen. Doch sind wir mal ehrlich. Weshalb brauchen wir dazu die Fasnacht? Wieso genau versammeln sich die Menschen zu Tausenden in der klirrenden Kälte des Spätwinters (oh ja, er wird noch kommen!) um gemeinsam den Max zu machen – stets mit der Gewissheit im Anschluss das Krankenbett hüten und Beziehungstrümmer aufsammeln zu müssen?

Kultur, heidnische Bräuche, Winter vertreiben vielleicht? Nein, sage ich als ausgebildeter Kulturpessimist. CF reduziert es auf die Sexualität und die Mutter. Daran habe ich Freude. Übergrosse Masken als phallische Symbole, Paukenschläge erinnern uns an das Herzklopfen in der pränatalen Umgebung und letzten Endes ist alles ein gigantisches Rollenspiel über dem der alkoholgeschwängerte Wunsch liegt, von einem oder einer Unbekannten flachgelegt zu werden. Häufig mit der gravierenden Folge, dass dabei wiederum junge Narren entstehen. Die Fasnacht reproduziert sich folglich selbst.

Eigentlich hätte ich genügend Gründe der Fasnacht gänzlich fern zu bleiben. Doch getreu dem Motto «Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach», ergibt sich auch CF Jahr für Jahr der kollektiven Narretei und zieht unerbittlich um die Häuser. Mit der Ausnahme, dass ich hin und wieder im Storchen die Zapfsäule selbst zum Glühen bringe.

Der Storchen ist ein wahrhaftiges Fasnachts-Mekka. Eine Pilgerstätte himmlischen Ausmasses mit einer höllisch-gigantischen Stimmungsgarantie. Von Nah und Fern kommen die festwütigen Narren, um sich bei uns mehr oder weniger stilvoll ins Nirwana zu schiessen. Und meistens spult sich der ganze Klamauk auch ganz friedlich von der Rolle. Mit einer Ausnahme, als CF im vergangenen Jahr Opfer einer Glasattacke wurde. Dieser Saucheib. Wenn ich den erwische, dann knallt’s dann gehörig auf allen Frequenzbändern. Sein «Zwetschgen» sei zu dunkel und habe zu wenig Schnaps, monierte er. Ich erwiderte, dass die Flaschen verzapft seien und er ja auch nicht der Hellste sei. Ein sprachlicher Konter überforderte den Grüsel aus dem Luzerner Hinterland sichtlich und so griff er zu gröberen Mitteln und schleuderte die zwei vollen Gläser in meine Richtung. Gottlob war meine Reaktion noch ausreichend schnell und so entkam ich der klebrigen Kaffee-Dusche im letzten Moment. Meine Gedanken zu diesem Zeitpunkt kann ich hier aus ethischen Gründen nicht ausverbalisieren. Doch diese Rechnung ist im wahrsten und übertragenen Sinne noch nicht beglichen.

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Über Bars und Restaurants wurde schon viel geschrieben. Doch stets aus der Perspektive des Gastes. Dieser Blog ist anders. Gänzlich aus der Optik des Barkeepers verfasst, eröffnet er den Lesenden einen bunten Einblick in das Leben zwischen Zapfsäule und Kaffeemaschine. Ein Leben in der Schnittmenge von flüssigem Glück und seelischen Abgründen.
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