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Neubau Wohnhaus an der Bleicherstrasse in Luzern

Wohnturm für Singles

Der Neubau an der Bleicherstrasse zwischen Bauten des 19. Jahrhunderts. (Foto: Gerold Kunz)

An der Ecke Kleinmatt-/Bleicherstrasse in Luzern steht ein Wohnturm zum Bezug bereit. Seine Architektur ist ganz anders als jene der Nachbarbauten. Doch im Quartier findet sich an der Ecke Linden-/Ulmenstrasse ein präzises Vorbild. Als Architekturkritiker frage ich mich: Billige Kopie oder interessante Fortsetzungsgeschichte?

«Mitten in der Stadt lustvoll wohnen», titelte Cla Büchi 2002 seinen Artikel in der Luzerner WoZ zum Neubau an der Ecke Linden-/Ulmenstrasse in Luzern von Scheitlin Syfrig Architekten. «Modern wohnen in der Neustadt Luzern», lautet das Versprechen des Investors Redinvest für den Neubau von Cometti Truffer an der Ecke Kleinmatt-/Bleicherstrasse, der im Sommer 2017 bezogen werden kann. Nicht nur die Anpreisungen sind identisch, auch das architektonische Konzept ist gleich. Wo liegen also die Unterschiede?

Mit dem Trend in die Neustadt

Die beiden Bauten stehen einen Steinwurf voneinander entfernt. Wegen ihres Altersunterschieds von 15 Jahren, lassen sie sich gut vergleichen. Beide stehen für eine Aufwertung eines innerstädtischen Wohnquartiers. Trotz ihrer frappanten Ähnlichkeit sind Unterschiede gut auszumachen. Diese belegen, dass die Zeit nicht stehen geblieben ist. Insbesondere die Wohnungsgrundrisse suchen nach einer anderen Mieterschaft.

Kleinwohnungen entsprechen dem Trend der Rückwanderung in das Stadtzentrum.

Wurde das Wohnhaus von 2002 mit den fünf 4.5-Zimmer-Wohnungen für Familien ausgelegt, spricht der Investor mit seinen 13 Grundrissen zwischen 30 und 50 m2 Grundfläche nun ein urbanes, kinderloses Publikum an. Das Angebot der Kleinwohnungen entspricht dem Trend der Rückwanderung in die Herzen der Stadt und ist für Singles ausgelegt. Wurde das Haus Linden-/Ulmenstrasse von den Bewohnern gebaut, ist der Neubau Kleinmatt-/Bleicherstrasse ein Mietobjekt.

Wo bleibt die Raffinesse?

Schloss der Neubau Linden-/Ulmenstrasse an die Baureihe an, bleibt der Neubau an der Kleinmatt-/Bleicherstrasse freigestellt, auch wenn sein Nachbarbau eine Brandmauer hat, was einer anderen städtebaulichen Haltung entspricht. Wie bereits der Vorgängerbau markiert der nun nahezu doppelt so hohe Bau die Strassenecke. Das vergrösserte Volumen verträgt sich mit der städtebaulichen Situation gut.

Eine städtebaulich prägende Strassenecke wird bebaut. (Foto: Gerold Kunz)

Eine städtebaulich prägende Strassenecke wird bebaut. (Foto: Gerold Kunz)

Den Architekten gelingt mit Vor- und Rücksprüngen, die Trauflinien der angrenzenden Bauten aufzunehmen. Mit der dunklen Farbgebung und der zurückhaltenden Detaillierung findet eine Verschmelzung mit der Umgebung statt, die schon heute aus unterschiedlichen Architekturen besteht.

Die Materialisierung wird dem städtebaulichen Anspruch nicht gerecht.

Dennoch lässt der Neubau etwas von der Raffinesse vermissen, über die ein Gebäude an dieser prominenten Lage in der Innenstadt verfügen sollte. Die Gebäudehöhe ragt über die Gebäude der Umgebung hinaus, die Materialisierung wird diesem städtebaulichen Anspruch aber nicht gerecht.

Eine verpasste Chance

Der Vergleich der beiden Bauten macht deutlich, dass gleiche architektonische Konzepte zu unterschiedlichen Bauten führen. Der Input, der von ihnen auf das Stadtleben ausgeht, hängt wesentlich von der Nutzung ab. Mag sein, dass das Publikum im Neubau Ecke Kleinmatt-/Bleicherstrasse die urbanen Angebote von Restaurants und Bars sucht und diese im Quartier findet. Das kann zu einer Belebung führen.

Der Neubau selber trägt seinen Anteil dazu nicht bei. Ohne öffentliche Nutzung im Erdgeschoss wird aus dem Gebäude keine Adresse. Die Chance zu einer wirklichen Belebung des Quartiers wurde vertan.

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