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Schöner Sein

Als Ersatz für ein sehr schönes Haus wurde ein noch schöneres Haus gebaut. Doch: Ist schön immer auch besser? 

An Hanglagen lassen sich gute von schlechten Architekten daran unterscheiden, wie sie den Umgang mit dem Terrain meistern. An einen Hang zu bauen ist keine einfache Bauaufgabe, denn die Topografie hat ihre Tücken. Oft zählt das Sockelgeschoss bereits zu Ausnützung, was besondere Ansprüche an die Gestaltung stellt. Beim Mehrfamilienhaus an der Brunnhalde in Luzern haben die Architekten die Aufgabe mit Bravour gelöst. 

Das auf zwei Hausscheiben aufgeteilte Bauvolumen ragt über einen Sockel hinaus, der als Eingang und Zufahrt zur Tiefgarage dient. Die Aufbauten scheinen über dem Sockel zu schweben, so dass sie leicht und verrückbar wirken. Die dramatische Note wird mit der Farbgebung zusätzlich betont. Der golden glänzende Anstrich verleiht den Bauten ein edles Aussehen. 

Zuvor stand hier ein sehr schönes Haus aus dem späten 19. Jahrhundert. Ein Doppelwohnhaus mit Schreinerei, 1876 von Josef Weber für Zimmermeister Heinrich Sieber gebaut. Gerne wird in diesem Zusammenhang von Gentrifizierung geredet. Als Schreinerei wurde das Haus schon lange nicht mehr bewohnt und die Biografie des Hauses, wäre sie mir bekannt, würde eine Vielzahl unterschiedlicher Bewohner nennen. 

Nichts erinnert an den Vorgängerbau, alle Spuren sind gelöscht. Auch die Gliederung des Wohnhauses lehnt sich nicht an den ehemaligen Bau an. Waren die beiden Haushälften zuvor an der Brunnhalde aufgereiht, staffeln sie sich heute in der Tiefe des Grundstücks. Stand das Gebäude vorher fest am Boden, schweben heute die Volumen auf einem zurückversetzten Sockel. 

Als Ersatz für ein sehr schönes Haus wurde ein zwar anderes, aber auch schönes Haus gebaut. Doch ist schön immer auch besser? In diesem Fall lässt sich trotz dem schönen Schein handfeste Kritik üben. Das Haus ist in eine Geländemulde gebaut, was bedeutet, dass nicht nur nach Norden, sondern auch nach Westen das Gelände ansteigt. Die Aufteilung der Parzelle lässt zwei in der Qualität unterschiedliche Gebäudeteile entstehen. Während nach Osten zur Strasse eine bestimmte Weitsicht aus den Zimmern möglich ist, blicken die westseitigen Zimmer in den Abhang. Hier, vermute ich, liegt die Schwäche des Konzepts.

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