«Das Stauproblem wird sich markant verschärfen»
Der Machtkampf um das Gesamtsystem Bypass zwischen Stadt und Kanton Luzern hält an. Doch besonders stark vom Stau betroffen sind Pendler und Bewohner in den See- und Rontaler Gemeinden. Ein Augenschein im Osten des Kantons, der die Hoffnung auf eine rasche Lösung aufgegeben zu haben scheint.
Es ist kurz vor sechs Uhr Abends, langsam legt sich die Dämmerung über die Gemeinde Inwil im Osten Luzerns. Im 2500-Seelen-Dorf ist an diesem wolkenverhangenen Herbsttag kaum jemand zu Fuss unterwegs – dafür rollt sich ein unaufhörlicher Schwall an Autos durch die Strassen. Das ist hier nicht Ausnahme, sondern Regel: «Eibu» ist ein Stau-Brennpunkt im Kanton.
«Mir tun die Pendler leid, die hier teilweise eine Stunde stehen auf dem Weg Richtung Gisikon», erklärt eine Passantin. Schlimm sei die Situation hier, findet die Frau mittleren Alters, die erst vor ein paar Monaten hierhergezogen ist. «Zum Glück wohne ich nicht an der Strasse.»
Situation verschärft sich
Kommunen wie Inwil, Hochdorf, Eschenbach, Gisikon, Buchrain oder Ebikon leiden besonders unter dem täglichen Rückstau durch ihre Dorfkerne auf die Autobahn A14 (zentralplus berichtete). Hinzu kommt der Ausweichverkehr neben den Hauptachsen.
Ein älterer Inwiler, den zentralplus im Dorfkern antrifft, kennt das Problem: «Vor allem, wenn es auf der Autobahn einen Unfall gibt, geht gar nichts mehr.» Dabei verschärft sich die Situation: «In den vergangenen Jahren wurde es immer schlimmer mit dem Stau.» Darunter leide die Lebensqualität im Dorf. Doch was würde helfen? «Das ist sehr schwierig zu sagen.»
Grosse Projekte haben’s schwer
Davon kann auch der Inwiler Gemeindepräsident Josef Mattmann ein Lied singen: «Bei einem Unfall auf der Autobahn zwängt sich der ganze Verkehr durch unser Dorf, diese Woche war das schon zweimal der Fall.» Mattmann sagt, dass man schon immer ein «Strassendorf» gewesen sei. «Der gesamte Verkehr aus dem Seetal bewegt sich durch unser Dorf Richtung Gisikon und Buchrain auf die Autobahnanschlüsse.» Mattmann befürchtet, dass die Staustunden mit der Eröffnung der Mall sicher noch zunehmen werden.
Obwohl das Problem akut sei – es konzentriere sich auf eine Stunde am Morgen und am Abend, meint Mattmann, der selbst nicht direkt im Dorfzentrum wohnt. «Das wichtigste Projekt für eine Entlastung Inwils ist sicher der Bypass mit der Spange Nord.» Bis zur Realisierung dürften aber noch Dekaden vergehen (zentralplus berichtete). Hoffnungen setzt der Gemeindepräsident aber auch auf das erarbeitete Verkehrskonzept für das Rontal (siehe Box) und das Seetal (zentralplus berichtete).
«Fakt ist: Neue Strassen bringt man fast nicht mehr hin bei uns.»
Josef Mattmann, Gemeindepräsident Inwil
Mattmann sieht weitere Projekte, welche die Gemeinde entlasten würden vom Durchgangsverkehr in Richtung Gisikon. Beispielsweise die sogenannte Talstrasse Seetal, eine Umfahrung der Dörfer Hochdorf, Ballwil und Eschenbach. Diese wurde jedoch 2014 politisch begraben vom Kantonsrat, da die Opposition in der Region zu gross war. «Fakt ist: Neue Strassen bringt man fast nicht mehr hin bei uns.»
Da bleiben wenig Alternativen. Aus Sicht von Mattmann ist deshalb der öffentliche Verkehr ein wichtiger Lösungsansatz. «Leider sind wir politisch ein eher kleiner Fisch.» Es sei nicht einfach, neue öV-Anbindungen zu erreichen. Die Linie 22 fährt noch bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2017 direkt nach Luzern. Ab dann wird die Linie 111 eingeführt.
Neue Buslinie soll helfen
Dieser Bus führt von Ebikon über die Mall of Switzerland nach Inwil und endet schliesslich in Waldibrücke. «Damit ist man schneller in der Stadt als mit der völlig überlasteten Busstrecke über Buchrain.» Mattmann bedauert jedoch, dass ohne Linie 22 kein direkter Bus mehr nach Buchrain fährt. «Das ist schade für unsere älteren Bewohner. Sie waren gewohnt, dort Einkäufe zu machen.»
Auch in der Nachbargemeinde Gisikon sei der Rückstau gut spürbar, bestätigt Gemeindepräsident Alois Muri. Gisikon hat seit Anfang der 70er-Jahre direkten Anschluss an die A14 – das hat Konsequenzen. «Der Stau konzentriert sich in Gisikon.»
Im Hinblick auf die Eröffnung der Mall of Switzerland in Ebikon sieht Muri erhebliche Probleme auf Gisikon zukommen: «Das Stauproblem wird sich markant verschärfen. Das wird ein Riesen-Ghetto.» Die zusätzlichen 10’000 Fahrten pro Tag würden insbesondere auch beim Verkehrsknoten in Buchrain zu einem Verkehrskollaps führen.
Gemeindepräsident wünscht sich mehr öV
Muri fühlt sich vom Kanton nicht im Stich gelassen, im Rahmen des Gemeindeverbandes Luzern Plus könne sich Gisikon Gehör verschaffen. Hoffnungen setzt Muri auf die Umgestaltung der Autobahnzufahrt bis 2019: Diese sieht eine Verlängerung der Ausfahrtsspur in Fahrtrichtung Luzern vor und sollte zu einer Verminderung von Rückstau in der Gemeinde führen.
«Eine Vision wäre, den 1er-Bus bis nach Rotkreuz zu führen.»
Alois Muri, Gemeindepräsident Gisikon
Ausserdem wünscht sich Muri insbesondere eine deutliche Verbesserung beim öV-Angebot. «Um dem Stau hier etwas entgegenzusetzen, muss möglichst viel Verkehr über den öV abgewickelt werden.» Hier würde beispielsweise ein Ausbau sowie eine höhere Fahrdichte der Buslinie 23 zwischen Gisikon und der Stadt Luzern helfen. «Eine Vision wäre, den 1er-Bus bis nach Rotkreuz zu führen», sagt Muri.
Der Regionale Entwicklungsträger Luzern Plus koordiniert als Gemeindeverband mit 25 Gemeinden überkommunale Themen. Um dem zusätzlichen Verkehr, der beispielsweise mit der Eröffnung der Mall of Switzerland und dem grossen Bevölkerungswachstum in Luzern Ost zu erwarten ist, in Ron- und Seetal zu begegnen, wurden bereits zahlreiche Massnahmen ergriffen.
System bereits am Limit
«Beispielsweise werden das Fuss- und Fahrradwegnetz im gesamten Rontal ausgebaut», sagt Luzern-Plus-Präsident Pius Zängerle. Zusammen mit dem Bushub Ebikon wird auch die Trolleybuslinie 1 bis zur Mall of Switzerland verlängert und ab 2019 im 7,5-Minuten-Takt fahren.
Beim Gemeindeverbund gibt man sich jedoch keinen Illusionen hin: «Dies heisst allerdings nicht, dass es zu Hauptverkehrszeiten keinen Stau gibt oder in Zukunft mehr geben wird.» Das System sei bereits am Limit, wie Zängerle erklärt: «Wir hätten vermutlich bereits heute einen Kollaps, wenn alle jeden Montagmorgen um 7 Uhr mit dem Auto zur Arbeit fahren möchten.»
Das Verkehrskonzept für das RontalDer Kanton Luzern, die Gemeinde Ebikon, der Verkehrsverbund Luzern und Luzern Plus haben sich in Zusammenarbeit mit der Verkehrsbetriebe Luzern AG zum Ziel gesetzt, die Mobilität für Fussgänger, Velos, den öffentlichen Verkehr und den motorisierten Individualverkehr im Gebiet Luzern Ost auch künftig zu gewährleisten. Verschiedene Projekte stehen in Planung oder wurden bereits umgesetzt. Die Mall of Switzerland wird sich finanziell mit 1,5 Millionen Franken an den Baukosten für die Infrastruktur beteiligen und zahlt während 15 Jahren jährlich 500’000 Franken an die Betriebskosten des öffentlichen Verkehrs.
Die wichtigsten Massnahmen in der Übersicht
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Ursula Staemmer Horst, 30.10.2017, 13:46 Uhr Habe ich das richtig verstanden vom Inwiler Gemeindepräsidenten? Je eine Stunde Stau am Morgen und am Abend? Das muss man meiner Meinung nach ganz einfach in Kauf nehmen. Strassenbau kann nicht auf Spitzen im Verkehr ausgerichtet werden. Da nutzt keine Spange, sondern nur Geduld.
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