Ärger bei den Grünen und Grünliberalen

«Das ist einfach eine Frechheit»

Schon bald gibt es wieder engagierte Debatten im Kantonsratssaal. Das neu gewählte Parlament tagt am 22. Juni zum ersten Mal.

Noch bevor der neu gewählte Luzerner Kantonsrat seine Arbeit überhaupt beginnt, steht der Haussegen bereits ziemlich schief. GLP und Grüne dürfen neu nicht mehr in allen neun Kommissionen Einsitz nehmen – die beiden Kleinparteien ärgern sich darüber und sprechen von bürgerlicher Machtarroganz.

Eigentlich geht der Parlamentsbetrieb mit dem neu gewählten Kantonsrat in Luzern erst am 22. Juni wieder los. Dann wird wieder politisch debattiert, gestritten und um Lösungen gerungen. Doch diesmal fliegen die Fetzen bereits im Vorfeld. Grund dafür ist die neue Sitzverteilung in den neun Kommissionen des Kantonsrates. Neu sind sowohl die Grünen wie auch die Grünliberalen nicht mehr in allen Gremien vertreten. Die Grünen werden in der WAK (Wirtschaft und Abgaben), die GLP wird gleich in drei Kommissionen nicht mehr mit von der Partie sein.

Die «Kleinen» verlieren an Einfluss

Bisher waren alle Parteien im Kantonsrat mit mindestens einem Sitz in allen Kommissionen vertreten. Der Entscheid der Geschäftsleitung des Kantonsrates stösst bei den Betroffenen verständlicherweise auf Unmut. Der Einsitz in den Kommissionen ist für die politische Arbeit im Parlament für eine Fraktion wichtig – so kann sie die Geschäfte genau studieren und von Anfang an Einfluss nehmen auf die politische Debatte im Rat. Deshalb hat die GLP-Fraktionsvorsitzende Michèle Graber wenig Freude an der neuen Regelung. «So fehlt uns der Zugang zum wichtigen Informationsaustausch innerhalb der Kommissionen und zur direkten Mitgestaltung. Wir haben kaum noch Einfluss auf die Geschäfte.»

«Der Rausschmiss aus der RUEK ist besonders unverständlich. Umwelt und Energie sind unsere Kernthemen.»

Michèle Graber, GLP-Fraktionspräsidentin

Verärgert zeigt sich auch GLP-Parteipräsidentin Laura Kopp: «Die Entscheidung zeigt, wie viel das Gerede der alten, konservativen Parteien über Konkordanz und Demokratie wert ist. Wenn es um die eigene Macht geht, sind andere Meinungen nicht mehr gefragt.» Besonders pikant ist, dass die Grünliberalen ausgerechnet in der RUEK, der Kommission für Raumplanung, Umwelt und Energie, ihren Einsitz verlieren. Michèle Graber: «Der Rausschmiss aus der RUEK ist besonders unverständlich. Umwelt und Energie sind unsere Kernthemen.»

Kein strenger Proporz

Auch bei den Grünen ist man konsterniert über die Beschneidung der Sitze. «Das ist einfach eine Frechheit», bringt es die Co-Präsidentin Katharina Meile auf den Punkt. «Was hier stattfindet, ist ein Machtspiel von den bürgerlichen Politikern.» Meile räumt ein, dass die bisherige Regelung teilweise ein Entgegenkommen der Geschäftlseitung war. Denn die Kommissionssitze werden eigentlich gemäss Fraktionsstärke verteilt, die CVP als grösste Partei hat die meisten, die GLP als kleinste am wenigsten Kommissionssitze zugute. Dennoch hatten die kleinen Parteien bisher in allen Kommissionen Einsitz – auch wenn sie streng genommen von ihrer proportionalen Stärke her kein Anrecht gehabt hätten.

«Was hier stattfindet, ist ein Machtspiel von den bürgerlichen Politikern.»

Katharina Meile, Co-Präsidentin Grüne

Mit dieser «Grosszügigkeit» der Grossparteien gegenüber den Kleinen ist nun Schluss. Warum gerade jetzt dieser Kurswechsel der Geschäftsleitung des Kantonsrats? «Wir hatten vorher Zugeständnisse an die kleinen Parteien gemacht, damit diese überall mit dabei sein können», sagt Kantonsratspräsident Franz Wüest (CVP) auf Anfrage. Dass man nun etwas weniger grosszügig sei, habe mit den Wahlen zu tun, erklärt Wüest. «Die Grünen und die GLP haben verloren, andererseits haben die SVP und die FDP gewonnen. Die neue Sitzverteilung in den Kommissionen ist ein Ausdruck der neuen Kräfteverhältnisse.»

Ausdruck der neuen Machtverhältnisse

Wüest betont, dass man nicht knallhart den Proporz angewendet habe. «Die Grünliberalen sind mit ihren fünf Sitzen immer noch in sechs Kommissionen vertreten. Wir haben die Verteilung nicht mit dem Rechenschieber gemacht.» Im Gegensatz etwa zum Nationalrat habe man nicht genau nach der proportionalen Stärke der Parteien die Sitze verteilt. «Es ist immer noch eine Mischform, welche den kleinen Fraktionen entgegenkommt.»

Hier sind Grüne und GLP nicht mehr dabei

In den neun Kommissionen des Kantonsrats sind zwischen 13 und 17 Kantonsräte vertreten. Bisher waren alle Parteien mit dabei, ab der neuen Legislatur ändert dies: In vier Kommissionen fehlt künftig entweder ein Vertreter der Grünen oder einer der GLP.

  • WAK (Wirtschaft und Abgaben): CVP 4, SVP 3, FDP 3, SP 2, Grüne 0, GLP 1. Total: 13
  • GASK (Gesundheit, Arbeit und soziale Sicherheit): CVP 4, SVP 4, FDP 2, SP 2, Grüne 1, GLP 0. Total: 13
  • JSK (Justiz und Sicherheit): CVP 4, SVP 3, FDP 3, SP 2, Grüne 1, GLP 0. Total: 13
  • RUEK (Raumplanung, Umwelt und Energie): CVP 5, SVP 3, FDP 3, SP 1, Grüne 1, GLP 0. Total: 13

Das sehen die Betroffenen anders. Bisher habe es einen Konsens gegeben, wonach alle Parteien Zugang zu den Informationen aller Geschäfte bekommen und so auch aktiv mitwirken können, schreibt die GLP in einer Mitteilung. «Dieser Konsens wurde nun aufgekündigt.» Kampflos wollen dies beide Parteien nicht hinnehmen. Wie genau der Widerstand aussehen wird, weiss Katharina Meile noch nicht, zuerst müsse man sich innerhalb der Partei noch beraten. 

Grüne und GLP drohen mit Massnahmen

Sicher ist, dass weder die GLP noch die Grünen den Entscheid einfach so akzeptieren werden. Wenn die Beschneidung tatsächlich bestehen bleibt, kündigen beide Parteien an, dass sie – notgedrungen – die Kommissionarbeit im Parlament machen müssten. Michèle Graber: «Wir werden unsere Aufgaben als Volksvertreter weiterhin mit Überzeugung und Engagement wahrnehmen und unsere Fragen vermehrt direkt im Kantonsrat stellen.» Das wird die Sessionen womöglich beträchtlich in die Länge ziehen.

Ähnliches gedenken auch die Grünen zu tun: Die Partei sei bekannt dafür, dass sie stets gut informiert sei über die Geschäfte, so Katharina Meile. «Deshalb werden wir die Informationen, die wir bisher aus den Kommissionen bekommen haben, nun vermehrt während des ordentlichen Ratsbetriebes einholen müssen. Das wird sicher etwas umständlicher», räumt Meile ein. «Aber schliesslich haben auch wir ein Recht darauf, gut informiert zu sein.»

 

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