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Gen-Italien im 2014

Wenn selbst der Toilettengang zur wegweisenden Entscheidung wird und einem zu wahrer Grösse verhilft. Zudem schaut der Barkeeper in die Sterne und entdeckt dabei grausige und schöne Dinge. 

Die Dezember-Dekadenz ist Geschichte. Das neue Jahr drückt unablässig. Und nicht nur an Bauch, Hüfte, Arsch und Oberschenkeln. (Der Durchschnittsschweizer nimmt über die Festtage rund 3 Kilo zu und auch CF trägt jetzt eine Schuhnummer grösser.) Nein, auch mental stehen wir unter gehörigem Druck. All unsere Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte auf ein vermeintlich besseres Leben komprimieren sich auf penetrante Weise in unseren immer wiederkehrenden, sogenannten guten Vorsätzen. Klar, jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, doch spätestens während des Fasnachts-Faschismus wird diese selbst auferlegte Triebkanalisation wieder aufgebrochen und die heilsbringenden Abstinenzvorsätze bezüglich Völlerei, Trinkerei und Gelegenheitsbeischlaf sind auf einmal wie – sagen wir mal – weggeblasen.

Apropos Druck. Wer trinkt, muss früher oder später mehr oder weniger dringend auf die Toilette. Der Gang zu diesem stillen Örtchen geht meist einher mit einer kleinen oder grösseren Erleichterung im Anschluss. Im Storchen gehen die Männer aktuell mit einer ambivalenten Erwartungshaltung auf den Topf. Das liegt daran, dass die Werbung an diesem aussergewöhnlichen Ort uns vor schwierige Entscheidungen stellt. Denn während im Häuschen mit der Schüssel wirklich lustige Witze von den Wänden trällern, sind die Plakate über den Pissoirs von anspruchsvollerer Natur. Bei jenem links steht ein grosses XS geschrieben, und bei jenem rechts ein gleichgrosses XL. Darunter steht zudem in kleiner Schrift: «Auffallen ist keine Frage der Grösse.» Soweit so gut.

Doch wie soll man sich nun da entscheiden? Geht man links, ist der Spott garantiert. Geht man rechts, schreit das förmlich nach Überkompensation. Oder ist es eher so, dass wenn man links geht, dies von grossem Selbstbewusstsein zeugt? Und wenn rechts, dann von noch grösserem? Diese Wahl ist definitiv keine einfache. Wahrscheinlich ist deshalb die Schüssel in letzter Zeit ständig besetzt. Und sowieso bringt letztlich nur ein Blick über die Trennwand die Wahrheit über die wahre Grösse ans kalte Neon-Licht. Doch so was tun die Männer ja nicht.

Zum Schluss noch mein persönlicher Ausblick fürs 2014. Der Januar nagt hoffentlich nicht nur am Portemonnaie, sondern auch an den körpereigenen Festtagsreserven. Im Februar sorgt ein Frühlingseinbruch für vermehrtes Freilufturinieren und steigende Schwangerschaften nach der Fasnacht. Im März habe ich meine erste Klage wegen Männerfeindlichkeit am Hals. Im April erhängt sich der erste Wirt an seinem Wirtshausschild. Den Mai verbringe ich in Italien – Luzern kann mich mal mit seinem trübseligen Dauerregen. Ende Juni bin ich froh das erste Halbjahr überstanden zu haben und gönne mir ein Fläschchen Weisswein. Im Juli feiern wir verspätet Ostern und suchen blaue Eier. Der 1. August wird aufgrund nationaler Spannungen im Zusammenhang mit der Initiative «Luzern – für eine schöne Hauptstadt der Schweiz» abgesagt. 200 Zürcher, 5 Berner und 300 Basler werden beim Versuch die Kappelbrücke niederzubrennen gelyncht. Im September wird CF 30 (!). Beim Zieleinlauf des Lucerne-Marathons im Oktober knallt’s gewaltig. Wie das? Ein vermeintlich gelynchter Basler hat überlebt und schwört Rache. Er verkleidet sich als Bruder Fritschi und sprengt sich ins Joggeli-Nirwana. Im November kommt es in Zug zur grossen Schlacht zwischen Zürich und Luzern. Luzern gewinnt dank seiner wiedererstarkten Polizei. Zürichs Polizisten drücken sich und vergnügen sich im Puff. Der Uetli-(Berg?) wird abgetragen. Aus Züri wird Zöri. Basel (Niederlage gegen Luzern in der Meisterschaft und im Cupfinal) und Bern (führungsschwach, da Stadtpräsident Tschäppät von einem wütenden Italiener im Pizzaofen vorzeitig kremiert wird) haben bereits vorher kapituliert. Und im Dezember wird Luzern als neue Hauptstadt der Schweiz ausgerufen. Parlament und Regierung werden aufgelöst – die Macht übernimmt die Güggeli-Zunft. Der Anfang des leuchtenden Zeitalters.

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Über Bars und Restaurants wurde schon viel geschrieben. Doch stets aus der Perspektive des Gastes. Dieser Blog ist anders. Gänzlich aus der Optik des Barkeepers verfasst, eröffnet er den Lesenden einen bunten Einblick in das Leben zwischen Zapfsäule und Kaffeemaschine. Ein Leben in der Schnittmenge von flüssigem Glück und seelischen Abgründen.
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