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Leichen waschen im Advent

Der Barkeeper versucht sich im Verbreiten weihnachtlicher Romantik – und scheitert kolossal.

Es weihnachtet sehr. Schaufenster verkitschen im künstlichen Schnee, im Storchen wird wieder vermehrt Holdrio und Glühwein bestellt und ganze Strassenzüge werden von bunt-grässlichen Lichterketten gesäumt, sodass man meinen könnte, die Strompreise seien im Keller und die Stadt müsse nicht sparen. CF mag den Dezember mässig. Der ganze Klamauk um Kläuse und Christkinder verstehe ich seit meiner humanistischen Renaissance um Wein, Weib (verflucht, jetzt werde ich ja schon wieder frauenfeindlich) und Gesang eh nicht mehr und das Märchen von der christlichen Nächstenliebe zerfetzt im gleichen Masse, wie die Bomben, die tagtäglich auf der Welt in die Luft gehen. Kommt erschwerend hinzu, dass gerade während der Adventszeit dieses vermeintliche Gutmenschentum Hochkonjunktur feiert. Und das zentrale Element jener ekelhaften Heuchelei: Das Schenken.

Materielles Schenken ist eine der miesesten Errungenschaften, welche die Menschheit ihr Eigen nennen darf. Es kommt in der Rangliste der anti-humanistischen Erfindungen wohl gerade knapp nach dem Sich-totschiessen. Wobei das eine durchaus zum anderen führen kann. Denn nicht erfüllte Erwartungen können ein angezähltes Selbstbewusstsein ganz schön knicken und die armen Seelen dieser Erde gar in den Suizid oder noch schlimmer in die Hände von Mike Shiva treiben. «Denn hesch denn s Gschänk!»

Wenn wir ehrlich sind, ist das Schenken von Gegenständen unter dem Strich in den meisten Fällen ein ziemlich schlechter Tauschhandel. Schlechter Tauschhandel deshalb, weil wir ja durch unser Schenken an unsere Lieben immer eine Gegenleistung erwarten, die, was die Verwendbarkeit anbelangt, in etwa der gleichen Liga spielen sollte. Meistens ist dies nicht der Fall und so fristen Bücher, Küchengeräte, Lava-Lampen etc. häufig originalverpackt ein trostloses Dasein als Staubfänger im Kellerabteil – gleich neben den diversen Leichen, die man über das Jahr hinweg angehäuft hat und von denen man meint, dass sie an Weihnachten oder spätestens Schlag zwölf an Silvester verschwinden. Früher kaufte man Ablassbriefe um seine Sünden rein zu waschen, heute verprasst man dafür seinen 13. Monatslohn.

Doch eigentlich hat CF gar nichts gegen das Schenken. Doch sollte es einfach ein ehrliches, aufrichtiges, nicht materielles Schenken sein. Ehrlich und aufrichtig in diesem Sinne, dass man sich und dem Gegenüber eingesteht, dass man selbst auch einen Nutzen durch das Geschenk generiert. Dann hat man wirklich eine gute, und vielleicht sogar selbstlose Tat vollbracht. Denn in der Verbindung der Freude und des Glücks mit einem anderen Menschen verblasst das eigene Ego zusehends und macht Platz für gesellige Harmonie.

Schenkt also euren Liebsten etwas, was nebst ihnen auch euch Spass macht. Verbringt Zeit miteinander. Helft euch beispielsweise gegenseitig beim Leichen entsorgen oder wenigstens beim Waschen dieser. Und wenn ihr das vollbracht habt und euer Gewissen so scheinbar rein wie der Emmer Industrieschnee ist, dann begiesst doch eure Freude bei mir im Storchen. Am 23. (abends) und 24. Dezember (tagsüber). Eine frohe und besinnliche Adventszeit wünsche ich.  

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Über Bars und Restaurants wurde schon viel geschrieben. Doch stets aus der Perspektive des Gastes. Dieser Blog ist anders. Gänzlich aus der Optik des Barkeepers verfasst, eröffnet er den Lesenden einen bunten Einblick in das Leben zwischen Zapfsäule und Kaffeemaschine. Ein Leben in der Schnittmenge von flüssigem Glück und seelischen Abgründen.
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