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Gerold Kunz in Chicago

Architektur für Playboys

Die Playboy Mansion liegt in einer noblen Umgebung. (Bild: Gerold Kunz)

Väter und Söhne meiner Generation vereint das gemeinsame Interesse am «Playboy». Das für Männer konzipierte Magazin wurde 1953 in Chicago gegründet. Architektur war für den Gründer Hugh M. Hefner ein zentraler Lebensinhalt, weshalb er auch die Zeitschrift als Plattform für die Moderne öffnete.

Die spanische Architekturhistorikerin Beatriz Colomina ist während eines Interviews mit dem österreichischen Architekten Hans Hollein auf die Bedeutung des «Playboys» aufmerksam geworden. Hollein erwähnte, dass er überrascht war, als die russischen Grenzbeamten seine «Playboys» konfiszierten, hingegen die originalen Dokumente des russischen Avantgardearchitekten Konstantin Melnikow in seiner Tasche beliessen.

Eine Plattform für die Moderne

Als Colomina später ihre Studenten der Princeton University auf den «Playboy» ansetzte, wurde ihr die Bedeutung des Männermagazins für Architekten klar. «Playboy» hat sich in den untersuchten Jahrgängen von 1953 und 1979 immer auch als Plattform für die Moderne verstanden. Die grossen Heroen dieser Zeit, Alvar Aalto, Le Corbusier, Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Frank Lloyd Wright, wurden in Beiträgen den Lesern vorgestellt.

Playboy in den Strassen Chicagos

Erfunden wurde das Magazin in den Strassen Chicagos. Colomina erzählt, dass Hefner die Idee entwickelte, als er spät abends durch die dunklen Strassen Chicagos schlenderte und zu den beleuchteten Fenstern der Wolkenkratzer hochschaute. Er spürte ein Verlangen, Teil des guten Lebens zu werden, das die Bewohner in diesen Appartements offenbar führten.

Ich vermute, dass er sich insbesondere vor den Appartementhäusern am Lake Shore Drive aufstellte, die Mies van der Rohe 1951 fertiggestellt hatte und die als exklusive Neuheit über vom Boden bis zur Decke reichende Glasfenster verfügten. Wo hätte Hefner besser in Gedanken schwelgen können, wenn nicht vor diesen Prototypen der Nachkriegsmoderne?

«Hefner lenkte in den Nachkriegsjahren von den Ängsten des Kalten Kriegs ab.»
These von Beatriz Colomina, spanische Architekturhistorikerin

Das Männermagazin als Ablenkung

Hefner lenkte in den Nachkriegsjahren den Mann von den Ungewissheiten und Ängsten des Kalten Kriegs ab, ist eine der Thesen Colominas für den Erfolg des Männermagazins. Vor den Toren Chicagos, im Art Museum Elmhurst, hat sie diesen Sommer eine Ausstellung eingerichtet.

Ihr stand dafür das von Mies van der Rohe 1952 errichtete McCormick House zur Verfügung, das 1994 vom originalen Standort zum Museum verschoben wurde. In diesem für die Präsentation idealen Umfeld werden die gemeinsamen Interessen der Zeitschriftenmacher und der modernen Gestalter zur Schau gestellt und die mannigfaltigen Bezüge sichtbar gemacht.

«Als Krönung des Erfolgs belegte Hefner ab 1966 mit seinen Geschäftsräumen einen Art-Deco-Bau.»

Aussen traditionell, innen «The Playboy Bed»

Anders als zu erwarten, hat Hefner in Chicago ausschliesslich in traditionellen Bauten gelebt und gearbeitet. Die erste Geschäftsadresse (das Gebäude ist abgebrochen) lag direkt neben einer Kirche. Das erste Hauptquartier an der Ohio Street ist ein Lagergebäude, das erhalten geblieben ist. In der edlen North State Parkway Neighborhood hat er Ende der 1950er Jahre seine Mansion in einem 1899 erstellten, französisch anmutenden Palais installiert.

Als Krönung seines Erfolgs belegte er ab 1966 mit seinen Geschäftsräumen einen Art-Deco-Bau an der S Michigan Avenue. Auf dem Dach leuchtete der «Playboy»-Schriftzug zur Aufmunterung in die Nacht. Die Innenräume zeigen sich hingegen modern. Der Designer Nisei George Fujimori entwarf 1965 für die Playboy Mansion sogar «The Playboy Bed», ein rundes Bett, das sofort zum Arbeitszentrum Hefners wurde, der sich beim Arbeiten gerne im Morgenmantel und im Bett präsentierte.

Matta-Clarks letzte Installation

Weniger bekannt und in der Ausstellung nicht ausgeleuchtet sind die Beziehungen zur Kunst. Hefner war ein Board Member des Museum of Contemporary Art MCA und hatte dem Museum seinen Geschäftssitz als deren erstes Domizil zur Verfügung gestellt, bis 1996 das Museum am heutigen Standort den Josef-Paul-Kleihues-Neubau bezog.

Dem Künstler Cordon Matta-Clark hatte er 1978 ein Haus neben den MCA für dessen letzte grosse Installation «Circus or The Caribbean Orange» überlassen, in das der Künstler runde Löcher schnitt, bevor es abgebrochen wurde.

Seine Liebe zur modernen Architektur, zur Kunst und zu den ehrwürdigen Bauten teilte er mit Mies. Dieser wohnte in Chicago neben dem heutigen MCA in einem Gebäude mit Baujahr um 1900, einen Steinwurf vom «Playboy»-Hauptsitz und seinen Appartementhäusern am Lake Shore Drive entfernt.

Architektur-Studium dank «Playboy»?

In Luzern wurden in den 1970er Jahren die Covers der «Playboy»-Magazine in der Auslage des Bahnhofskiosks mit roten Herzen abgedeckt, was den Reiz nicht minderte. Beim Papiersammeln wurde das Heft unter den Buben zur behüteten Trophäe.

Ich erinnere mich nicht an den Stellenwert der Architektur in den Magazinen. Doch nach dem Besuch der Ausstellung fragte ich mich, ob ich das Studium der Architektur wegen des «Playboys» ergriffen habe und mein Interesse nicht den frühen Bauten von Mario Botta verdanke, die mich damals begeisterten.

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