Wo schon Ludwig II. und Nietzsche nächtigten

Da wohnt jemand im historischen Wagner-Haus?

Dieser Wohnsitz kann sich sehen lassen.

(Bild: zvg)

Ein Haus mit Geschichte, ein Haus der Kunst – das historische Wagner-Museum auf Tribschen ist eine Luzerner Berühmtheit. Da passt ein Künstlerpaar mit Nachwuchs perfekt rein. zentralplus lud sich zu Kaffee und Kuchen ein.

Fährt man mit dem Schiff ins Luzerner Seebecken ein, erscheint links das Wagner-Haus auf Tribschen majestätisch auf seinem Hügel. Doch nicht nur den Touristen und nautisch Interessierten ist das herrschaftliche Gebäude an märchenhafter Lage gut bekannt. Das Wagner-Museum auf Tribschen ist jedem Luzerner ein Begriff.

Sechs Jahre lang lebte und arbeitete der Komponist Richard Wagner gemeinsam mit seiner Frau Cosima und den Kindern hier. Das Haus war damals auch Treffpunkt prominenter Persönlichkeiten aus Wagners Freundeskreis wie Friedrich Nietzsche, Gottfried Semper oder der Bayernkönig Ludwig II. 

1872 verliess Wagner das im Spätmittelalter erbaute Gebäude und Luzern machte daraus 1933 ein Museum.

Besuch herzlich willkommen

Dass das Haus heute ein Museum beherbergt, das ist bekannt. Und viele Luzerner werden deshalb die Lichter, die spätabends aus dem obersten Stock scheinen, einem fleissigen Mitarbeiter des Museums zuschreiben. Doch falsch gedacht: Sie stammen von der Familie, die hier lebt.

Auch wir hätten nicht erwartet, dass hier gewohnt wird. Dementsprechend neugierig sind wir – und überrascht, als wir bei der Anfrage sofort zu Kaffee und Kuchen geladen werden.

Ein roter Teppich vor der Wohnungstür macht sich nicht schlecht.

Ein roter Teppich vor der Wohnungstür macht sich nicht schlecht.

(Bild: jav)

Hohe Erwartungen – werden erfüllt

Ein kleiner Abendspaziergang durch das Waldstück am See führt uns vor das Wagner-Museum. Die Sommerbar ist noch geschlossen, das Museum hat eben zugemacht – nur vereinzelte Jogger und Spaziergänger sind auf der Halbinsel unterwegs.

Wir klingeln bei «Arnold & Gisler». Geöffnet wird uns die Tür jedoch von der Kuratorin des Museums höchstpersönlich – sie ist eben dabei, die Ausstellung für heute abzuschliessen.

«Bei Konzerten kann man einfach die Wohnungstür offen lassen.»
Silvana Arnold

Sie schickt uns die alte Holztreppe hoch – über den roten Teppich in den dritten Stock des historischen Gebäudes. Roter Teppich bis an die Wohnungstür – schon mal nicht schlecht.

Die ganze Familie ist zu Hause: Rene Gisler und Silvana Arnold leben seit fünf Jahren im obersten Stock des Richard-Wagner-Hauses – gemeinsam mit ihrer Tochter Marilou, die exakt einen Monat nach ihrem Einzug in das historische Gebäude geboren wurde.

In der 3,5-Zimmerwohnung spielt sich viel vom Familienleben in der Küche ab.

In der 3,5-Zimmer-Wohnung spielt sich viel vom Familienleben in der Küche ab.

(Bild: jav)

Die Kostümdesignerin und der Sprachkünstler

Der 49-jährige Rene Gisler ist Künstler, Neologist und Dozent an der Luzerner Kunsthochschule. Seine Haupttätigkeit nennt er «Wörter erfinden» und in der Wohnung zeugen einige Arbeiten davon.

Silvana Arnold (38) arbeitet als Bühnen- und Kostümbildnerin schweizweit an diversen Stadttheatern, in der Freien Szene und hat zusätzlich noch ein Atelier, in welchem sie vor allem Accessoires aus Kaninchen- und Lammfell herstellt.

Seltsame Hobbys und Ahnenhilfe

Doch wie ist das Paar dazu gekommen, diese Wohnung abzustauben und das ganz ohne Wagner-Bezug? «Glück, Zufall, und wir haben die Ahnen um Hilfe gebeten», fasst Gisler zusammen. «Und eigenartige Hobbys muss man haben», betont er lachend. Beim Boule-Spielen sei ihm von der Wohnung erzählt worden.

«Die Natur, die Aussicht: Ich geniesse es jeden Tag.»
Rene Gisler

Vor der Familie hat die Museumsleiterin über acht Jahre in der ehemaligen Hauswartswohnung gelebt. Als sie sich schliesslich dazu entschied, die Wohnung, aber nicht den Job aufzugeben, musste schnell ein Nachmieter her und per Zufall waren die damals hochschwangere Silvana Arnold und Rene Gisler unter den ersten Interessenten, die davon erfuhren.

Zurückhaltend und gekonnt

Die Einrichtung der Wohnung über dem historischen Museum haben die beiden eher zurückhaltend gestaltet. Nur an wenigen Wänden hängt Kunst: schräge Plakatkunst aus Russland oder Kuba, Wortkunst von Gisler, spezielle Objekte, gestickte Sprüche und eine Fotografie von Arnolds Arbeiten.

Auch künstlerische Versuche der fünfjährigen Tochter haben es an die Wände geschafft und wirken zwischen den restlichen Stücken äusserst gekonnt und passend.

Die Wohnung selbst ist nicht weder gross noch prunkvoll. 3,5 Zimmer auf circa 75 Quadratmetern. Küche und Bad in den späten 60er-Jahren renoviert – vermutet Gisler. Einzig die schmucken Parkettböden zeugen von der Geschichte des Hauses und der Ausblick ist unschlagbar.

Kunst von allen.

Kunst von allen.

(Bild: jav)

Wagnerianer?

Wagner-Fan oder Musiker muss man nicht sein, um die Wohnung zu bekommen. Die Ausstellungen schauen sie sich aber natürlich an und sporadisch besucht die Familie auch andere Veranstaltungen des Museums. «Aber bei Konzerten kann man auch gut einfach die Wohnungstür offen lassen», so Arnold. Ein Streichquartett spielt, während man kocht oder ein Buch liest – wir können es uns lebhaft und nicht ganz ohne Neid vorstellen.

«Das alte Haus hat seine eigenen Geräusche, die Balken im Estrich über uns knarren und knirschen.»
Silvana Arnold

Doch nicht nur das Haus, auch das Drumherum geniesst die Familie in vollen Zügen. «Die Natur, die Aussicht, das morgendliche Kursschiff als Wecker bei offenem Fenster: Es nutzt sich nicht ab, ich geniesse es jeden Tag», schwärmt Gisler. Nach einem langen Blick aus dem Fenster beginnen die beiden über das Blütenstadium eines Baumes und über den Grünspecht zu fachsimpeln, den sie letztens beobachtet haben. Richtige Experten für Vegetation und Vögel scheinen sie zu sein, auch einen Vogelführer haben sie sich zugelegt.

Dem Kitsch entgegen

Die Natur, das Haus, der rote Teppich: Etwas kitschig sei es schon, hier zu leben, gibt Silvana Arnold zu. Doch die relativ kleine und wenig prunkvolle Wohnung steht dem wieder entgegen.

Zudem sei alles in der Wohnung krumm und schräg, denn das Haus senkt sich ab. Türrahmen verziehen sich über die Jahre und mussten schon mehrere Male angepasst werden. Viele Möbel stehen auf improvisierten, verschieden langen Beinen. Doch dieser Kontrast passt ganz gut zum historischen Drumherum – und viele Möbel hat die Familie sowieso nicht. Im alten riesigen Estrich wird selten Gebrauchtes untergestellt und die Arbeit bleibt in ihren beiden Ateliers in der Stadt.

Mutter und Tochter geniessen die Aussicht.

Mutter und Tochter geniessen die Aussicht.

(Bild: jav)

Im Sommer Menschenauflauf, im Winter die absolute Ruhe

Das Leben rund um das Museum herum habe sich in den letzten Jahren stark verändert, betont Arnold. «Tribschenstadt ist spürbar gewachsen. Vor fünf Jahren waren wir oft fast alleine auf der Wiese. Mittlerweile ist es an manchen Sommertagen beinahe so voll wie bei der Ufschötti. Und auch am Abend ist oft ganz schön was los am See und auf der Wiese vor dem Haus.» Nur frühmorgens, gleich nach dem Aufstehen, können sie heute noch alleine in den See springen.

Im Winter hingegen ist es noch immer sehr ruhig auf der Halbinsel. In den paar Monaten, wenn dann auch das Museum schliesst, ist die Familie ganz alleine im herrschaftlichen Haus zwischen See und Waldstück – abgesehen von vereinzelten Joggern oder Hündelern. Unheimlich werde es trotzdem nicht. «Das alte Haus hat seine eigenen Geräusche, die Balken im Estrich über uns knarren und knirschen, aber daran gewöhnt man sich gern», so Arnold.

Ja, daran könnte man sich definitiv gewöhnen.

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