Der nächste Schritt muss im Kopf erfolgen

Das sportliche Wohl des FCL hängt von der Persönlichkeit des Teams ab

Über charakterliche Qualitäten, wie sie FCL-Vrokämpfer Pascal Schürpf (im Kopfballduell mit Basels Timm Klose) besitzt, erarbeitet sich eine Mannschaft Persönlichkeit und Entschlossenheit. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Zum vierten Mal in den letzten vier Saisons heisst die Realität für den FC Luzern zu Beginn eines neuen Jahres Abstiegskampf. Damit Fabio Celestinis Mannschaft diesen abermals erfolgreich übersteht, muss sie Persönlichkeit und einen unbedingten Siegeswillen entwickeln. Eine Analyse.

Im Vergleich zum Vorjahr mag man die aktuelle Situation als noch unangenehmer beurteilen. Der FCL liegt auf Platz 8 mit 13 Punkten aus 14 Spielen. Der FC Sion auf dem abstiegsbedrohten Barrage-Platz 9 liegt mit einem Punkt und einem Spiel weniger gleich dahinter. Nur zum FC Vaduz auf dem direkten Abstiegsplatz 10 mit 7 Punkten und einem Spiel weniger gibt es ein bisschen Distanz.

In der Winterpause 19/20, als Fabio Celestini auf den gefeuerten FCL-Trainer Thomas Häberli folgte, sah es so aus: Der FCL lag mit 18 Punkten aus 18 Spielen zwar ebenfalls auf Rang 8, dahinter folgten die späteren Absteiger Neuchâtel Xamax mit 14 und Thun mit 9 Punkten aus gleich vielen Spielen, aber mit etwas grösserem Abstand.

Es ist bloss eine Momentaufnahme und soll nicht zur Angstmacherei dienen. Denn in dieser speziellen Corona-Saison stehen ja noch vier Spiele aus bis zur Hälfte der Meisterschaft.

Der unbedingte Ehrgeiz fehlt

Wie schnell das Abstiegsgespenst verscheucht werden kann, hat uns Fabio Celestini bei seinem Amtsantritt vor einem Jahr vorgemacht. Der 45-jährige Romand gewann die ersten vier Spiele in Serie – und der FCL hatte sich schon der gröbsten existenziellen Sorgen entledigt.

Jetzt hat Fabio Celestini ein nach seinem Gusto zusammengestelltes Team zur Verfügung. Das hat eindeutig mehr Talent und bereits den Beweis angetreten, gegen jeden Konkurrenten in der Liga spielerisch mitzuhalten. Aber es ist noch nicht dazu fähig, sich für seine spielerischen Fortschritt zu belohnen (zentralplus berichtete).

Warum? Weil diesem FCL noch Persönlichkeit abgeht und der unbedingte Ehrgeiz, sein eigenes Schicksal auf dem Platz selber zu bestimmen.

Das Maul aufzureissen, reicht nicht

Um begreifen zu können, worum es im Folgenden geht, muss zuerst der Begriff Persönlichkeit definiert werden: Persönlichkeit bedeutet, im entscheidenden Moment etwas Entscheidendes für die Mannschaft zu tun.

Das kann mit einer Aktion im Spiel (zum Beispiel einer Goalie-Parade oder einem erfolgreichen Torabschluss), die einer Mannschaft Mumm und Entschlossenheit verleihen, geschehen. Oder mit deutlichen Worten. Oder selbst mit Schweigen, klarer Körpersprache und umso grösserem Ehrgeiz.

Damit wir kein Missverständnis produzieren: Einfach das Maul aufzureissen und grosse Töne zu spucken, reicht nicht, um als Persönlichkeit zu gelten. Damit ist man bloss ein Möchtegern-Leader.

Desperados ohne Leaderqualitäten geholt

Es ist wahrlich kein Zufall, dass ausgerechnet dieser FCL vor der Herausforderung steht, eine neue Persönlichkeit als Mannschaft zu entwickeln. Man braucht sich bloss daran zu erinnern, in welcher mentalen Verfassung die sieben Neuzugänge verpflichtet wurden.

Keiner kam in der Blüte seines sportlichen Schaffens auf die Luzerner Allmend, sonst wäre er für den Verein preislich kaum erschwinglich gewesen. Vielmehr sind die Neuverpflichtungen Desperados (zentralplus berichtete), die freilich spielerisches Potenzial haben, aber dieses zuletzt nicht ausschöpfen konnten. Sie sind beim FCL in der Hoffnung, ihrer Karriere neuen Schwung zu verleihen. Und darum (noch) keine Leader.

FCL versagt, wenn Carbonell scheitert

Deshalb ist das Beispiel von Alex Carbonell geradezu symptomatisch für die aktuelle Verfassung des FC Luzern. Der 23-jährige Katalane hätte als Schaltzentrale zwischen Defensive und Offensive fungieren sollen. Dass er das umsetzen kann, bewies er bei seiner starken FCL-Premiere gegen die Balljäger aus St. Gallen (2:2). Darum muss er ein interessanter Spieler für die Luzerner sein.

Ein schlechtes Spiel auf dem für ihn völlig ungewohnten Kunstrasen in Bern schickte ihn mental aber in eine Negativspirale. Offensichtlich war aber nicht ein Teamkollege mit der Bereitschaft zur Stelle, Alex Carbonell auf und neben dem Platz zu unterstützen. Dieser hat vor dem letzten Wochenende vor Weihnachten um eine Auszeit gebeten (zentralplus berichtete).

Man muss es so deuten: Gelingt es Fabio Celestini und der Mannschaft nicht, Alex Carbonell erfolgreich ins Teamgefüge zu integrieren, ist das in der Hauptsache ein schlechtes Zeichen für sie alle und ihren Entwicklungsprozess.

Wie bei Trapattonis Brandrede: Was erlauben...?

Schliesslich haben die Luzerner ihre letzten beiden Spiele seit Carbonells Abreise verloren. Vor allem die 1:2-Niederlage in Lausanne vermittelte ein bedeutsames Beispiel für die aktuell nicht ausreichende Persönlichkeit im FC Luzern.

Der FCL kassierte den zwischenzeitlichen Ausgleich zum 1:1 im Anschluss an einen Corner, den es wegen eines Fehlentscheides des Spielleiters so niemals hätte geben dürfen.

Aber das Ungemach hat im FCL keine Trotzreaktion ausgelöst. Nicht die geringste Spur von grimmiger Entschlossenheit, es dem Schiedsrichter und dem Gastgeber heimzuzahlen und dergestalt die Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen. Stattdessen kollabierte Fabio Celestinis Mannschaft wenig später und kassierte auf einen vermeidbaren Eigenfehler hin das 1:2.

Die Konklusion ist: Es braucht nicht viel, um diesen spielerisch talentierten FC Luzern aus der Bahn zu werfen, auch weil darüber hinaus in der Offensive die Effizienz fehlt. Um es in Anlehnung an Giovanni Trapattoni legendäre Brandrede zu sagen: Was erlauben Louis Schaub gegen Lausanne und Basel?

Es gibt aber nicht der oder die Spieler, die beim FCL nun das Zepter übernehmen müssen. Bei einer Mannschaft, die zusammenwächst und sich eine neue Hierarchie gibt, ist jeder einzelne mit seiner Persönlichkeit gefordert.

Der nächste Schritt muss im Kopf der Einzelspieler erfolgen. Davon hängt das sportliche Wohl des FC Luzern in den kommenden 22 Meisterschaftsspielen bis zum Saisonende ab.

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