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Gerold Kunz in Chicago

Die Kirche im Hochhaus

Der Chicago Temple ist eine Kirche, ein Kirchgemeindehaus und ein Renditeobjekt zugleich. (Bild: Gerold Kunz)

Pawel Scrabacz hat mich auf eine Tour durch Downtown mitgenommen. Der gebürtige Pole lebt seit 17 Jahren in Chicago, wo er Architektur studierte und heute Architekturrundgänge anbietet. Dank seinem feinen Gespür für die kleinen Unterschiede führt seine Reise mitten ins Chicago von heute.

Pawel Scrabacz lebt seit 17 Jahren in Chicago. Seine Eltern sind aus Polen ausgewandert, als er zehn Jahre alt war. Nach einem Geschichtsstudium bietet er heute mit seiner Firma chicagodetours.com Architekturrundgänge an, die dank seinem feinen Gespür für die kleinen Unterschiede ins Chicago von heute führen.

Auf unterirdischen Wegen

Der Rundgang folgt der «Chicago Pedway Map», einer von Scrabacz eigens für die Führungen produzierten Karte, die das weitverzweigte unterirdische Fusswegnetz aufzeigt. Der Pedway zählt zu den Besonderheiten Chicagos und hat mit den bis weit in den Frühling anhaltenden tiefen Temperaturen zu tun. Das Wegsystem ermöglicht die gedeckte Verbindung zwischen öffentlichen Gebäuden, den Hochbahnstationen und den Geschäftshäusern in Downtown.

Doch die Tour begibt sich nicht nur in den Untergrund. Besichtigt wird auch der Chicago Temple, so heisst der Kirchenraum der First United Methodist Church, der sich in einem 1923 errichteten zweiundzwanzigstöckigen Hochhaus befindet, das im Besitz der Kirche ist. Die unteren Geschosse werden von der Kirchgemeinde genutzt, in den oberen Geschossen sind mehrheitlich Anwaltskanzleien eingemietet, mit deren Ertrag sich die Kirche finanziert. Und ganz oben in der Kuppel befindet sich ein «Sky Sanctuary», eine Kapelle, die dem 1952 verstorbenen Warenhausmagnaten Charles M. Walgreen gewidmet ist und über ein geschnitztes Altarbild verfügt, das Jesus über den Dächern Chicagos zeigt.

Das unfertige Projekt

Unter keinem guten Stern stand das Projekt «Block 37», das aus den späten 1970er-Jahren stammt und bis heute nur in Teilen realisiert wurde. Scrabacz hat recherchiert: Das Grundstück stand während 16 Jahren leer, nur ein kleiner monolithischer Bau, der sieben Geschosse ins Erdreich ragt und eine Trafostation enthält, blieb erhalten. Der Abbruch des geschützten McCarthy Building wurde vor Jahren vor Gericht erzwungen und vollzogen, dennoch blieb das Bauprojekt stecken. Heute sind die realisierten Etappen zum Problemfall geworden. Ohne zusammenhängendes Gestaltungskonzept, Leerstände in mehreren Geschossen und ein unattraktiver Abschnitt der Pedway machen aus der einstigen Vision einen Sanierungsfall.

Die Tour weist im weiteren auf die Entstehungsgeschichte der Picasso-Skulptur vor dem Chicagoer Stadthaus hin, zeigt die bezaubernden, von Tiffany gestalteten Glas-Mosaike im Warenhaus Marschall Fields und im Cultural Center und beleuchtet anhand von historischen Filmaufnahmen die Konstanten und den Wandel im «Loop», in jenem Bereich, der vom Trasse der Hochbahn umschlossen wird und der in Chicago als «die Stadt» gilt. Und darüber weiss Scrabacz viel zu erzählen.

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