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Sakrale Notation

Der Fussabdruck des Gebäudes reduziert sich auf ein Minimum und der Wurzelraum der Bäume bleibt geschont. (Bild: Gerold Kunz)

Die Arbeiten beim sanierten und erweiterten Primarschulhaus Felsberg in Luzern werden erst im Sommer 2015 abgeschlossen sein. Doch beim Rundgang zeigen sich schon jetzt neben vielen Qualitäten auch Schwächen der erneuerten Anlage.

Die Aufgabe umfasst die Gesamtsanierung der ehrwürdigen Schulanlage aus den späten 1940er Jahre und die Ergänzung mit einem dreigeschossigen Neubau. Dazu wurde 2010 von der Stadt Luzern ein Studienauftrag durchgeführt, den die Menzi Bürgler Architekten AG aus Zürich gewonnen hatten. Auf Einladung der Fachgruppe des SIA Zentralschweiz führten die Architekten vor einem Monat durch die zu grossen Teilen bezogene Anlage. Das positive Fazit wird einzig durch die zu forciert gestalteten Raumkapseln getrübt, die nicht zum schlichten und einfachen Grundkonzept passen wollen. 

Rücksicht nimmt das Neubauprojekt auf die stattlichen Mammutbäume, indem der Sockel zurückversetzt bleibt mit der Folge, dass die beiden Obergeschosse weit auskragen. Damit reduziert sich der Fussabdruck des Gebäudes auf ein Minimum und der Wurzelraum der Bäume bleibt geschont. Hingegen rücken die Obergeschosse nahe an die Mammutbäume, die für viel Atmosphäre im Gebäudeinnern sorgen. Wegen der Lage im Park sind die Obergeschosse auf allen vier Seiten verglast, um die einzigartige Stimmung ins Innere zu tragen. 

Zum statischen Konzept zählen fünf massive Kerne, die das Gebäude durchstossen und mit der leuchtenden Metallverkleidung auf dem Flachdach wie eine Krone wirken. Insbesondere der Blick vom Stadtzentrum aus wird von diesen Aufbauten geprägt. Wegen ihrer Höhe und dem hellen Material sind sie zu neuen Merkpunkten in der Stadtsilhouette geworden. Sie heben sich vor dem dunklen Hintergrund der Mammutbäume ab, was unweigerlich zur Frage führt, was wohl unter diesen Aufbauten verborgen wird. 

Dienten im Wettbewerbsprojekt die Kerne der inneren Verbindung zwischen den Geschossen, so sind sie heute simpleren Nutzungen zugeordnet. Statt Wendeltreppen zu enthalten, wurden Nebenräume oder Arbeitsplätze darin installiert. Diese Programmvereinfachung wurde mit der Architektur nicht nachvollzogen. Heute zeigen sich die Kerne im 2. Obergeschoss als sakral wirkende Zellen, die im Gebäude fremd sind. 

Der wesentliche Unterschied zur Anlage von Emil Jauch von 1948 liegt im Umgang mit dem Park. Damals war es dem Architekten wichtig, die Schulanlage von der Krete zurückzusetzen, um ihre durch die Topografie vorgegebene dominante Stellung zu unterdrücken. Der Architekt mass dem Erhalt des Parks eine bedeutendere Rolle zu als einer Manifestation zeitgenössischer Architektur. Mit dem Ersatzneubau ist dieser Grundgedanke nun übergangen worden. 

Als erste grosse Pavillon-Schulanlage der Zentralschweiz und wegen der bis heute erkennbaren hohen architektonischen Qualitäten soll die Anlage nach Ende der Bauarbeiten vom Kanton geschützt werden, damit sie erhalten bleiben kann. Die Eingriffe in die bestehenden Bauten berücksichtigen weitgehend den Bestand. Veränderte Nutzeransprüche hinterlassen Spuren am Gebäude. Waren zuvor die Zimmer in eine klare Struktur eingebunden, folgen die nun vorgenommen Veränderungen einer eigenen Logik. 

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