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Hängen!

Der Barkeeper trauert um alte Beizen und erteilt Ratschläge an überforderte Gastronomen. Zudem hasst er Hipster.

Nach einigen Exkursen in meist frauliche Angelegenheiten, komme ich heute wieder einmal auf das Kernthema dieses Blogs zurück – die Bar. Als Wirt oder als Gastronom, wie man heute häufiger sagt, um das gesellschaftliche Ansehen dieses Berufs zu steigern, ist man Tausenden von Vorschriften untergeben. Nichts da von auf die Schnelle ein paar Bier ausschenken und tüchtig Kasse machen. Als Beizer (das wäre der von CF favorisierte Ausdruck) isst man in der heutigen Zeit hartes Brot. Nun gut, wenigstens hat man immer genügend Flüssiges, um es aufzuweichen. Aber trotzdem. Die Zeiten waren definitiv schon rosiger. Natürlich ist es immer noch möglich in der Gastronomie Geld zu verdienen. Doch dafür muss man tüchtig in die Hosen steigen. Denn die beinahe inflationär steigenden Mietzinsen, kombiniert mit der Überreglementierung durch Vater Staat saugen ganz schön kräftig an Portemonnaie und Nervenkostüm. Kein Wunder gibt ein Grossteil der Neueinsteiger den Betrieb und manchmal gar den Löffel nach kurzer Zeit (wieder) ab.

CF mag Kontinuität. Und er mag Tradition. Das mag etwas merkwürdig klingen, da ich ja naturgemäss gegen alle Ewiggestrigen in den Krieg ziehe. Doch was die sogenannten Beizen angeht, da lob ich mir seit Jahren ein gewisses Mass an Nostalgie. Was mussten wir leiden in den letzten Jahren! Erst das Pilatus, dann die Fischerstube und letztlich gar die Schmitte. Allesamt wurden in einen qualvollen Suizid getrieben. Es ist ein Graus. Wer will sich denn schon in irgendwelchen trendigen Neustadt-Bars mit Wollmützen tragenden Hipster-Arschlöchern mit Bündnerdialekt über Sinn und Unsinn einer nicht korrigierten Hornbrille unterhalten, wenn er an anderer Lokalität 300 Jahre Zuchthaus auf einem Haufen und Schlägereien zwischen Grossvätern vorfindet? Wie auch immer. Die guten alten Beizen-Zeiten scheinen leider Gottes (zumindest in den Städten) definitiv der gastronomischen Postmoderne zu weichen – zum Mittag thailändisch, am Abend mexikanisch. In welchem Puff sind wir denn eigentlich hier?

Zurück zum Thema der Überreglementierung. Zu einer richtigen Beiz gehört – allseits bekannt – ein schmuckes Wirtshausschild. Fährt man durch ländliche Gegenden, sieht man in jedem Dorf einen Sternen, einen Bären, einen Ochsen, ein Pony, ein Rössli oder vielleicht sogar einen Storchen vor der Wirtschaft hängen – wobei es ja eigentlich nur einen richtigen Storchen gibt. Auf jeden Fall sind diese Schilder wunderbar anzuschauen und versprühen auf den ersten Blick eine archaische Gemütlichkeit.

Jetzt ist es in der Stadt Luzern so, dass nebst dem Boden auch die Luft Eigentum der staatlichen Obrigkeit ist. Und da diese kunstvollen Wirtshausschilder in den Luftraum hinaushängen, muss man dafür eine Gebühr zahlen. Um die 50 Franken pro Jahr, wenn ich richtig informiert bin. Das mutet schon seltsam an. Wie sieht’s denn aus, wenn die inkontinente Grossmutter ihre übergrossen Unterhosen zum trocknen aus dem Fenster hängt oder strenge Katholiken nach der Hochzeitsnacht ihre Bettlaken zur Schau stellen?

Nun denn. Welt, Menschen und Gesetze sind nicht immer nachvollziehbar und selbst die Wege des Herren manchmal unergründlich. Doch immerhin hat CF zum Abschluss noch einen Rat für alle überforderten Beizer, Wirten, Gastronomen, Köche, Kellner und Barkeeper: Wenn ihr nicht mehr weiter wisst, eurem Leben ein Ende bereiten möchtet und ihr euch vor eurem Restaurant aufhängen wollt, dann bitte erst bei der Stadt die 50 Franken deponieren. Dann lässt man euch auch wirklich hängen.

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Über Bars und Restaurants wurde schon viel geschrieben. Doch stets aus der Perspektive des Gastes. Dieser Blog ist anders. Gänzlich aus der Optik des Barkeepers verfasst, eröffnet er den Lesenden einen bunten Einblick in das Leben zwischen Zapfsäule und Kaffeemaschine. Ein Leben in der Schnittmenge von flüssigem Glück und seelischen Abgründen.
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