Der EVZ orientiert sich am Prinzip von Davos

Das bringt die Saison 2018/19: EV Zug mit Meisterambitionen

Ist das der Beginn einer meisterlichen Zusammenarbeit? Neo-Coach Dan Tangnes (links) mit EVZ-CEO Patrick Lengwiler.

(Bild: sib)

Beim EV Zug steht die Saison vor dem Eintreffen von Übergoalie Leonardo Genoni an. Und doch ist die nächste NLA-Spielzeit für den EVZ nicht ohne Brisanz. Die Zuger vertrauen mit Dan Tangnes auf einen neuen Trainer – einen Norweger, der in der Schweiz ein unbekanntes Gesicht ist. Und gleich elf Spielerverträge laufen aus. Dies weckt Erinnerungen an die Finalsaison 2016/17.

Es ist ein veritabler Spagat, den der EVZ mit dem Saisonstart am 21. September auswärts gegen den HC Ambrì-Piotta, zu vollführen versucht. Er will Talentförderung betreiben, der er sich mit der vom Präsidenten Hans-Peter Strebel höchstpersönlich alimentierten Hockey Academy in der NLB verschrieben hat. Und gleichzeitig möchte man meisterliche Ambitionen unter einen Hut bringen. «Davos hat vorgemacht, wie das geht», sagt EVZ-Sportchef Reto Kläy. zentralplus hat in zehn Themenfeldern untersucht, wie der Verein das Spannungsfeld bewältigt. Wir vergeben dabei Noten von eins bis sechs – oder besser Eishockeystöcke –, wie weit man dabei bereits vorangekommen ist.

Trainer

Hat der EVZ mit dem 39-jährigen Norweger Dan Tangnes die norwegische Antwort auf den 62-jährigen HCD-Kulttrainer Arno Del Curto ausgegraben? Man wagt es zu bezweifeln. Nicht nur, weil der Skandinavier, der in Zug auf eine kanadisch geprägte und gewachsene Eishockeykultur trifft, als Headcoach noch nie eine Playoff-Serie für sich entscheiden konnte.

«Was hatte denn Del Curto vorzuweisen, bevor er beim HCD unterschrieb?»

Reto Kläy, Sportchef EV Zug

Die Schaffenskraft, Ausstrahlung und Erfolge, die Del Curto vorweisen kann, erreichen andere in drei Trainerleben nicht. Doch Kläy lässt nichts auf den früheren Trainer der schwedischen Erstligisten Rögle BK und Linköping HC kommen: «Was hatte denn Del Curto vorzuweisen, bevor er beim HCD unterschrieb?», entgegnet er.

Um nicht dem Negativismus zu verfallen, den Tangnes seit Bekanntwerden seines Transfers nach Zug begleitet, sei erwähnt, dass der neue EVZ-Headcoach schon den einen und anderen jungen Schweden in die NHL gepusht hat. Dem Norweger eilt deshalb der Ruf voraus, nicht nur davon zu reden, Talente zu fördern – er vertraut und gewährt den willigen und bissigen unter ihnen auch genügend Eiszeit, um sich beweisen und durchsetzen zu können.

Bewertung: 🏒🏒🏒🏒

Torhüter

Der 34-jährige Tobias Stephan hat die Qualität des EVZ-Torhüters seit seiner Ankunft 2014 auf ein höheres Niveau gehoben und die Sorgen der Zuger auf dieser im Eishockey alles entscheidenden Position aus der Welt geschafft. Der frühere NHL-Goalie ist ein guter bis sehr guter Rückhalt –  aber halt kein überragender. Der Zürcher hat bislang keine Mannschaft zu Meisterehren führen können, und das ist der Makel in seiner Karriere.

Sein vom EVZ für übernächste Saison verpflichteter Nachfolger hat ein ganz anderes Palmarès vorzuweisen: Leonardo Genoni (30) ist vierfacher Schweizer Meister mit Davos (2009, 2011, 2015) und Bern (2017). Besteht nun also die Gefahr, dass Stephan sein letztes Vertragsjahr mit Zug schleifen lässt? Kaum – auch wenn er kürzlich seine berufliche Zukunft mit einem ab der übernächsten Saison gültigen Dreijahresvertrag bei Lausanne HC geregelt hat. Es entspricht einfach nicht seinem Charakter und seiner professionellen Einstellung, wenn Stephan nun plötzlich nicht mehr seine Leistungsgrenze suchte. Und was gäbe es Schöneres für ihn, als den EVZ mit einem Meistertitel zu verlassen.

Bewertung: 🏒🏒🏒🏒🏒

Verteidigung

Die Frage ist: Sind Miro Zryd (23) von Langnau und Jesse Zgraggen (25) von Ambrì schon so weit, um die gestandenen Robin Grossmann (31, zu Lausanne) und Timo Helbling (37, zu den SCRJ Lakers) eins zu eins ersetzen zu können? «Wir haben in der Verteidigung Erfahrung verloren, aber nicht Qualität», ist sich Kläy sicher.

Torhüter Tobias Stephan gehört zu den unumstrittenen Schlüsselspielern beim EVZ. Doch die goldenen Jahre des 34-Jährigen werden nicht mehr ewig andauern.

Kann Tobias Stephan in seinem (vermutlich) letzten EVZ-Jahr doch noch den Meisterkübel in die Höhe stemmen?

(Bild: EVZ/Felix Klaus)

Zryd traut er zu, den im Überzahlspiel an der blauen Linie wichtigen Grossmann ersetzen zu können. Zgraggen schätzt Kläy technisch besser ein als Helbling. Beide stehen in erster Linie für Härte und Kompromisslosigkeit.

«Wir haben in der Verteidigung Erfahrung verloren, aber nicht Qualität.»

Reto Kläy

Seine sechs erfahrenen Verteidiger, die er für das Bestreiten einer langen NLA-Saison für unerlässlich hält, sind Raphael Diaz, die derzeit verletzten Dominik Schlumpf und Johann Morant, Santeri Alatalo, Miro Zryd und Jesse Zgraggen. Dazu kommen die aufstrebenden Talente Tobias Fohrler, der an Hüftproblemen laboriert, Thomas Thiry und Livio Stadler. Bei allem Respekt: Einer wirklich erstklassigen NLA-Verteidigung kann der EVZ nicht das Wasser reichen.

Bewertung: 🏒🏒🏒🏒

Sturm

Defensivcenter Nolan Diem (zu den SCL Tigers) und Kläys vermeintliche Allzweckwaffe Timothy Kast (zurück nach Genf) haben den Klub nach dem Aus in den Playoff-Viertelfinals gegen die später zu Meisterehren gekommenen ZSC Lions verlassen.

Zur Einstimmung auf die neue Saison:

Gekommen sind die talentierten Yannick-Lennart Albrecht (SCL Tigers) und Dario Simion (Davos). Was offensive Kreativität und Feuerkraft betrifft, hat sich der EVZ damit noch breiter und aussichtsreicher aufgestellt. Im Spiel nach vorne kann er brausen und sausen wie ein Wirbelsturm.

Bewertung: 🏒🏒🏒🏒🏒

Ausländer

Mit dem technisch beschlagenen Aggressivleader Garrett Roe (30), dem fast schon genialen Vollstrecker Viktor Stålberg (32), dem zähen und schlauen Zweiwegstürmer David McIntyre (31) und dem unermüdlichen und unerschütterlichen Vorarbeiter Carl Klingberg (27) setzt der EVZ auf die gleichen Söldner wie in der letzten Saison.

Weil diese Teamleader für den letztlich belanglosen zweiten Platz in der Qualifikation 2017/18 alles aus sich herauspressen mussten, sind sie mit leeren Tanks in den Playoff-Viertelfinals stehen geblieben und ausgeschieden. Gemessen an ihrem Potenzial verfügen die Zuger jedoch über ein hochstehendes Ausländerquartett.

Bewertung: 🏒🏒🏒🏒🏒

Schlüsselspieler

Nebeen den Söldnern sind dies beim EVZ Nati-Captain Raphael Diaz, der beim Gewinn der WM-Silbermedaille in Dänemark endlich zur Bestform auflief, der zähe Verteidiger Dominik Schlumpf, Sturmfloh Lino Martschini und Goalie Tobias Stephan.

Es ist ein zentrales Anliegen von Kläy, dass der neue Trainer Dan Tangnes das Energiemanagement der Schlüsselspieler in den Griff bekommt. Dies ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger Harold Kreis, der die gesamte Verantwortung und Eiszeit auf wenige Schultern verteilte und dafür einen hohen Preis in den Playoffs bezahlen musste.

Santeri Alatalo (r.) hätte für das nächste Spiel gerne so wenige Strafen wie möglich – für den EVZ und auch den ZSC.

Raphael Diaz und Santeri Alatalo sind Teile des Abwehrgerüsts beim EVZ.

(Bild: Facebook-Page EVZ)

«Das war der Hauptgrund für die Trennung von Kreis», erklärt der Sportchef freimütig. Entscheidende Fragen sind aber: Kann Diaz mit einem besseren Einteilen der Kraftreserven der überragende Verteidiger im EVZ werden, den man sich seit zwei Jahren wünscht? Und kann der klein gewachsene Martschini in den Playoffs endlich der gefährliche Scharfschütze werden, der er in der physisch weniger anspruchsvollen Qualifikation ist?

Bewertung: 🏒🏒🏒🏒

Leistungskultur

Lieber zufrieden verlieren als im Unfrieden siegen: Diesen Eindruck vermittelte der EVZ gegen aussen, seit Reto Kläy 2014 Sportchef geworden ist. Und er verstärkte sich dadurch, dass der hochanständige Langnauer eloquent redet wie ein Politiker und jeden Misserfolg erklären kann.

Diese Fähigkeit hat ihm in drei von vier Fällen nützliche Dienste erwiesen. Denn bis auf einmal – 2016/17 – musste Kläy jeweils erläutern, warum Zug in der ersten Playoff-Runde ausgeschieden ist. Die Ausnahme mit dem Einzug in den Playoff-Final stellte sich just dann ein, als eine Vielzahl von Spielerverträgen gleichzeitig auslief.

Nun ist die Ausgangslage wieder dieselbe: Die berufliche Zukunft von elf EVZ-Spielern bedarf einer Klärung, weil das aktuelle Arbeitsverhältnis der Stürmer Garrett Roe, Viktor Stålberg, Carl Klingberg, Reto Suri, Sven Senteler, Dominic Lammer, Yannick Zehnder sowie der Verteidiger Dominik Schlumpf, Santeri Alatalo und Tobias Fohrler als auch von Ersatzgoalie Sandro Aeschlimann im Mai 2019 endet.

Durch den Zuzug von Leonardo Genoni auf die Saison 2019/20 ist bereits geklärt, dass die sportliche Zukunft von Stammgoalie Tobias Stephan ausserhalb von Zug liegt. Falls es dem neuen EVZ-Cheftrainer nicht gelingen sollte, die Leistungskultur im EVZ zu erhöhen, wird der auslaufende Vertrag zumindest elf EVZ-Spielern Beine machen.

Bewertung: 🏒🏒🏒

Führung

Der EV Zug ist sportlich und wirtschaftlich ein professionell und tadellos geführtes Unternehmen. Die Entscheidungsträger, welche die Geschicke im Klub bestimmen, sind der wohlbestallte Präsident Hans-Peter Strebel und CEO Patrick Lengwiler. Die beiden verbindet in der Aussenwirkung nicht bloss ein freundschaftliches, sondern fast schon ein Vater-Sohn-Verhältnis.

David McIntyre gegen die Davoser in Action.

Kann der EVZ mit David McIntyre (vorne) das Erfolgsmodell des HC Davos kopieren?

(Bild: EVZ/zVg)

Sie entscheiden die strategischen Fragen rund um den EVZ im Gespann. Der Verwaltungsrat ist in erster Linie dazu da, zu allem Ja und Amen zu sagen. Und Sportchef Reto Kläy darf ausführen, was ihm aufgetragen wird. Bis jetzt hat das gar nicht schlecht funktioniert.

Allerdings sei der Hinweis erlaubt, dass der EVZ unter Lengwilers Ägide nach wie vor vergeblich darum bemüht ist, den bisher einzigen Titelgewinn von 1998 zu wiederholen. Vielleicht wäre eine Verbreiterung des Know-hows in der Klubführung eine zielführende Investition.

Bewertung: 🏒🏒🏒🏒

Finanzen

Die Zuger sind wirtschaftlich so gut und breit abgestützt, dass sie im Gegensatz zum letzten Jahrtausend nicht mehr auf das Wohlwollen eines vermögenden Mäzens angewiesen sind, um eine sportlich gute Zukunft in der höchsten Liga der Schweiz zu haben.

Sie sind also nicht auf Gedeih und Verderben auf Hans-Peter Strebels Portemonnaie angewiesen. Der schlaue und erfolgreiche Unternehmer war sich dieser Verantwortung von allem Anfang bewusst und investierte vor allem in die EVZ-Talentschmiede, die als Hockey Academy in der NLB Fuss gefasst hat. Er wollte den Verein nicht in seine finanzielle Abhängigkeit führen.

Wenn Strebel allerdings will, kann er dem NLA-Team alles ermöglichen. Und dem Vernehmen nach hat er beim vielleicht grössten Transfer eines Schweizer Spielers in der EVZ-Historie genau das getan (siehe Kapitel «Torhüter»).

Bewertung: 🏒🏒🏒🏒🏒🏒

Zuschauer

Es gibt zahlreiche Konkurrenten in der NLA, die länger existieren, eine erfolgreichere Geschichte und ein grösseres Einzugsgebiet haben als der EV Zug. Aber der Klub hat sich peu à peu eine breitere Basis an Fans und Sympathisanten erarbeitet, die dem 1967 gegründeten Verein die Treue halten.

Die EVZ-Fans werden für eine würdige Playoff-Atmosphäre sorgen.

Die EVZ-Fans wollen für eine meisterliche Atmosphäre sorgen.

(Bild: EVZ/Fabrizio Vignali)

In diesem Kanton, der gerne auf seine schwerreichen Einwohner reduziert wird, hat der EV Zug eine leidenschaftliche Fangemeinde aus unterschiedlichen Einkommensschichten generiert. Und die können nicht nur in der heimischen Bossard-Arena, sondern auch in jedem gegnerischen Stadion für Stimmung sorgen. Man muss derzeit sogar konstatieren, dass das sportliche Abschneiden des EVZ der eigenen Fankultur hinterherhinkt. Diese verdient (viel) mehr als ein Aus im Playoff-Viertelfinal.

Bewertung: 🏒🏒🏒🏒🏒

Bewertungssystem:

6 Hockeystöcke                        hervorragend
5 Hockeystöcke                        gut
4 Hockeystöcke                        genügend
3 Hockeystöcke                        ungenügend
2 Hockeystöcke                        schlecht
1 Hockeystock                          miserabel

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