Linke aus der Regierung geworfen

«Das ist ein politisches Erdbeben»

Versteinerte Gesichter: Sowohl Felicitas Zopfi (vorne) wie auch Yvonne Schärli zeigten sich am Sonntag im Regierungsgebäude über den Wahlausgang alles andere als erfreut. (Bild: cha)

Ein politischer Paukenschlag sondergleichen: Erstmals seit über 50 Jahren ist die SP nicht mehr in der Luzerner Regierung vertreten. Besonders schmerzhaft ist, dass die linke Kandidatin nicht den Hauch einer Chance gehabt hat. Das wirft Fragen auf. Politisiert die SP an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei? Und: Was jetzt – folgt nun eine Zeit der permanenten Opposition?

Die Stimmung war wie an einer Trauerzeremonie: Als Felicitas Zopfi Hand in Hand mit ihrem Partner und begleitet von Noch-Regierungsrätin Yvonne Schärli sowie weiteren Parteiexponenten ins Regierungsgebäude einmarschierte, wurde es plötzlich still in der Halle. Die versammelten Journalisten und die (wenigen) interessierten Bürger, die sich an diesem schönen Nachmittag versammelt hatten, konnten förmlich spüren, wie schwer der Gang für die SP-Exponenten war. Tränen in den Augen hatte die unterlegene Felicitas Zopfi zwar nicht, aber die Enttäuschung war ihr von weitem anzusehen.

Kaum besser als im ersten Wahlgang

«Diese Nacht werde ich sicher schlecht schlafen.» Felicitas Zopfi macht keinen Hehl aus ihrer Gemütslage. «Das Resultat bedrückt mich ziemlich. Es tut mir für die SP noch viel mehr weh als für mich persönlich. Ich bin sehr, sehr enttäuscht.» Die klaren Worte der sonst so zurückhaltenden Kandidatin lassen keinen Zweifel über ihre Befindlichkeit offen. Das Verdikt könnte auch eindeutiger nicht sein: Die SP muss eine historische Niederlage einstecken, die in dieser Klarheit kaum jemand erwartet hat. Nur gerade 37’154 Stimmen machte Zopfi – damit liegt sie weit hinter ihren Konkurrenten Paul Winiker (54’500) und Marcel Schwerzmann (65’708) zurück. Besonders bedenklich ist, dass Zopfi im zweiten Wahlgang praktisch nicht mehr zulegen konnte: Nur knapp 3’000 Stimmen kamen hinzu. Die SP konnte also kaum mehr Wähler mobilisieren, währenddem ihre beiden Widersacher kräftig Stimmen dazugewannen.

«Es tut mir für die SP noch viel mehr weh als für mich persönlich. Ich bin sehr, sehr enttäuscht.»

Felicitas Zopfi, SP-Kandidatin

Dass es an ihr als Person liege, die im Vorfeld als zu links, zu wenig kompromissbereit und zu wenig führungserfahren bezeichnet wurde, verneint Zopfi. «Ich glaube nicht, dass es an mir gelegen hat, dafür ist das Resultat zu eindeutig. Heute wollte man offenbar eine rein bürgerliche Regierung.» Ähnlich sieht das auch Yvonne Schärli: «Bei einem solch grossen Abstand geht es nicht mehr um die Person, sondern generell um die Linken.»

Schärli sprach denn auch von einem «ganz schwierigen Moment» für die SP. «Die Linke war immer auf bürgerliche Unterstützung angewiesen, das hat diesmal gefehlt.» Vielmehr sei es zu einem bürgerlichen Schulterschluss gekommen, der offenbar funktioniert habe. Das sieht auch Felicitas Zopfi so. «Der Gewerbeverband, die Handelskammer sowie FDP und SVP haben sich formiert und uns gezielt bekämpft. Man will die Linken einfach nicht mehr in der Regierung», so ihr ernüchterndes Fazit.

Die «Arroganz der Bürgerlichen»

Von einer «Riesenenttäuschung» sprach auch SP-Parteipräsident ad interim Daniel Gähwiler. «Das ist ein politisches Erdbeben. Ein lange währender politischer Konsens wird jetzt über Bord geworfen.» Der Kantonsrat David Roth ortet hinter dem Wahlresultat bürgerliche Arroganz: «Die Wirtschaftselite hat mit ihren Seilschaften ihren ganzen Einfluss geltend gemacht.» Da sei auch viel Propoganda «hintenherum» gemacht worden, um die linke Kandidatin möglichst zu diskreditieren und als unwählbar hinzustellen.

Auch Katharina Meile, Co-Präsidentin der Grünen, ist schwer enttäuscht vom Wahlergebnis. «Es ist sehr frustrierend, es kann doch nicht sein, dass Luzern nur noch von bürgerlichen Männern regiert wird.» So gerate der Kanton noch mehr politisch in die Sackgasse, ist sie überzeugt.

Leichtes Bedauern war auch bei der CVP auszumachen. «Wir haben die Konkordanz unterstützt», sagt Kantonalpräsident Pirmin Jung. Die CVP sei zwar nicht ganz glücklich mit der Person Zopfi gewesen, aber dennoch gehöre die SP in die Regierung.

Den Schritt aufs Land wagen

Ob die SP nun verstärkt in Opposition geht und von dort aus ihre Anliegen mittels Referenden und Initiativen einbringen will, lässt Zopfi noch offen. «Zuerst machen wir intern eine Auslegeordnung, dann entscheiden wir, wie es weitergehen soll.»

«Wir werden mehr kämpfen müssen für unsere Anliegen. Wir sind eine Partei, die fähig ist, Initiativen erfolgreich zu lancieren.»

Daniel Gähwiler, SP-Kantonalpräsident

Weniger geduldig zeigt sich Gähwiler: Er kündigt seinerseits bereits jetzt schon an, dass die Linke nun eine verschärfte Gangart angehen will. «Wir werden mehr kämpfen müssen für unsere Anliegen. Wir sind eine Partei, die fähig ist, Initiativen erfolgreich zu lancieren.»

David Roth geht davon aus, dass die SP sich nun vermehrt auf ihr Parteikerngeschäft konzentrieren wird. «Wir müssen wieder vermehrt an der Basis arbeiten und zum Beispiel endlich den Schritt aufs Land hinaus forcieren.» Wenn man auch in den Dörfern Luzern präsent sei, dann werde man auch eher gewählt, ist Roth überzeugt.

Das Momentum für die Bürgerlichen

56 Jahre lang war die SP ohne Unterbruch in der Luzerner Exekutive. Nach so einer langen Zeit stellt sich die Frage, warum ausgerechnet jetzt mit dieser Tradition gebrochen wird. Der Politologe Olivier Dolder von Interface Politikstudien Luzern zeigt sich über das klare Resultat erstaunt. «Offenbar hat die CVP-Basis anders gewählt, als die Delegiertenversammlung empfohlen hat.» Er weist auch darauf hin, dass Zopfi sicher nicht die glücklichste Wahl gewesen war. «Als Parteipräsidentin war sie gezwungen, pointiert links aufzutreten, das macht sich bei bürgerlichen Wählern nicht so gut.»

Aber ausschlaggebend ist laut Dolder etwas anderes gewesen. «Nach dem ersten Wahlgang ist bei den Bürgerlichen eine Dynamik entstanden.» Der Umstand, dass Zopfi neu antrat und ein bürgerlicher Parteiloser als Bisheriger antrat, schuf eine spezielle Konstellation. «Die Konkordanz ist derzeit kein grosses Thema, vielmehr schien es wichtiger, die SVP wieder einzubinden. Und das, ohne den Bisherigen abzuwählen.» Kommt hinzu, dass die SVP mit Paul Winiker einen starken Kandidaten gefunden hat, der bei den bürgerlichen Wählern gut ankommt. So kam es dazu, dass viele Bürgerliche nach dem ersten Durchgang auf Schwerzmann und Winiker setzten.

Damit ist Luzern der erste Kanton in der Schweiz, der eine rein bürgerlich-männliche Regierung stellt. «Luzern ist diesbezüglich ein Novum», sagt Dolder. «Er ist auch der mit Abstand grösste Kanton, der rein bürgerlich regiert wird.» Dennoch liegt Luzern in einem national zu beobachtenden Trend: Der Kanton Tessin hat neuerdings eine reine Männerregierung, in Baselland wurde ein SP-Vertreter abgewählt und in Zürich musste ein grüner Stadtrat über die Klinge springen.

Ab sofort sind die Bürgerlichen gefordert

Bleibt die Frage, wie lange die Abewesenheit der Linken andauern wird. Die rein bürgerliche Regierung birgt auch Risiken für die Rechten, ist Dolder überzeugt. «Wenn jetzt etwas nicht gut läuft, kann man dies nicht mehr den Linken ankreiden.» Die Steuerstrategie habe bisher noch wenig zählbare Wirkung gezeigt. Wenn dies auch in vier Jahren nicht besser sei, dann hätten die Bürgerlichen ein Problem. «Das wiederum könnte dann für die SP ein Vorteil sein.» Es ist also gut möglich, dass die Abwesenheit der Linken in der Regierung nicht von längerer Dauer sein wird. Insbesondere, da Marcel Schwerzmann wahrscheinlich in vier Jahren zurücktreten wird und so der Moment käme, wo die Konkordanz wiederhergestellt werden kann.

 

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3 Kommentare
  • Profilfoto von tonino wir sind cool.org
    tonino wir sind cool.org, 11.05.2015, 07:01 Uhr

    Sehr schade für Felicitas Zopfi und die SP, auch weil diese engagierte Stimme und Kompetenz im Regierungsrat nun fehlen wird.

    $$$ regiert noch stärker im Kanton Luzern. Die Finanzprobleme werden nun mit geballter bürgerlicher FINANZ-Kompetenz bald gelöst sein – Wer’s glaubt wird selig?

    ;-((

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  • Profilfoto von jules gut
    jules gut, 10.05.2015, 21:36 Uhr

    Die SP hat es nicht geschafft, eine Kandidatin aufzustellen, die in der breiten Bevölkerung auf die notwendige Akzeptanz gestossen wäre. Wie die SVP als Polpartei am anderen Ende des Spektrums schaffen es SP und Grüne meist nur in die kantonalen Exekutiven einzuziehen, wenn sie Persönlichkeiten präsentieren, die als gemässigt und damit regierungsfähig gelten. Bei Zopfi war dies nicht der Fall.

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  • Profilfoto von Mahatma Andy
    Mahatma Andy, 10.05.2015, 20:48 Uhr

    Warum immer so negativ? Es ist ja nur eine Partei raus geflogen ist. Die es nicht schaft selbstkritisch, auf die Anliegen der Bevölkerung zu hören. Es sind halt die andren schuld, oder sie dummen, so wie die SP sagt. Oder könnte es umgekehrt sein?

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