Zuger Regierung wertet Vernehmlassung aus

Das spricht für längere Öffnungszeiten im Kanton Zug

Ladenschluss um 23 Uhr? Möglicherweise ist das bald auch im Kanton Zug denkbar. (Bild: zvg)

Eine Verlängerung oder vollständige Freigabe der Ladenöffnungszeiten im Kanton Zug hat keine schlechten Chancen, angenommen zu werden. Das zeigt die Vernehmlassung unter Parteien und Verbänden. Das letzte Wort hat aber das Zuger Stimmvolk.

Beides würde Ähnliches bewirken: Die «Initiative für längere Ladenöffnungszeiten», die vergangenen Herbst von den Jungfreisinnigen, den jungen Grünliberalen und der jungen SVP eingereicht wurde, sowie der Gegenvorschlag der Zuger Regierung. Die Initiative sieht eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten um eine Stunde vor – also werktags bis 20 Uhr und samstags bis 18 Uhr.

Freigabe der Öffnungszeiten scheint möglich

Der Regierungsrat stellt dem die vollständige Freigabe gegenüber, wie sie bereits die umliegenden Kantone Zürich, Aargau, Schwyz, Obwalden und Nidwalden kennen. Dies hätte theoretisch zur Folge, dass die Läden grundsätzlich ohne Ausnahmebewilligung von 6 Uhr morgens bis 23 Uhr abends geöffnet sein dürften. Aber praktisch schliessen die meisten Einkaufszentren in diesen Kantonen eben üblicherweise um 20 Uhr, wie ein Blick in den Kanton Schwyz zeigt. Andere Zeiten scheinen nicht zu rentieren.

Bis Ende Februar nun hatte der Regierungsrat die Zuger Parteien und Verbände um ihre Meinung zur Thematik gebeten. Die Vernehmlassungsantworten zeigen: Hätte das Kantonsparlament in dieser Sache das letzte Wort, würden die Ladenöffnungszeiten wohl vollständig freigegeben.

CVP: Eine Stunde länger ist unbestritten

Doch der Reihe nach: Die grösste Fraktion im Kantonsrat, jene der CVP, unterstützt die Initiative. Moderne Familienstrukturen, vermehrte Einzelhaushalte und veränderte Arbeitszeiten machten eine Anpassung der Ladenöffnungszeiten nötig. Das sei für die CVP-Fraktion unbestritten. Ebenso sieht es die GLP.

«Wir haben über den Vorschlag des Initiativkomitees sowie den Gegenvorschlag des Regierungsrats innerhalb der Fraktion intensiv diskutiert und eine breite Debatte geführt», so Fraktionschef Thomas Meierhans (CVP). «In unserer Stellungnahme haben wir versucht, die unterschiedlichen Bedürfnisse von Bevölkerung, Kleingewerbe oder Verbänden miteinzubeziehen.»

Die CVP unterstütze daher die längere Ladenöffnungszeit, wie vom Initiativkomitee verlangt. Eine knappe Mehrheit kann sich auch eine komplette Liberalisierung wie im Gegenvorschlag der Regierung vorstellen. Meierhans: «Für uns ist aber zentral, dass die Arbeitsgesetze eingehalten werden.»

Theoretischer Zwischenstand 25:0 Kantonsratsstimmen für die Initiative, 13:12 Stimmen für eine vollständige Liberalisierung.

Freisinn ist für die Freigabe

Die FDP ist für die Initiative und die Liberalisierung. «Das lokale Gewerbe ist durch den Onlinehandel stark gefordert», findet Karen Umbach. «Unser Gewerbe braucht die Freiheit und Flexibilität, um Kundenbedürfnisse bestmöglich zu erfüllen.»

Carina Brüngger, Präsidentin der Kantonalpartei, konstatiert, dass man in den kleinen Dörfern um den Kanton Zug herum leichter einkaufen könne als in der Stadt Zug und den grossen Orten der Lorzenenbene. Doch das «moderne Zug sollte nicht restriktiver sein als das naheliegende Umfeld», so Brüngger.

Es sei zu begrüssen, wenn Zugerinnen und Zuger auch noch auf dem Heimweg einkaufen können. Die FDP ist für die Gesetzesinitiative, hätte aber lieber noch eine vollständige Freigabe der Ladenöffnungszeiten, wie sie der Regierungsrat zur Diskussion stellt.

Theoretischer Zwischenstand 42:0 Kantonsratsstimmen für die Initiative, 30:12 Stimmen für eine vollständige Liberalisierung.

SVP hat theoretische Bedenken

Die SVP erkennt zahlreiche Argumente, die für eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten sprechen – allen voran ein starkes Konsumentenbedürfnis. Erstens möchten viele Leute morgens vor oder abends nach der Arbeit noch einkaufen gehen. Zweitens werde mit der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten die Gleichstellung von Läden ausserhalb von Bahnhöfen und Tankstellen mit Bahnhofläden und Tankstellenshops erreicht.

Thomas Aeschi und Philip C. Brunner, die Präsidenten der Kantonal- und der Stadtpartei erkennen aber auch Risiken. Grosse Betriebe, die ihre Ressourcen leichter rationalisieren können, profitierten am meisten von einer Liberalisierung.

Kleinere Läden am kürzeren Hebel

Kleinere Geschäfte verfügten im Vergleich dazu arbeitsorganisatorisch nur über begrenzte Möglichkeiten und Flexibilität. Dadurch könne sich ein Phänomen verstärken, das sich bereits heute beobachten lasse: «Die Verdrängung kleiner Geschäfte durch grössere Detailhandelsbetriebe». Zudem zeigten Erfahrungen in anderen Kantonen, so Aeschi und Brunner, dass bei liberalisierten Ladenöffnungszeiten mehr Detailhandelsangestellte abends arbeiten. Nach Abwägen der Vor- und der Nachteile ist die SVP dann aber trotzdem für eine Liberalisierung.

In unserer Modellrechnung berücksichtigen wir die Bedenken der SVP mit vier abweichenden Stimmen. Zwischenrechnung:  56:4 Kantonsratstimmen für die Initiative, 44:16 Stimmen für eine vollständige Liberalisierung.

SP sorgt sich um die Menschenrechte

Nun zur SP. Wie in der Vergangenheit sind die Sozialdemokraten gegen längere Öffnungszeiten – und zwar «vehement», wie Parteipräsidentin Barbara Gysel und Kantonsrat Zari Dzaferi in einer langen Stellungnahme erklären. Die beiden sehen gar die Menschenrechte gefährdet, die jedem Menschen das Recht auf Erholung und Freizeit garantieren.

Die bisherigen Ladenöffnungszeiten seien auch eine Art Gesundheitsförderung. Zudem ist zu bedenken, dass längere Ladenöffnungszeiten nicht per se zu einem höheren Umsatz führen. «Die neue Regelung würde das lokale Gewerbe wohl schlechterstellen», glauben Gysel und Dzaferi. 

Längeres Shopping bereits möglich

Bereits heute existierten im Kanton Zug verschiedene Angebote an Bahnhöfen oder Tankstellen, um den täglichen Bedarf zu decken. Ausserdem verschlechterten längere Ladenöffnungszeiten die ohnehin oft prekären Arbeitsbedingungen des Personals zusätzlich. «In einer Branche, die bereits jetzt sowohl Männer als auch Frauen mit eher tiefen Löhnen und schwierigen Arbeitsbedingungen beschäftigt, ist das eine unnötige Belastung für die Arbeitnehmenden und ihre Familien und Angehörigen», lautet die SP-Position.

Zwischenrechnung:  56:13 Kantonsratsstimmen für die Initiative, 44:25 Stimmen für eine vollständige Liberalisierung.

Alternative: «Unnötig», «respektlos»

Auch die Alternative – die Grünen sind gegen längere Öffnungszeiten. Die Initiative sei «unnötig». Die Angestellten im Verkauf litten bereits heute unter Stress, Druck und der bereits umgesetzten Flexibilisierung von Arbeitszeiten in vielen Betrieben. «Schon heute ist es für die hart arbeitenden Mütter und Väter im Detailhandel enorm belastend, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen», findet ALG-Kantonsrat Andreas Hürlimann.

Harsche Worte findet er zum Gegenvorschlag der Regierung, die eine vollständige Liberalisierung zur Diskussion stellt: «Der Regierungsrat lässt hier jegliches Taktgefühl gegenüber den Angestellten vermissen», urteilt Hürlimann. Er täte gut daran, «die Menschen und das Familienleben höher zu gewichten, als Umsatz in spätere Abendstunden zu verlegen.»

Gerade für kleinere Betriebe im Detailhandel werde der Druck bei einer Lockerung noch grösser, als er heute schon sei. Grosse Detailhändler können mit längeren Öffnungszeiten einfacher umgehen als kleinere, lokale Läden.

Bessere Löhne würden Detailhandel stärken

Die Alternative – die Grünen vermuten, dass «der standortabhängige Detailhandel aufgrund des Online-Shoppings immer mehr Marktanteile verlieren wird, ob mit oder ohne längere Öffnungszeiten.» Eine Verlängerung würde nur zu weiteren Verteilungskämpfen und einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führen.

Um den Konsum nachhaltig zu stärken, gäbe es zwei Möglichkeiten: entweder die Menge der Konsumenten erhöhen – möglich durch Zuwanderung –  oder der bestehenden Bevölkerung mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Dies etwa über Lohn- und Rentenerhöhungen. Ein Engagement der Regierung für mehr Lohn für die grosse Mehrheit der Angestellten würde die ALG lieber sehen als längere Öffnungszeiten.

Theoretische Bilanz:  56:24 Kantonsratsstimmen für die Initiative, 44:36 Stimmen für eine vollständige Liberalisierung.

Vernehmlassung wird Regierung beeinflussen

Nun entscheidet aber nicht der Kantonsrat über die Initiative, sondern das Stimmvolk. Das Parlament wird aber eine Empfehlung abgeben und die Regierung wird sich aufgrund der Vernehmlassung fragen, ob sie wirklich einen Gegenvorschlag formulieren will.

Dazu wird sie auch die Sicht von Verbänden berücksichtigen. Dort gibt es die gleichen Sichtweisen wie in der Politik: Der Gewerbeverband ist für die Liberalisierung, der Gewerkschaftsbund dagegen.

Parlament bespricht Initiative vor dem Sommer

Derzeit ist der Regierungsrat dabei, die Vernehmlassungsantworten vertieft zu prüfen und auszuwerten, wie eine Anfrage von zentralplus ergab. Anschliessend wird er eine Botschaft ans Parlament formulieren. Gemäss Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann-Gut (CVP) soll die Initiative im besten Fall Ende April beraten werden. «Sicher möchte der Regierungsrat die Vorlage aber noch vor den Sommerferien in den Kantonsrat bringen.»

Letztmals stand im Kanton Zug eine komplette Freigabe der Ladenöffnungszeiten im arbeitsgesetzlichen Rahmen im Jahre 2002 zur Abstimmung. Damals lehnten 54,5 Prozent der Abstimmenden das Vorhaben ab.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 19.03.2020, 16:32 Uhr

    Wettbewerb: Ich suche nach wie vor nach der berufstätigen Konsumentin oder Konsumenten, welche/r bei den aktuellen Ladenöffnungszeiten nicht zum Einkaufen kommt! 1. bis 3. Preis: je eine delikate Bio-Schokolade aus fairem Handel.

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