Zuger Verein setzt auf Einzelspenden

Darum trauert NetzCourage den Bundesgeldern nicht nach

Jolanda Spiess-Hegglin will die Arbeit des Vereins auch ohne den Bund weiterführen. (Bild: zvg)

Letzte Woche hat das eidgenössische Gleichstellungsbüro kommuniziert, dass der Zuger Verein NetzCourage nicht länger finanziell unterstützt wird. Geschäftsführerin Jolanda Spiess-Hegglin nimmt gegenüber zentralplus Stellung und erklärt, wieso der Entscheid auch ein Befreiungsschlag ist.

Der Verein NetzCourage ist in der Schweiz die Anlaufstelle für Hass im Netz. Trotzdem hat das eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) die Projektfinanzierung für #NetzAmbulanz gestrichen (zentralplus berichtete). Dies, obwohl der Nationalrat Anfang Dezember ein entsprechendes Anliegen von Andreas Glarner (SVP) noch abgelehnt hat (zentralplus berichtete). Dem Entscheid geht ein monatelanger Knatsch in den Medien und zuletzt auch in der Politik voran (zentralplus berichtete).

Nicht zu bewältigende administrative Hürden

In einem ersten Statement dazu erklärte die Zuger Geschäftsleiterin Jolanda Spiess-Hegglin via Twitter, dass vor allem administrative Hürden zum Knall geführt hätten. Das EBG habe sich eine «bessere, detailliertere und proaktivere» Kommunikation gewünscht.

Doch die zusätzliche Arbeit durch die Auflagen des Bundes seien schlicht zu viel für das Team gewesen, führt Spiess-Hegglin gegenüber zentralplus aus. «Für so einen kleinen, agilen Verein wie NetzCourage ist eine Zusammenarbeit mit dem Bund sehr schwer.» Wegen dessen Arbeit im Internet trifft der Verein teils rasche Entscheidungen. Die Behörden seien jedoch nur zu Bürozeiten erreichbar. Deshalb war es nicht immer möglich, jeweils auf das grüne Licht des EBG zu warten, so Spiess-Hegglin.

«Ich kann das nur wiederholen: Die Freiheit, sich politisch und pointiert äussern zu dürfen, gilt auch für mich.»

Jolanda Spiess-Hegglin, Netzaktivistin und Gründerin von NetzCourage

Zudem wird der Verein noch von anderen kantonalen und städtischen Behörden unterstützt. So beispielsweise vom Präsidialdepartement des Kantons Basel-Stadt und vom Lotteriefonds des Kantons Zug. Befürchtet Spiess-Hegglin nun, dass diese Gelder ebenso wegfallen? In einem ersten Statement im Juli dieses Jahres äusserte sich das Basler Departement gegenüber der «Basler Zeitung», dass man nicht zum Handeln veranlasst werde.

Gemäss Spiess-Hegglin erübrige sich die Frage ohnehin: Der Geldhahn wäre so oder so am Ende des Jahres zugedreht worden. Dies, weil die Unterstützung aus Basel für die Aufbauarbeiten des Vereins gezahlt worden seien. NetzCourage befindet sich nun aber nicht mehr in dieser Aufbauphase – weshalb die Kriterien zur Finanzierung nicht länger gegeben sind. Auch auf den Zuger Zustupf sei der Verein nicht angewiesen. Im Vergleich zum Aufwand falle dieser nämlich kaum ins Gewicht.

Mit Einzelspenden Loch in der Kasse stopfen

Deshalb trauert sie der Streichung auch nicht allzu sehr nach – im Gegenteil. Der EBG-Entscheid komme gewissermassen auch einem Befreiungsschlag gleich: «Wir brauchen nun Partner, mit denen wir vorwärtsmachen können. Die Mitglieder stehen hinter uns und dem Verein, dadurch können wir agil arbeiten.» Im Nachgang zum EBG-Eklat hat der Verein deshalb seine Mitgliederkampagne angekurbelt. Mit Erfolg: NetzCourage zählt seitdem rund 150 Neumitglieder, erzählt Spiess-Hegglin.

Mit Plakaten wie diesen will NetzCourage zeigen, wie der Verein hilft – unabhängig von der politischen Gesinnung. (Bild: zvg)

Künftig wolle der Verein in der Finanzierung auf eben diese Mitgliederbeiträge setzen. «Zu Beginn der Tamedia-Medienkampagne gegen mich und #NetzCourage wuchs die Anzahl von 700 auf 1400 Mitglieder. Seitdem werden es immer mehr», so die Geschäftsführerin. Finanzielle Unabhängigkeit mittels Goodwill von Einzelpersonen? Spiess-Hegglin zeigt sich zuversichtlich: «Wir schaffen das schon irgendwie. So langsam wächst auch das Verständnis dafür, was wir überhaupt machen.» Trotzdem habe sie vorsichtshalber ein alternatives Budget vorbereitet.

Nichtsdestotrotz steht die Netzaktivistin dem Entscheid kritisch gegenüber: «Durch die Istanbul-Konvention ist die Schweiz dazu verpflichtet, etwas gegen digitale Gewalt gegen Frauen zu tun. Wenn nun also der Bund die Finanzierung einer Dienstleistung stoppt, welche genaugenommen sie selber anbieten müssten, ist das recht ironisch.»

Spiess-Hegglin beruft sich auf Meinungsfreiheit

Im Nachgang zum EBG-Entscheid vom Freitag hat Spiess-Hegglin unter anderem mit Memes über Andreas Glarner den Mitgliederzulauf befeuert. Widerspricht sie damit nicht ihrem selbsterklärten Ziel gegen Hass im Netz? Spiess-Hegglin verneint: «Bei Andreas Glarner, der dem Verein mit seiner ganzen politischen Kraft schaden will, nehme ich mir die Freiheit heraus, ihn offen zu kritisieren und seinen Charakter in einem Meme offenzulegen.»

Damit macht sich Spiess-Hegglin jedoch weiter Feinde. Gerade Glarner meinte im Juli 2021 gegenüber «20 Minuten», dass er das Ziel des Vereines unterstütze – jedoch nicht mit Jolanda Spiess-Hegglin an der Spitze. Darauf angesprochen, gibt sich die NetzCourage-Gründerin kämpferisch: «Offenbar bin ich ein rotes Tuch für viele. Aber wo kämen wir hin, wenn ich mich zurückziehen würde, nur weil ein gewisser Schlag Mensch dies von mir verlangt? Das würde dem Kern meiner Arbeit widersprechen.»

NetzCourage schütze Menschen, die aus welchem Grund auch immer fertiggemacht werden. Würde sie jetzt vor ihren selbsterklärten Gegnern kauern, sende das ein falsches Signal an alle Opfer aus. Zudem sei auch der Verein von ihr als Person zu trennen: «Ich kann das nur wiederholen: Die Freiheit, sich politisch und pointiert äussern zu dürfen, gilt auch für mich. Nur weil ich einen Verein führe, der sich gegen digitale Gewalt stellt, muss ich keine Päpstin sein.»

Deshalb wolle sie auch nicht ewig die Geschäftsführerin des Vereins bleiben. Gerade an dieser Position werde sie tagtäglich mit Hass bombardiert. Sie möchte das Führungszepter abgeben, sobald der Verein stabil genug dafür sei, so Spiess-Hegglin. Bis dahin wird es um den Verein vermutlich alles andere als still werden.

In einer ersten Version wurde fälschlicherweise geschrieben, dass der Verein NetzCourage auch Unterstützung von der Stadt Zug erhielt. Dies wurde inzwischen korrigiert.

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6 Kommentare
  • Profilfoto von Jürg Streuli
    Jürg Streuli, 15.12.2021, 20:13 Uhr

    Leider ist Jolanda Spiess-Hegglin zu keiner Selbstkritik bereit. Das hat nun weitere für sie tragische Folgen, auch wenn diese schöngeredet werden. Laut Inside Paradeplatz beenden auch die Swisscom und der Kanton Basel Stadt die Zusammenarbeit mit Netzcourage. Die Basler Fachstelle Diversität & Integration unterstützte den Verein in den letzten drei Jahren grosszügig mit 50’000 Franken. Wegen der „Aussendarstellung“ des Vereins sei man mehrfach in Kontakt mit Spiess-Hegglin gewesen.

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  • Profilfoto von Betting
    Betting, 15.12.2021, 10:00 Uhr

    und was macht JSH derweil ? stellt Lieblingsfeind Glarner auf ihrer FB-Wall in den Senkel und wirft ihn ihren Followern zum Frass vor. Jawohl. Internethass kännsch ?

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  • Profilfoto von Land Ammann
    Land Ammann, 15.12.2021, 07:59 Uhr

    Witzig finde ich, dass jeder, der das ausspricht bzw. irgendwo hinschreibt, was im halben Kanton Zug über die selbsternannte «Herrscherin des Guten» erzählt wird, von deren bzw. deren Organisation vor den Kadi gezogen wird. Auch wenn man im Allgemeinen dem «Geschnorr» nicht all zu viel Beachtung schenken soll, so ist auch immer ein Funken Wahrheit dabei. Und ihre Selbstdarstellung und das was man so hört liegt diametral auseinander! Meine Meinung, nicht wertend!

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 14.12.2021, 19:47 Uhr

    Es braucht solche Hilfe,aber nicht von Personen die selber Hassdiraden verschicken.
    Ich würde den Taliban auch kein Geld schicken

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    • Profilfoto von Familie Fasel
      Familie Fasel, 15.12.2021, 07:32 Uhr

      Die Taliban verbreiten Angst und Schrecken unter den Menschen und haben Tausende auf dem Gewissen. Sie verüben grausamste Verbrechen, Frauen wagen sich nicht mehr auf die Strasse und halten sich monatelang vor diesem Terrorregime versteckt. Ich weiss nicht, ob Sie Ihren Kommentar/Vergleich originell finden, wir finden ihn zum Fremdschämen.

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      • Profilfoto von Mac Tanner
        Mac Tanner, 15.12.2021, 09:14 Uhr

        Ach wissen Sie Herr Hegard ist hier bekannt für seine unüberlegten Aussagen, nicht zu ernst nehmen….

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