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Gerold Kunz in Chicago

Fragen und Antworten

Das Chicago Arts Department. (Bild: Gerold Kunz)

Zwei Architekten manipulierten die originalen Pläne des in den USA populären Windsor Chairs am Computer und liessen sie als «wrong chairs» nachbauen. Damit hat eine aussichtsreiche Karriere begonnen.

 

Indem sie die originalen Pläne des in den USA populären Windsor Chairs am Computer manipuliert haben und als «wrong chairs» nachbauen liessen, hat für die beiden Architekten Carry Norman und Thomas Kelley eine aussichtsreiche Karriere begonnen. Im Art District in Chicago haben sie nun eine Wandmalerei realisiert.

Für ihre nachgebauten Windsor Chairs wurden die beiden Architekten Carry Norman und Thomas Kelley 2014 mit dem «Leage Price for Young Architects» ausgezeichnet. Die Auszeichnung versteht sich als Starthilfe für junge Architekturtalente.

Die Graham Foundation hat 2015 mit «Eyecon» nachgedoppelt und die erste Publikation der beiden Jungarchitekten veröffentlicht. Die Reihe mit vierzehn Heften lotet Grenzen der Konzeptarchitektur aus. Und für den renommierten Kosmetikhersteller Aesop haben sie 2016 sowohl in Chicago als auch in New York je einen Laden eingerichtet. Die Firma setzt auf die Zusammenarbeit mit talentierten lokalen Architekturbüros.

Die Zeichnung als Werk

Norman Kelley arbeiten seit 2012 zusammen. Mit Büros in Chicago und New York sind sie in zwei für das Architekturgeschehen wichtigen Städten aktiv. Im Zentrum ihrer Arbeit steht die Zeichnung. Sie folgen damit einer Tradition amerikanischer Architekten, die sich in ihrer Laufbahn wiederholt mit Fragen der Architekturdarstellung auseinandersetzten.

Im Unterschied zu den bekannten Arbeiten von Grössen wie Peter Eisenman oder John Hejduk sind ihre Arbeiten mit viel Witz ausgestattet. Sie loten in den Arbeiten das Selbstverständnis eines Berufsstands aus, der sich mit Lösungen von echten Problemen beschäftigt.

Carry Norman und Thomas Kelley beschäftigen sich mit unseren Sehgewohnheiten und lassen Irritationen zu. Damit verlangen sie ein genaues Hinschauen. Ihre Zeichnungen sind keine jener markigen Bilder, wie sie die Architekturproduktion jeden Tag von Neuem generiert. Die Zurückhaltung und die Konzentration zeichnen ihre Werke schon heute aus, weshalb den beiden eine glänzende Karriere vorausgesagt werden kann.

Anfang und Ende

Einen Einblick in ihre Arbeitsweise geben drei Arbeiten in Chicago, die dieses Jahr fertiggestellt wurden. Am Chicago Art Departement haben sie das Wandbild «A Taxonomy of Pilsen Brickwork» realisiert, dessen Anfang und Ende nur bei genauem Hinschauen festgestellt werden kann.

Auf drei Sperrholzplatten, die als Füllungen in bestehende Fensterrahmen eingebaut wurden, damit die Galerie über genügend Wandflächen verfügt, haben sie mit schwarzer und grauer Farbe ein Backsteinmuster auftragen lassen. Viele Galerien im Art District haben schwarz gestrichene Sockel, so dass die Arbeit von Norman Kelley auf beiden Seiten von schwarz gestrichenen Flächen gefasst wird. Unterbrochen von Metallprofilen schliesst die Wandarbeit an eine echte Backsteinwand an, was sich wie eine Erweiterung der Malerarbeit interpretieren lässt.

Unscheinbar und gewöhnlich

Erst beim genauen Betrachten fallen die vielen Details der Zeichnung auf. Neben Übergängen zwischen den Tableaus haben Norman Kelley auch das Abbild von unregelmässigen Backsteinverbänden und von zugemauerten Öffnungen in die Zeichnung integriert. Als ich am Tag der Eröffnung vor der Galerie stehe, wird mir klar, warum diese Art von Werk beim Vernissage-Publikum wenig Beachtung erfährt. Die Malerei wirkt unscheinbar und gewöhnlich, weshalb sie gerne übersehen wird.

Diese Qualitäten kommen auch beim neuen Aesop-Laden zum Tragen. Hier sind es Backsteinwände, die vorgemauert wurden, um Nischen für die Produktepräsentation auszusparen. Boden und Wand sind mit einem beigefarbigen Backstein versehen. Auch wenn die Einrichtungen eine harmonische Stimmung erzeugt, steht für die Architekten weniger die Materialwahl im Zentrum als das Raster, nach welchem die Steine ausgelegt wurden. Norman Kelley haben sich intensiv mit dem Fugenbild beschäftigt bevor sie sich für ein Material entschieden.

Ein Frage- und Antwort-Spiel

Beim dritten in diesem Jahr in Chicago realisierten Projekt, einer Aufstockung eines Wohnhauses am Humboltpark, die noch nicht abgeschlossen ist, ergänzen die Architekten die vorhandenen Backsteinwände eines eingeschossigen zum zweigeschossigen Gebäudekörper, dessen Merkmal der um das Gebäude geführte, weiss gestrichene Mauerwerksverband sein wird. Auch hier setzen sich die Architekten eingehend mit dem Fugenbild auseinander.

Das Resultat gleicht einem Fragen- und Antworten-Spiel. Auf die bestehende Fassade reagieren Norman Kelley in ihrer Formensprache. Sie treten in den Dialog mit dem vorhandenen Gebäude und knüpfen an den Eigenheiten im Quartier an. Diese Haltung lässt mich das grosse Potenzial ihrer beruflichen Zukunft erkennen.

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