Luzerner Polizeigesetz

Darf in Luzern bald wieder verdeckt ermittelt werden?

Verdeckte Fahndung in einem Kinderchatroom (nachgestellte Szene) (Bild: yab)

Pädophile, Drogendealer, Menschenhändler oder Kunst-Hehler: Oft können solche Verbrecher nur durch verdeckte Operationen der Polizei überführt werden. Im Kanton Luzern fehlt jedoch seit über zwei Jahren die gesetzliche Grundlage dazu. Der Polizei sind somit die Hände gebunden. Die Gesetzeslücke könnte aber demnächst geschlossen werden: Nächste Woche berät sich der Kantonsrat über ein neues Gesetz.

Polizisten geben sich in Chatrooms als minderjährige Mädchen aus, um Pädophile dingfest zu machen. Oder sie schleusen sich als vermeintliche Drogendealer für Monate in ein kriminelles Milieu ein. Durch verdeckte Fahndungen sowie verdeckte Ermittlungen kann die Polizei potenzielle Straftäter über einen längeren Zeitraum inkognito überwachen. Damit soll ein bereits begangenes Verbrechen nachgewiesen oder eine künftige Straftat vereitelt werden. Dabei ist verdeckte Fahndung nicht gleich verdeckte Ermittlung. (siehe Infobox)

Was man gemeinhin aus Hollywoodkrimis kennt, gehört zur täglichen Arbeit der Polizei im Kanton Luzern. Besser gesagt: gehörte. Denn mit der neuen Schweizerischen Strafprozessordnung von 2011 wurden verdeckte präventive Ermittlungen sowie Fahndungen nicht mehr auf Bundesebene gesetzlich verankert, sondern in die Verantwortung der Kantone gegeben. Die Luzerner Polizei hat somit seit über zwei Jahren keine rechtliche Grundlage mehr, um verdeckt im Vorfeld einer Straftat arbeiten zu können.

Eine neue gesetzliche Regelung ist deshalb notwendig, weil solch verdeckte Operationen meistens sehr stark in die Privatsphäre und somit in den Persönlichkeitsschutz der verdächtigen Personen eingreifen. Dies trifft insbesondere auf verdeckte Ermittlungen zu, da sich diese oft über einen Zeitraum von mehreren Monaten, in Ausnahmefällen sogar Jahren erstrecken.

Der Kanton Luzern lässt sich Zeit

Während einige Kantone, darunter auch Zug, schnell reagiert und die Gesetzeslücke im kantonalen Polizeigesetz bereits geschlossen haben, lässt sich der Kanton Luzern Zeit. Erst in der Session von nächster Woche wird der Kantonsrat über einen künftigen Gesetzestext beraten.

Armin Hartmann, Präsident der Justizkommission des Kantonsrats, erklärt den Grund für die Verzögerung so: «Die Regierung ging davon aus, dass die verdeckte Ermittlung vom Bund geregelt wird. Vor allem die Staatsanwaltschaft sowie die SVP und die Grünen hielten eine kantonale Gesetzesverankerung deshalb für sinnlos. Als sich herausstellte, dass Bundesbern die Regelung den Kantonen überlässt, unterbreitete der Regierungsrat dem Kantonsrat umgehend eine Gesetzesvorlage.» Mittlerweile sei die Vorlage grundsätzlich unbestritten, so der SVP-Kantonsrat.

In diesem Gesetzesentwurf werden die verdeckte präventive Ermittlung sowie die verdeckte Fahndung klar geregelt. Während aber der Einsatz von verdeckten Fahndern dem Ermessen der Polizei überlassen werden soll, müssen verdeckte Ermittlungen vom Zwangsmassnahmengericht (ZMG) genehmigt werden.

Genehmigung durch das Zwangsmassnahmengericht

Den Weg über das ZMG hält auch Peter Meuli, Präsident des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Luzern, für den richtigen: «Immer, wenn es um derart schwerwiegende Eingriffe in die Rechtssphäre von Personen geht – wie beispielsweise Telefonabhörungen oder Videoüberwachungen – muss ein unabhängiges Gericht die Einhaltung der Fundamentalrechte überprüfen und sicherstellen können.» Dies sei Aufgabe des ZMG, so Meuli.

Verdeckte Ermittlungen würden jedoch nur genehmigt, wenn es um besonders schwere Straftaten wie beispielsweise Drogenhandel gehe. Und auch dort müssten klare Beweise vorliegen – «verdeckte Ermittlungen, die auf blosse Mutmassungen oder Gerüchte hin angeordnet wurden, werden nicht genehmigt», sagt Meuli.

Und weshalb muss das ZMG nicht auch verdeckte Fahndungen genehmigen? «Weil die verdeckte Fahndung ein wesentlich geringerer Eingriff in die Rechtssphäre der Betroffen darstellt», sagt Peter Meuli, «dabei geht es um niederschwelligere Polizeieinsätze, die nur von kurzer Dauer sind.» Ein klassisches Beispiel für verdeckte Fahndung sei, so Meuli, wenn sich ein Beamter im Internet als «manuela_13» ausgebe, um in einem Chatroom mutmassliche Pädophile zu überführen.

Die Polizeiarbeit erleichtern

Auch Reto Ruhstaller vom Departement für Justiz und Sicherheit hält die unterschiedliche Regelung zwischen verdeckter Fahndung und Ermittlung für richtig. «Diesen Unterschied macht man ganz bewusst, um vor allem die Arbeit der Polizei zu erleichtern.» Denn die Unterscheidung zwischen verdeckter Fahndung und Ermittlung sei eben gerade dort entscheidend, wo es um den Persönlichkeitsschutz gehe, so Ruhstaller.

Reto Ruhstaller macht zudem auf einen weiteren wichtigen Aspekt aufmerksam, weshalb die verdeckte Fahndung von der verdeckten Ermittlung getrennt behandelt werden muss: «Während bei verdeckten Fahndungen nur polizeiliche Mitarbeiter eingesetzt werden dürfen, kann bei verdeckten Ermittlungen auch auf nichtpolizeiliche Personen zurückgegriffen werden.» Im Drogenmilieu sei es teilweise unmöglich einen Beamten einzuschleusen – «weil er Schweizer ist und deshalb sofort auffallen würde», erklärt Ruhstaller. Auch in der Kunst-Hehlerei benötige es Fachpersonen mit einem ausgezeichneten Know-How. Das übersteige meist die Kompetenzen eines Polizisten.

Der Kanton Zug ist mit der Gesetzesänderung zufrieden

Wenn sich der Luzerner Kantonsrat anfangs nächster Woche berät, könnte ein Blick in den Nachbarkanton Zug sicherlich nicht schaden. Seit dem 7. Juli 2011 ist dort das revidierte Polizeigesetz in Kraft. Hier wird – anders als man es in Luzern plant – nicht zwischen verdeckter Fahndung und verdeckter Ermittlung im Vorfeld eines Strafverfahrens unterschieden. Unter dem Begriff «verdeckte Vorermittlung» werden alle Arten von verdeckten polizeilichen Operationen geregelt, die eingeleitet werden, bevor eine Straftat begangen wird. Und all diese Operationen müssen ausnahmslos vom Zwangsmassnahmengericht des Kantons Zug genehmigt werden.

Und wie läuft das bisher? «Wir sind mit der Gesetzesänderung zufrieden», sagt Marcel Schlatter, Mediensprecher der Zuger Strafverfolgungsbehörden, «so können wir bereits vor Eintreten einer Straftat intervenieren und grösseren Schaden abwenden.»

So hat man beispielsweise laut Schlatter im März vergangenen Jahres einen pädosexuellen Mann verhaften können, der sich mit einem vermeintlich 13-jährigen Mädchen in einem Chatroom für ein Treffen verabredete. Dass hinter dem Mädchen ein Beamter steckte, erfuhr der Mann erst am Treffpunkt, wo nicht ein Mädchen, sondern die Polizei auf ihn wartete.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Hans Stutz
    Hans Stutz, 04.05.2013, 08:54 Uhr

    Verdeckte Fahndung dauere «nicht länger als einen Monat», schreibt Dominic Graf. Dies gilt für den Kanton Luzern nicht. Da sieht der Gesetzesentwurf vor, dass die Polizei (=konkret jeder Polizeioffizier) «im Vorfeld von Strafverfahren eine verdeckte Fahndung anordnen» könne. Und dass nach einem Monat die Fortsetzung einer Genehmigung durch einen Polizeioffizer bedürfe und dann weiter: «Sie (=die Genehmigung) kann einmal oder mehrmals um jeweils einen Monat verlängert werden.» Im Klartext: Sie dauert so lange die Polizei es will, eine Kontrolle durch ein Gericht oder eine andere Instanz fehlt. Es ist ein Vorschlag, der den Geruch des Polizeistaates mit sich führt.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon