Luzerner Gitarrist lanciert eigenes Effektgerät

David Kochs «Pille» bringt den Sound zum Pumpen

Musiker-Nomade David Koch hat alles dabei, was er so braucht.

(Bild: jwy)

Wie ein Besessener lötet er an Effektgeräten herum – und wie ein Getriebener lotet er Sounds aus. Nun bringt der Luzerner Gitarrist David Koch sein erstes technisches Gadget auf den Markt: «The Pill». Zugleich steht das Debüt des Trios Vsitor an. Eine ziemliche emotionale Achterbahnfahrt.

Auf einen kleinen Karren mit zwei Rädern hat David Koch alles gepackt, was er für sein Nomadenleben braucht: Gitarrenverstärker, eine Kiste mit Geräten, einen Rucksack mit dem Nötigsten – die Gitarre trägt er am Rücken. Der 31-Jährige kommt direkt von einem Konzert ins Café, bestellt einen Espresso, erst mal ankommen.

Koch wirkt etwas übernächtigt – und zugleich sympathisch euphorisiert. Es geht gerade rund im rastlosen Leben des Gitarristen und Tüftlers David Koch: Eine  Russland-Tour mit seiner Band The Great Harry Hillmann steht an, zeitgleich das Debütalbum mit dem Trio Vsitor – und endlich ist da auch dieses kleine Ding, das sein Herz höher schlagen lässt: «The Pill».

Ein Gerät, das sich duckt

Wie ein Besessener hat er in den letzten Jahren in seiner Wohnung an seinen Effektgeräten geschraubt und gelötet. «The Pill» ist das erste Resultat, das im Herbst in den Verkauf geht. Für das dunkelblau-pinke Effektpedal hat er auf der amerikanischen Plattform Kickstarter ein Crowdfunding am Laufen, das Ziel von 12’000 Franken hat er bereits im Kasten.

Es handelt sich dabei um ein analoges «Ducking effect»-Pedal – was nichts mit einer Ente zu tun hat, sondern mit «sich ducken». Jedes Teil ist handgemacht, von ihm entwickelt und getestet. Das Gehäuse und die Platine lässt er produzieren.

Aber was kann das Gerät, das seine Musikerfreunde schon begeistert einsetzen, genau? «Einfach gesagt, moduliert es die Lautstärke in einem bestimmten Rhythmus und öffnet so ein riesiges Feld an Möglichkeiten», erklärt er.

Man stöpselt zum Beispiel einen Synthesizer ein und spielt einen flächigen Sound. Gleichzeitig schliesst man ein Mikrofon an, das den Beat der Bassdrum übernimmt. «Das Gerät dämpft nun den Synthesizer im Rhythmus des Beats, so entsteht dieser pumpende, groovende Effekt», erklärt er.

 

Der «Ducking»-Effekt kommt aus der elektronischen Musik, Koch setzt ihn aber auch in seiner Jazzband The Great Harry Hillman ein. Das Gerät saugt quasi den Rhythmus der Band auf, man kann jedes erdenkliche Instrument anschliessen. «Es gibt kaum Grenzen, das Gerät kann jedes Signal verarbeiten», sagt er.

Den Effekt hat er natürlich nicht erfunden, aber in diesem kompakten Format für die Bühne gab’s das bisher nicht. «Wer den Effekt live wollte, brauchte einen grossen Kompressor oder einen Laptop – und das nervt», sagt er.

Geräte durchschaut

David Koch ist ein Sound- und Technik-Nerd. Schon als Kind hat er so lange den Radio auseinandergenommen, bis er herausfand, wieso das Lämpchen blinkt. Ähnlich in der Musik: Er habe für die Jazzschule so viel Gitarre geübt, dass seine Motivation und Musse etwas verlorenging – neue Inspiration fand er in den Geräten. Er fing ich an, diese zu kombinieren und modifizieren.

Und so stehen auf seiner Bühne statt einem Dutzend Pedals nur ein paar wenige Geräte, mit denen er sich seinen eigenen Sound zusammenbastelt. «Die Effektgeräte bestehen immer wieder aus den gleichen Modulen. Wenn man das durchschaut, kann man mit wenigen Geräten mega viel abdecken.»

Eine aufwendige Kampagne

An «The Pill» hat er jahrelang getüftelt, ungezählte Stunden an Entwicklung und Produktion, aber auch in die Kickstarter-Kampagne ist aufwendig inszeniert mit Bildern, Videos, Social Media. «Auch von Nicht-Musikern erhalte ich Unterstützung, einfach weil sie es cool finde, dass ich das mache.»

Mit den 12’000 Franken kann er gerademal die Kosten für die Produktion der ersten 200 Stück decken, er hofft auf mehr. Für 289 Franken verkauft er die Geräte – eigentlich zu wenig angesichts des Aufwands und der «High-end-Qualität».

Was kommt danach? «Das weiss ich nicht, ich musste es einfach machen», sagt er. Aber er hofft darauf, dass «The Pill» zu einem Selbstläufer wird, dass sich Musiker davon erzählen und so weiter. Es ist schliesslich nicht einfach ein Gerät, sondern es erzählt eine Geschichte.

Sieht einfach aus, kann aber viel: Das Effekt-Geräth «The Pill».

Sieht einfach aus, kann aber viel: Das Effekt-Geräth «The Pill».

(Bild: zvg)

Musiker und Pedalbauer

Seit letztem Sommer hat er seine Zeit fast nur dem Gerät und der Kampagne gewidmet. «Jetzt will ich wieder Musiker sein, nicht nur Pedal-Bauer», lacht er. Fast gleichzeitig steht nämlich ein anderes Baby in den Startlöchern: das Debütalbum von Vsitor, der Luzerner Band, die hauptsächlich Berlin als Lebensmittelpunkt hat. Wo steckt mehr Herzblut drin? «Das wäre wie die Frage, welches deiner Kinder du lieber hast», sagt er.

Wie, wo, was?

Das von David Koch entwickelte Gerät «The Pill» auf Kickstarter: Die Kampagne läuft noch bis 1. Mai.

Das Debütalbum «Keep on Running» von Vsitor erscheint am 26. April auf dem Label Red Brick Chapel. Konzert: 3. Mai, Südpol Luzern. Zuvor probt die Band fünf Tage im Südpol-Club als Residenzband.

Zudem ist David Koch ab 24. Mai zusammen mit Peter Estermann und Simon Iten im Freilichttheater «Die Schwarze Spinne» in Ennetmoos (NW) zu hören.

Angefangen hatten David Koch (Gitarre, Synthesizers) und Lea Maria Freis (Stimme, Bass) als Duo, beide kommen aus Luzern und pendeln zwischen den Wohnorten. Dazu stiess vor zwei Jahren Valentin Liechti (Synth, Drums). Am 3. Mai taufen sie nun ihr Debüt-Album «Keep on Running» im Südpol (siehe Box).

Schon mit ihrer EP vor zwei Jahren haben Vsitor mit ihrem avantgardistischen Synth-Pop auf sich aufmerksam gemacht (zentralplus berichtete). Nun haben sie sich erstmals auf Albumlänge gewagt, was bei der Arbeitsweise der Band kein leichtes Unterfangen ist.

Zum Sound kommen die Worte

Während andere Bands eine Woche Studio buchen und die fertigen Songs einspielen, gehen Vsitor «non-linear» vor, was gut in die heutige Zeit passt, wo jeder alles zu seiner eigenen Zeit erledigt oder konsumiert.

Liechti und Koch haben Klänge ausgetüftelt, die sich zu Songs formten. Sie arbeiteten an verschiedenen Orten und tauschten sich über virtuelle Kommunikationskanäle aus. Lea Maria Fries hat zu den Sounds später ihre Gesangslinien geschrieben: «Wir haben ihr die Songskizzen gegeben, sie hat sie 10’000 Mal gehört und ein Bild entwickelt. Sie kommt in diesen Mood, so dass sie die Lyrics nur noch niederschreiben muss», sagt Koch.

Die Band nahm sich Zeit, wollte es fliessen lassen. Aus 40 Klangskizzen entstanden so die 11 Songs des Albums. «Eigentlich waren wir im Sommer 2018 fertig, aber wir haben am Schluss alles nochmals neu gemixt.»

Der Song «Dare To» vom Vsitor-Debüt:

«Der Klangcosmos von Vsitor lebt von den Sounds, diese sind fast immer der Ursprung der Songs», sagt Koch. Darum sei es auch ein «Grower-Album» geworden, das sich erst nach ein paar Mal hören entfaltet.

«Keep on Running» ist ein zugängliches, wuchtiges und zugleich federleichtes Pop-Album geworden. Obwohl viel Elektronik drauf ist, klingt das nie klinisch: Vsitor kreieren einen warmen, vibrierenden Sound – oder «körperlich», wie sie ihn nennen.

Das Trio arbeitet mit analogem Vintage-Equipment, ohne Laptop. «Es rauscht, ist etwas angezerrt, es wird einfach viel wärmer», sagt David Koch. «Digitale Sounds inspirieren mich einfach nicht», sagt er. Und wer den Ducking-Effekt kennt, hört ihn auch in den Vsitor-Songs immer wieder heraus.

Es sei letztlich ein emotionales und persönliches Album geworden, sagt David Koch. «Es ist viel passiert in unserem Leben. Und wir sind in diesem Album drin.»

Vsitor mit David Koch (links), Lea Maria Fries und Valentin Liechti.

Vsitor mit David Koch (links), Lea Maria Fries und Valentin Liechti.

(Bild: zvg)

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