Teilnehmerinnen aus Zug und Luzern erzählen

«Da dachte ich: Wow!» – Stimmen zur Frauensession in Bern

Die Zugerin Laura Dittli (links) an der Frauensession mit den Parteikolleginnen Gaby Schürch, Bundesrätin Viola Amherd, Sandra Stadler und Karin Stadelmann. (Bild: zvg)

Berührend, bewegend, bestärkend: So haben Frauen aus Luzern und Zug die letzten zwei Tage im Bundeshaus erlebt. Vier von ihnen berichten, was ihnen an der Frauensession besonders gefallen hat – von Gänsehautmomenten bis zu musikalischen Einlagen.

Während zwei Tagen gehört das Bundeshaus den Frauen. In der am Samstag zu Ende gegangenen Frauensession, der zweiten in der Geschichte der Schweiz, haben die 246 Teilnehmerinnen zahlreiche Forderungen diskutiert und verabschiedet (zentralplus berichtete). Insgesamt 23 Petitionen werden nun bei den eidgenössischen Räten eingereicht.

Mit dabei im Bundeshaus waren auch Frauen aus Luzern und Zug. Vier von ihnen erzählen gegenüber zentralplus in eigenen Worten, wie sie die Frauensession erlebt haben.

Caroline Rey ist 33-jährig, gelernte Schreinerin, soziokulturelle Animatorin und Mitglied der SP Stadt Luzern. Michelle Meyer ist 23-jährig, Studentin und Copräsidentin der Jungen Grünen Kanton Luzern. Die 30-jährige Laura Dittli ist Anwältin und Präsidentin von Die Mitte Kanton Zug. Michaela Allemann ist Künstlerin mit einem Atelier in Emmenbrücke und 56 Jahre alt.

Caroline Rey: «Zwei unglaublich inspirierende Tage»

«Es war ein sehr emotionaler Moment, so viele Frauen versammelt zu sehen. Insbesondere auch jene, die bereits bei der ersten Frauensession 1991 dabei waren. Imponiert hat mir das breite Wissen und die ‹Power›, die zu spüren waren.

Spannend fand ich die Eingangsrede der grünen Nationalrätin Irène Kälin. Sie erzählte zum Beispiel, dass ihr Mutterschaftsurlaub im Parlament einfach als unentschuldigte Absenz galt. Und dass es bis vor Kurzem gar kein Stillzimmer im Bundeshaus gab. Da dachte ich: Wow, wir sind im Bereich Gleichstellung noch gar nicht so weit wie gedacht.

Ich erlebte zahlreiche Gänsehautmomente. Besonders beim Open-Mic am Freitagabend, wo jede sich äussern konnte. Eine gute Freundin von mir hielt eine sehr berührende Rede zum Thema Rassismus und Diskriminierung. Viele Voten waren sehr vielfältig und bewegend, weil dadurch die Geschichten und Erlebnisse der einzelnen Frauen erfahrbar wurden.

Die Luzernerin Caroline Rey (rechts) mit ihrer Freundin Mandy Abou Shoak an der Frauensession. (Bild: zvg)

Mir persönlich wichtig war das Anliegen des Koordinationsabzugs. Auch weil ich selber direkt davon betroffen bin. Ich arbeite in verschiedenen Kleinstpensen, die zusammen aber doch ungefähr ein Pensum von 70 bis 90 Prozent ergeben. Trotzdem bin ich stark benachteiligt und kann viel weniger Geld in die Pensionskasse einzahlen. Eine Motion fordert, dass der Koordinationsabzug abgeschafft wird, was mich sehr freut.

Die zwei Tage waren unglaublich inspirierend. Sie haben mich motiviert, weiterhin aktiv an den politischen Prozessen teilzunehmen. Ich habe wirklich das Gefühl, wir machen einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung – und ich hoffe, diese zweite Frauensession wird nicht die letzte bleiben.»

Michelle Meyer: «Die Stimmung ist einzigartig»

«Freitagmorgen, 7 Uhr, die Teilnehmerinnen der zweiten Frauensession in der Geschichte der Schweiz trudeln nach und nach ein. 246 Frauen, neugierig und voller Vorfreude – es ist ein berührender Anblick. Wir sind bereit, uns das zu holen, was uns zusteht. Nach den ersten Begrüssungsreden spielt eine Band, der ganze Saal steht auf, klatscht mit und tanzt. Die Stimmung ist einzigartig.

Vier bundesrätliche Grüsse folgen im Verlauf des Tages, alle bestens genutzt als Werbespot für ihr jeweiliges Departement. Frauen sind schliesslich gefragt und insbesondere in Kaderstellen untervertreten, das weiss auch unsere Regierung. Aus diesem Grund hat die Frauensession unter anderem die Motion «Halbe-Halbe in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik)» verabschiedet, welche bis 2030 einen Frauenanteil von 50 Prozent anstrebt.

Michelle Meyer, Junge Grüne Luzern, Bundeshaus, Frauensession. (Bild: zvg)

Besonders emotional wird es bei der Motion zur Einführung politischer Rechte für Einwohnende ohne Schweizer Staatsbürgerschaft. Eine Betroffene erzählt davon, wie sie nach wie vor für ihre Einbürgerung kämpft. 26 Jahre in der Schweiz, ein ‹Bärner Meitschi› – wie sie sich selbst bezeichnete, aktiv in Vereinen und in der Politik, stand kurz vor der Einbürgerung und startete ihr Studium. Ihr Fehler: Sie wechselte fürs Studium den Kanton und muss nun wieder zehn Jahre warten.

Mit Standing Ovations und einigen feuchten Augen wird die Motion verabschiedet. Um 18.00 Uhr ist Schluss mit dem offiziellen Teil. Ich bin müde, aber voller Wärme und Hoffnung und freue mich aufs Nachtessen mit allen Grünen Teilnehmerinnen.»

Laura Dittli: «Ich bin gespannt, wie es weitergeht»

«Es war ein Privileg, an der eidgenössischen Frauensession teilnehmen zu dürfen. Es waren zwei intensive Tage mit vielen spannenden Diskussionen und Eindrücken aus dem Bundeshaus. Es war zudem ein guter Anlass für die Vernetzung mit Frauen aus anderen Landesteilen.

Zu Beginn der Session hat uns eine Frauen-Blasmusikband musikalisch eingestimmt. Die fätzige Blasmusik im Nationalratssaal war sehr cool. Weiter haben unsere drei Bundesrätinnen zu uns gesprochen und auf die Wichtigkeit der politischen Partizipation der Frauen aufmerksam gemacht. Bundesrätin Viola Amherd hat treffend gesagt, dass die Frauen, die nichts fordern, beim Wort genommen werden und nichts erhalten. 

Die Zuger Vertretung an der Frauensession: Laura Dittli (links) und Claudia Benninger.

Mein Fokus lag bei den sehr vielen Vorstössen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir haben eine Motion zur Einrichtung eines Fonds zur Finanzierung und zum Ausbau einer qualitativ hochstehenden Kinderbetreuungsinfrastruktur verabschiedet. Der Ergänzungsantrag von Claudia Benninger aus Hünenberg und mir, dass nur Kitas berücksichtigt werden, die keine Praktikantinnen beschäftigen (und damit ausnutzen), wurde abgelehnt. 

Weiter waren für mich die Förderung der MINT-Berufe sowie Verbesserungen in der Landwirtschaft, beispielsweise die soziale Absicherung der Bäuerinnen, zentrale Themen. Ich bin gespannt, wie die Vorstösse nun weiter im Parlament behandelt werden. Einige Vorhaben werden es wohl zu Recht nicht ganz einfach haben.»

Michaela Allemann: «Zusammen ein Stück Frauengeschichte schreiben»

«Ausgehend von meinem diesjährigen politischen Kunstprojekt ‹druckreif!#ch2021› – 50 im Bleisatz gedruckte Statements zu 50 Jahren Frauenstimmrecht in der Schweiz – beschloss ich, mich ins Frauenparlament wählen zu lassen. Als 56-jährige Frau war es für mich höchste Zeit, die noch immer uneingelösten Versprechen zur Gleichstellung zusammen mit jungen Frauen einzufordern.

Diese zwei Tage haben mich «geflasht» und tief beglückt! Ich erkannte: Wir schreiben nun die Geschichte der Pionierinnen weiter!

246 Frauen spiegelten aufs Beste die Diversität unserer Gesellschaft und machten diese Qualität nutzbar in allen engagiert und hoch professionell geführten Debatten. Die Konzentration war an beiden Tagen sehr hoch. Es war ein regelrechter Sitzungsmarathon, in dem die Arbeiten von acht Kommissionen vorgestellt, diskutiert und zur Abstimmung gebracht wurden. Dazwischen war es glücklicherweise möglich, in der Wandelhalle und in der Galerie des Alpes, wo wir vom Team von Crista Baumann (‹s’Bundeshaus Mami›) verwöhnt wurden, Netzwerke zu knüpfen und zu pflegen.

Michaela Allemann (Mitte) übergibt in der Wandelhalle Annik Jeiziner (links) und Medea Fux zum Dank ein Druckexemplar ihrer Statements. (Bild: zvg)

Der häufige Applaus im Saal war Ausdruck der gegenseitigen Solidarität und Ermutigung. Die Debatte um den Schutz von geschlechter-spezifischer Gewalt, die Aufzählung aller Ortschaften, in denen während dieses Jahres Frauen Opfer von Gewalttaten wurden, gingen mir unter die Haut. Ebenso nahe ging mir die Rede von Brigitte Kunz, die am Open Mic offen von ihrer Situation als Frau mit Behinderung sprach. Als schulische Heilpädagogin erkannte ich, wie bedeutsam die Umsetzung der Inklusion in der Gesellschaft ist.

Im Vorfeld der Session arbeitete ich in der Kommission für Wissenschaft mit. Ich lernte, zum Beispiel, dass sich ein Herzinfarkt bei einer Frau anders zeigt als bei einem Mann, dass Medikamente mehrheitlich an jungen Männern getestet werden und es deshalb zentral ist, dass die Hochschulen flächendeckend die Genderforschung etablieren. Ich bin stolz, dass unsere drei Motionen hohe Zustimmung fanden und nun mit allen anderen dem Parlament zur Weiterbearbeitung übergeben wurden.

Mein Kunstprojekt stiess ebenfalls auf gute Resonanz und einige Frauen aus meiner Kommission beteiligten sich sogar daran. Ich träume davon, dass alle 50 Statements eine Wand im öffentlichen Raum finden werden, um die Frauengeschichte nachhaltig zu erinnern und ins Zentrum zu setzen. Dass ich mit einer eigenen Rede zum Thema Chancengerechtigkeit das ‹letzte Wort› des ersten Sessionstages hatte, erfüllt mich mit Freude und Genugtuung.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Armando
    Armando, 31.10.2021, 20:30 Uhr

    Solange sich Frauen zusammen mit Frau BR Amherd fotografieren lassen, wird sich wohl wenig bis nichts an der Situation der Frauen ändern, denn Frau BR Amherd steht stellvertretend für eine konservative Familien- und Gesellschaftspolitik der katholisch-konservativen CVP, jetzt neu trendig «Mitte» genannt.

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  • Profilfoto von Rudolf 1
    Rudolf 1, 31.10.2021, 05:59 Uhr

    Man muss sich politisch gegen die willkürlichen Einbürgerungshindernisse einsetzen – nicht für das unsinnige Stimmrecht für Ausländerinnen*.

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