Edelmetall im Krematorium

«Das Zahngold gehört in die Urne»

Eine Urne im Luzerner Krematorium Friedental wird verschlossen. (Bild: bra)

Das Luzerner Krematorium könnte mit dem Zahngold von Verstorbenen viel Geld verdienen – ginge es nach Solothurner Vorbild. Allerdings bleibt eine Edelmetall-Verwertung im Friedental tabu. Obwohl diese Praxis landesweit überraschend viel Zuspruch erhält.

Was passiert nach einer Kremierung mit dem Zahngold von Verstorbenen? Dieser Frage ist kürzlich die SRF-Sendung «Kassensturz» nachgegangen und hat mit den erhaltenen Antworten aus den Schweizer Krematorien für Aufsehen gesorgt. Vor allem die Erkenntnisse aus Solothurn überraschen: Das dortige Krematorium verwerte das Edelmetall aus den Überresten Verstorbener systematisch. Dabei werde aus Zahngold oder geschmolzenem Schmuck viel bares Geld gemacht. Dank gezieltem Verfahren und neuen technischen Einrichtungen sei in Solothurn innert Monaten ein Betrag von 35’000 Franken zusammen gekommen, den das Krematorium für seine Zwecke einsetzte.

Nun angenommen – dieses Beispiel soll rein rechnerisch sein und jegliche Pietät wird ausser Acht gelassen –, im Luzerner Krematorium Friedental würde man die gleiche Praxis einführen wie in Solothurn: das Zahngold aus der Asche von Verstorbenen aussondieren und den Goldschmieden der Region verkaufen. Auch in Luzern könnten diese Einnahmen einen namhaften Betrag in die Kassen der städtischen Betreiberin spülen.

Jährlich knapp 170’000 Franken

Die Rechnung wäre einfach und schnell gemacht. Denn bei rund 2’300 Verstorbenen pro Jahr, deren Körper im Friedental verbrannt werden, und bei einem momentanen Goldpreis von 33.04 Franken pro Gramm, wären für die Genossenschaft Luzerner Feuerbestattungen knapp 170’000 Franken zu verdienen.

Der zum Gedankenspiel nötige Durchschnittswert, wie viel Gramm Zahngold pro Körper anfällt, stammt aus Messungen von Deutschen Krematorien. Es sollen 2.23 Gramm sein, so der Deutsche Verband. Im Gegensatz zur Schweiz provoziert im Nachbarland der Umgang mit Zahngold nach der Kremierung keine Debatte mehr; was mit verwertbaren Edelmetallen geschieht, wird transparent geregelt.

«Es ist durchaus üblich, dass Krematorien Metalle wie Zahngold nach der Verbrennung zu kommerziellen Zwecken verkaufen», sagte Rolf Lichtner, Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Bestatter (BDB) in diesem Zusammenhang gegenüber der Süddeutschen Zeitung. «Das Geld fliesst dann häufig in das Geldsäckel der Stadt.»

In Luzern stellt sich die Frage nicht

Im Luzerner Friedental will man von pietätlosen Zahlenspielen oder gar Eldorado-Stimmung im Krematorium nichts wissen. «Das Zahngold gehört bei uns in die Urne», sagt Heinrich Fehr, Präsident der Genossenschaft Luzerner Feuerbestattungen. Das mache man hier seit knapp 90 Jahren so.

Deshalb stelle sich die Frage gar nicht. «Nur wenn Angehörige darauf bestehen würden, Edelmetalle auszusondern, würden wir das machen», sagt er. Mit dieser Bitte sei aber in seiner ganzen Amtszeit noch nie jemand an ihn herangetreten.

«Das Einzige, das im Friedental verwertet wird, ist hochwertiger Prothesenstahl», sagt Fehr. Die künstlichen Gelenke und Teile mit Speziallegierung werden von einer Deutschen Firma recycelt. Das führe lediglich zu Einnahmen von 200 bis 300 Franken jährlich, die in die Buchhaltung des Krematoriums Luzern fliessen würden.

Zuschauer sind für die Verwertung

Durchaus interessant sind die Reaktionen auf der Website des Schweizer Radio SRF im Nachgang zur Sendung von «Kassensturz». Zahlreiche Feedbacks sammelten sich auf dem zugeschalteten Forum. Und eine finanzielle Verwertung von Edelmetallen aus der Verbrennungs-Asche erhält aus der Sicht der Zuschauer deutlichen Zuspruch. Dass das Krematorium Solothurn sich entschieden hat, den Erlös aus der Gold-Verwertung zur Friedhofs-Finanzierung einzusetzen, wird mehrheitlich goutiert.

In rechtlicher Hinsicht habe das Krematorium Solothurn es jedoch versäumt, die Angehörigen zu informieren, dass dieser Umgang mit den Überresten die neue Praxis sei, so Stadtschreiber Hansjörg Boll gegenüber der SRF. Dies wurde denn auch heftig kritisiert. Die Information wolle man nun nachholen, indem man das Friedhofsreglement entsprechend anpasse und die Angehörigen darüber aufkläre.

Die Diskussion ist angestossen

Offenbar wurde die lukrative «Verwertung» von Verstorben inzwischen auch beim Schweizer Verband der Krematorien zum Thema. Sie wollen einen Ethik-Kodex für alle 27 Institutionen ausarbeiten. Die Betriebe haben ganz unterschiedliche Regeln, Abläufe oder technische Einrichtungen.

Rolf Steinmann, Sekretär des Schweizer Verbandes will Anregungen, die aufgrund dieser Diskussion entstanden sind, nun aufnehmen. «Mir ist wichtig, dass zum Ausdruck kommt, das betriebswirtschaftliche Fragen durchaus diskutiert werden können. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen dabei zwingend eingehalten werden und der Umgang muss pietätvoll und im ethischen Kontext sein», sagt er gegenüber zentral+.

Eine mögliche rechtliche Lösung wäre zum Beispiel eine Bestattungsverfügung, ähnlich wie eine Patientenverfügung. «Das wäre umsetzbar und aufgrund dieser Diskussion vermutlich ein sinnvoller Weg», sagt Steinmann.

Zustimmend sieht das auch die Luzerner Rechtsprofessorin Regina Aebi-Müller: «Die Angehörigen sollen immer dann über die Verwendung der Asche (und auch des Zahngoldes) bestimmen können, wenn die verstorbene Person selbst keine diesbezüglichen schriftlichen oder mündlichen Anordnungen getroffen hat.»

Sobald das Gold von der Asche getrennt wird, stelle es ein Vermögen dar und gehöre zur Erbmasse, gibt die Expertin zu verstehen.

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