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Städtebau, Architekturkritik

Blockrandneigung

Für Investoren verspricht in Luzern ein Neubau mit Standort «im angesagten Tribschenquartier in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof und zu Fuss nur fünf Minuten vom See entfernt» beste Marktchancen. Wie ein Beispiel an der Brünigstrasse zeigt, muss Architektur dabei nicht auf der Strecke bleiben.

An der Brünigstrasse im Luzerner Tribschenquartier schliesst sich allmählich die Bebauung zum Blockrand. Der Abbruch eines Ökonomiegebäudes ermöglichte den Neubau eines Wohnhauses, das soeben fertig gestellt wurde. Dass ein weiteres folgen wird, verraten die Profile, die in der Lücke zwischen dem Neubau und dem 1895 erbauten Wohnhaus Grimselweg 4 stehen. Hier erfährt der Stadtgrundriss 120 Jahre später seine Komplettierung. 

Der Neubau nimmt die Strassenflucht auf und gliedert sich in Sockel und Oberbau. Mit dem Satteldach übernimmt er ein weiteres typologisches Element aus der Nachbarschaft. Nur die Farbwahl hat mit dem Quartier nichts zu tun: während der Sockel mit Keramikplatten belegt wird, strahlt das Hauptvolumen in weiss, wie viele der jüngeren Neubauten auch. Der Eindruck eines schwebenden Gebäudes, der Moderne entliehen, deckt sich nicht mit dem städtebaulichen Konzept des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts. 

Von den Spekulationsbauten der Nachbarschaft unterscheidet sich der Neubau an der Brünigstrasse deutlich durch eine sorgfältige Architektur. Das einfache Konzept verzichtet zwar nicht auf spielerische Akzente, zum Beispiel bei den versetzt zueinander angeordneten Balkonen und Fenstern. Es besticht durch eine sorgfältige Dimensionierung und harmonisch wirkende Fassaden. Insbesondere die Hofseite gefällt mir persönlich gut. 

Für Investoren verspricht ein Neubau mit Standort «im angesagten Tribschenquartier in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof und zu Fuss nur fünf Minuten vom See entfernt», wie auf Website des Investors nachzulesen ist, beste Marktchancen. Wie das Beispiel an der Brünigstrasse zeigt, muss dabei Architektur nicht auf der Strecke bleiben.

Weitere Veränderungen stehen im Quartier an, zum Beispiel an der Ecke Brünig- / Kellerstrasse. Die Motoren dieser Entwicklung sind die Investoren. Das hat sich seit dem 19. Jahrhundert nicht verändert. Ich vermisse eine aktive Aussenraumplanung. Denn Verdichtung muss an einen Ausbau von Plätzen und Parks gekoppelt werden, damit die Lebensqualität in den Quartieren erhalten bleibt. Die Investoren interessiert das nicht (ihnen genügt die Nähe zur Bar, zum Bahnhof und zum See) – die künftigen Bewohner hingegen schon.

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