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Betrachtung des Unterwerks «Herti»

Keine Musterfassade

(Bild: Tanja Rösner-Meisser)

Wer hat sich noch nicht darüber gewundert? Wir betrachten das braune, sachliche Unterwerk Herti auf der Nordzufahrt Zug genauer.

Grüngürtel zwischen Städten beginnen sich langsam aufzulösen und Siedlungen verschmelzen. Im Kanton Zug passiert dies seit mehreren Jahren insbesondere zwischen Zug und Baar. Die wenigen Meter nicht verbauten Landes sind geprägt von der Autobahnauffahrt resp. -abfahrt und den Orts- und Verkehrsschildern. Diesen Eindruck bekommt man auch, wenn man die Ausfahrt Baar/Zug in Richtung Zentrum nimmt. Wer die Abfahrt nach rechts nimmt, wird zuerst noch (auch hier wird bald gebaut) an ein paar Metern Wiese vorbei geleitet, bevor er nach zwei Kreiseln auf der rechten Seite das braune Quader erblickt.

Nun, bei der Fassadengestaltung sind den Planern und Bauherren, abgesehen von geschützten und schützenswerten Gebäuden oder im Stadtkern, die Hände nicht wirklich gebunden. Ein gutes Beispiel dafür in Zug ist zum Beispiel der Park-Tower: Das für solche Bauwerke eigentlich geforderte «mock-up» (1:1 Muster eines Fassadenausschnitts) wurde zu spät geliefert; die Fassade war angeblich in China bereits in Produktion – die Stadt Zug winkte durch. Die Fassade ist keine Schönheit. Trotzdem gewöhnt man sich erschreckend schnell an sie – ähnlich wie an eine kleine Farbunregelmässigkeit an der neu gestrichenen Wand. Man lebt damit, weil man es mit der Zeit nicht mehr sieht (oder es einfach keine Priorität mehr hat). Nicht, dass ich damit die Wichtigkeit solcher prägnanter Fassaden in einer Stadt schmälern möchte.

Ein anderes Beispiel

Im September 2015 wurde das Unterwerk Herti eingeweiht. Die Axpo, die Wasserwerke Zug (WWZ) und Swissgrid garantieren damit die Stromversorgung der Gemeinden Baar, Steinhausen und Neuheim auch bei einem Unterbruch eines anderen Unterwerks – Kosten: 37’000’000 Franken. Gasisolierten Schaltanlagen und Transformatoren eine technisch einwandfreie Hülle zu verpassen unterscheidet sich selbstverständlich von Bauaufgaben, deren Ästhetik höher gewichtet wird. Trotzdem: Man muss für ansprechende Beispiele nicht bis nach Basel zum Stellwerk von Herzog & de Meuron fahren, sondern findet auch in Zug eine durchaus reizvolle Remise an den Geleisen von Leutwyler und Partner. Tagsüber wirkt deren Cortenstahlfassade kompakt und geschlossen. In der Nacht sieht man durch die fest angebrachten Sonnenschutzlamellen die Umrisse des erleuchteten Raums. (Erleuchtet ist beim Unterwerk Herti primär das Logo der WWZ, inzwischen immerhin etwas weniger grell, sodass die Autofahrer frühmorgens nicht geblendet werden.)

Wie die billigen Keramikplatten einer Toilette eines Pubs.

Eine ähnliche architektonische Sprachanwendung hätte ich mir auch für den vorläufig noch ersten Bau an der Stadtgrenze Zug gewünscht. Stattdessen weckt die Fassadenmaterialisierung des Unterwerks Herti Assoziationen: Vulkanische Erde zu Platten gepresst. Gegen solche Konzeptgedanken habe ich nichts einzuwenden, mit mitteleuropäischem Erdbraun hätte dies vielleicht sogar geklappt. Leider sind die Platten okterbraun und so gleichmässig ungleichmässig gemustert wie die billigen Keramikplatten einer Toilette eines Pubs. Mit einer leichten Musterung sollte wohl ein gestalterischer Ausdruck erzeugt werden, dieser Effekt verliert sich aber, wenn bei der Umsetzung gespart wird. Die hinterlüftete Fassadenbekleidung wurde öffentlich ausgeschrieben, die Gestaltung hat dies folglich nicht gefördert. Eine anthrazitfarbene Platte hätte immerhin die technische Anordnung der dunklen Öffnungen weniger betont.

Ein Schimmer Hoffnung für Zug

Eine kleine Chance blieb. Im Sommer 2015 hätte der Architekturwettbewerb für den Ökihof Zug und weitere Nebennutzungen durchgeführt werden sollen. Gebäude, welche sich L-förmig um die Trafostation formiert hätten. Der Wettbewerb wurde kurz nach Start unter- und (wie seit heute bekannt) nun auch definitiv abgebrochen. Es liegt eine Motion zur Rettung des bisherigen Ökihof-Standorts vor. Ein guter Zeitpunkt für Zug und Baar sich in dieser Zeit über eine Schnittstellenlösung zu unterhalten. Auch bei einer erneuten Wettbewerbsdurchführung wird aber wohl keine neue Fassade für das Unterwerk vorgesehen. Ich möchte mich trotzdem nicht daran gewöhnen.

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