Uraufführung von «Tauben fliegen auf» in Luzern

Das Wesentliche bleibt unübersetzbar

Überzeugen: Michèle Breu (links) und Sofia Elena Borsani, hier als Ildikó und ihre Schwester Nomi.

(Bild: Ingo Hoehn/Luzerner Theater)

«Tauben fliegen auf» findet nicht auf einer Bühne statt, ebenso wenig ist es ein klassisches Theater. Die Uraufführung am Luzerner Theater bot ein Hörspiel in Theaterform – sowie einen rastlosen und überraschend gefühlsgeladenen Abend.

Es ist ein Freitagabend wie jeder andere auch, doch an diesem Abend findet am Luzerner Theater die Uraufführung eines Stücks statt, das Literatur auf die Bühne bringt: den Bestseller «Tauben fliegen auf» der ungarisch-schweizerischen Schriftstellerin Melinda Nadj Abonji.

Hannes Oppermann begrüsst die Zuschauer im Foyer des Schauspielhauses und weckt schon vor Beginn der Aufführung die Lust am Lustspiel. Anschliessend wechselt das Publikum in die Box vor dem Theaterhaus. Die Stimmung der Zuschauer spiegelt die Spannung wider, die nach der Einleitungsrede um sich gegriffen hatte.

Das Ursprüngliche erhalten

In der Box teilen sich die Besucher den Raum mit den Akteuren. Nicht auf einer entfernten Bühne findet das Geschehen statt, nein, inmitten des Publikums. Manch vermeintlicher Zuschauer offenbart sich als Darsteller. Sie steigen alle nach und nach in das gespielte Hörspiel ein.

Es ist nicht – wie in manchen Stücken üblich – so, dass ein Akteur einmal durch den Zuschauerbereich die Bühne betritt, nein, die Zuschauer sind Teil der Bühne. Die Kreativität einer jungen Generation hat das Theater in Luzern erreicht und wird diesem hoffentlich auch erhalten bleiben.

Manch vermeintlicher Zuschauer entpuppt sich in der Box als Darsteller. Die zwei Schwestern mit Cousin Béla.

Manch vermeintlicher Zuschauer entpuppt sich in der Box als Darsteller. Die zwei Schwestern mit Cousin Béla.

(Bild: Ingo Hoehn/Luzerner Theater)

So einzigartig wie die Bühne ist auch die Form des Textes. Melinda Nadj Abonji erhielt für ihr Erstlingswerk «Tauben fliegen auf» aus dem Jahr 2010 sowohl den Schweizer wie auch den Deutschen Literaturpreis (zentralplus berichtete). Ihr neues Werk, «Schildkrötensoldat», soll im Herbst beim Suhrkamp-Verlag erscheinen.

«Tauben fliegen auf» erzählt vom Aufwachsen in zwei Welten, von der Schwierigkeit, die Gefühle und Geschichten von der ehemaligen in die neue Heimat mitzunehmen. Sie bleiben auf einer emotionalen Ebene unübersetzbar.

Trotz allem emotional

Anders bei der Adaption des Stückes für die Bühne: Da ist die Übersetzung gelungen. Das Buch wurde für die Bühnenfassung zwar massiv gekürzt, die Form des Romans jedoch erhalten. Es wurde wie in der Vorlage alles aus der Perspektive der jungen Ildikó Kocsis erzählt.

Anders als bei den meisten Büchern, die zu Theaterstücken werden, gibt es bei «Tauben fliegen auf» keine künstlich geschaffenen Dialoge. Dieses Ursprüngliche macht einen grossen Teil des Charmes aus – verlangt vom Zuschauer aber auch ein gutes Mass an Konzentration, denn das Stück wird in einem Zug ohne Pause vorgetragen.

Vater Miklós (Adrian Furrer) bei der Einladung zum Buurezmorge.

Vater Miklós (Adrian Furrer) bei der Einladung zum Buurezmorge.

(Bild: Ingo Hoehn/Luzerner Theater)

Dass die Umsetzung so gut funktioniert, liegt auch an den überzeugenden Darstellern. Obwohl die Form nicht viel Raum für Dialoge bietet, vermögen die Schauspieler tiefste Emotionen zu wecken. Besonders Sofia Elena Borsani und Michèle Breu, die zentral die Rolle der Ich-Erzählerin Ildikó wiedergaben, haben sich mit ihrem Auftritt den Applaus des Publikums verdient. Die letzte Szene, in der sich Ildikó, hier von Sofia verkörpert, gegen alles auflehnt und ihren eigenen Weg begründet: so gefühlsgeladen wie selten eine Darstellung.

Hinweis: «Tauben fliegen auf» wird noch bis am 16. April in der Box des Luzerner Theaters gespielt. 

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