Luzern: Franziska Bitzi Staub will in den Stadtrat

CVP-Spitzenkandidatin hegt Zweifel an Tiefsteuerstrategie

Franziska Bitzi Staub beim Car-Hotspot am Schwanenplatz: Sie setzt sich für das Parking Musegg ein.

(Bild: jal)

Franziska Bitzi Staub möchte für die CVP den Stadtratssitz von Stefan Roth verteidigen. Sie steht für eine bürgerliche Finanzpolitik ein. Trotzdem kritisiert sie die Tiefsteuerstrategie des Kantons. Im Interview wehrt sie sich zudem gegen den SVP-Vorwurf, die CVP sei eine Windfahne.

In knapp drei Wochen wird der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Stefan Roth gekürt: Doch trotz des Endspurts verläuft der Wahlkampf ruhig. Das mag daran liegen, dass die Luzerner – Wähler und Parteien – nach den Wahlen im Frühling und Anfang Sommer etwas ermüdet sind. Ein anderer Grund dürfte aber auch sein, dass CVP-Fraktionschefin Franziska Bitzi Staub mit Abstand am meisten Chancen zugesprochen werden – ihre Widersacher, der 36-jährige Thomas Schärli (SVP) und der 53-jährige Rudolf Schweizer (parteilos), gelten als Aussenseiter.

zentralplus hat sich mit der 43-jährigen Franziska Bitzi Staub über die städtische Finanzlage und über ihren Velofahrstil unterhalten, ihr Wissen testet und gefragt, was sie von Thomas Schärlis Angriffen auf die CVP hält.

zentralplus: Knapp drei Wochen vor dem Wahlsonntag ist der Wahlkampf relativ ruhig. Das einzig Angriffige sind die Äusserungen ihres Konkurrenten, des SVP-Kandidaten Thomas Schärli, der die CVP als Windfahne und versteckte Linke bezeichnet. Was löst das bei Ihnen aus?

Bitzi Staub: Kopfschütteln. Denn es stimmt einfach nicht. In Finanz- und Wirtschaftsthemen hat unsere Fraktion in der ganzen letzten Legislatur immer mit den Bürgerlichen gestimmt. Nur weil ich finde, dass wir das Verkehrsproblem in der Innenstadt nicht mit mehr Förderung des Autoverkehrs lösen können, bin ich nicht links. Das ist eine Frage der Logik, denn die Strassenräume sind gebaut und ein Auto braucht nun halt mehr Platz als ein Velo.

Möchten am 27. November 2016 gewählt werden: Franziska Bitzi Staub (links, CVP), Thomas Schärli (SVP) und Rudolf Schweizer (Bilder: zVg).

Möchten am 27. November 2016 gewählt werden: Franziska Bitzi Staub (links, CVP), Thomas Schärli (SVP) und Rudolf Schweizer (Bilder: zVg).

zentralplus: Aber Sie haben in Ihrer Zeit im Stadtparlament sowohl Vorstösse der SVP als auch Vorstösse der SP mitunterzeichnet. Wo ist da die Linie?

Bitzi Staub: Es stimmt, dass ich mit diversen Seiten zusammenspanne. Ich habe meine Überzeugungen und suche mir dafür über Parteigrenzen hinweg Verbündete – und die sitzen je nach Thema anderswo.

«Ich bin grün und liberal – nur gab es diese Partei damals nicht.»

zentralplus: Wenn man Ihr Smartvote-Profil vom letzten Frühling anschaut, fällt auf: Bei über der Hälfte der Fragen antworten Sie mit «eher ja» oder «eher nein». Das passt zu diesem Vorwurf, dass man bei Ihnen nicht definitiv weiss, was man wählt.

Bitzi Staub: Das hängt mit der differenzierten Haltung zusammen, die ich vertrete, die aber schwierig zu verkaufen ist. Häufig sage ich: Ja, da bin ich dafür, aber die Rahmenbedingungen müssen so oder so sein. Bei Sachdiskussionen kann man das einbringen, aber nicht bei einem Fragebogen, wie jener, der Smartvote zugrunde liegt.

zentralplus: In der Stadt sind CVP-Wähler und -Politiker tendenziell linker, auf dem Land eher konservativ. Sie sind im Entlebuch aufgewachsen und leben nun in der Stadt. Wo sehen Sie sich in diesem Spannungsfeld?

Bitzi Staub: Bei Finanz- und Wirtschaftsthemen bin ich eher auf der konservativen Seite. Ich verlange Eigenverantwortung und bin dagegen, dass der Staat im Giesskannensystem Geld ausschüttet. Darum sind bei meinem Profil soziale Belange eher schwach ausgeprägt. Bei ökologischen Themen bin ich eher links. Ich würde sagen: Ich bin grün und liberal – nur gab es diese Partei bei meinem Einstieg in die Politik noch nicht.

zentralplus: Wenn Sie heute einer Partei beitreten müssten, würden Sie also bei der GLP landen?

Bitzi Staub: Das wäre nun eine gewagte Schlussfolgerung. Denn das Parteiprogramm ist nicht alles. Man muss sich daheim fühlen in einer Partei. Mein Umfeld war immer stark von der CVP geprägt – für mich bedeutet diese Partei also auch Heimat.

Inszeniert sich oft als Velofahrerin: Franziska Bitzi Staub.

Inszeniert sich oft als Velofahrerin: Franziska Bitzi Staub.

zentralplus: Welches sind die drei drängendsten Probleme, die Sie als Stadträtin anpacken würden?

Bitzi Staub: Den Verkehr. Die Schwierigkeiten sind zwar erkannt und die Stadt auf gutem Weg, aber der Verkehr ist aktuell ein grosses Problem, sei es mit der Carparkierung, sei es mit den Staus in Spitzenzeiten. Das zweite ist die Wirtschaft: Es sind kürzlich einige gewichtige Firmen weggezogen. Die Stadt soll nicht eine Wohn- und Schlafstadt mit musealem Charakter für die Touristen sein, sondern hier soll gelebt und gewirtschaftet werden. Dazu müssen wir noch mehr Werbung machen mit der Tiefsteuerstrategie des Kantons, um Firmen in der Stadt anzusiedeln.

zentralplus: Und der dritte Punkt?

Bitzi Staub: Das Wohnen: Es ist ein Problem, dass die Mieten und die Preise für Wohnungen massiv gestiegen sind. Einheimische, Jüngere oder Familien sollen nicht in die Agglomeration gedrängt werden, sondern auch in der Stadt wohnen können. Ich finde daher genossenschaftlichen Wohnungsbau in Luzern sehr wichtig.

zentralplus: Aber in Ihrem Smartvote-Profil haben Sie angegeben, dass Sie verstärkte Anstrengungen zur Beschleunigung des gemeinnützigen Wohnbaus eher ablehnen.

Bitzi Staub: (überlegt) Ja, weil in der Stadt Luzern der gemeinnützige Wohnungsbau schon eine lange Tradition hat. Ausserdem haben wir in der Stadt Luzern bereits beschlossen, den Anteil gemeinnütziger Wohnungen zu erhöhen. Dahinter stehe ich, aber das umzusetzen, ist bereits ein ehrgeiziges Ziel. Deshalb bin ich gegen eine darüber hinausgehende Förderung. Zudem braucht es preisgünstige Wohnungen nicht auf jedem Grundstück, manche Lagen sind dafür zu exklusiv.

«Ich posiere nicht mit dem Velo auf Fotos, um mich irgendwo anzubiedern.»

zentralplus: Zum Verkehr: Auf vielen Fotos sind Sie mit dem Velo abgebildet. Ist das auch eine bewusste Strategie, um die linken Stimmen abzuholen?

Bitzi Staub: Ich besass in meinem Leben noch nie ein eigenes Auto. Klar, ich kann Auto fahren, das gehört im Entlebuch zur Grundausbildung. Aber ich bin grundsätzlich mit dem öffentlichen Verkehr und in der Stadt mit dem Velo unterwegs. Ich mache das sicher nicht, um mich irgendwo anzubiedern.

Seit zwölf Jahren im Stadtparlament

Franziska Bitzi Staub ist seit 2004 im Stadtparlament, seit drei Jahren als CVP-Fraktionschefin. Zudem ist sie Mitglied der Geschäftsprüfungskommission.

Aufgewachsen ist Bitzi Staub im Entlebuch, während der Kantonsschule kam sie nach Luzern. Sie studierte an der Universität St. Gallen Rechtswissenschaften und machte anschliessend in Luzern das Anwaltspatent. Die 43-Jährige arbeitete von 2005 bis 2014 beim Finanzdepartement des Kantons Luzerns, zuletzt als Leiterin des Rechtsdienstes. Seit zwei Jahren ist sie Generalsekretärin der Direktion des Innern im Kanton Zug.

Bitzi Staub ist verheiratet und hat keine Kinder. Sie lebt im Tribschenquartier. Zu ihren Hobbys zählen Sport, Reisen und Lesen.

CVP, FDP, GLP und die Grünen empfehlen am 27. November Bitzi Staub zur Wahl. Sie ist damit die einzige Kandidatin, die von anderen Parteien unterstützt wird. Die SP hat Stimmfreigabe beschlossen.

zentralplus: Sie haben die Carparkplätze angesprochen. Wo sollen die hinkommen?

Bitzi Staub: Wir brauchen den Tagestourismus in Luzern. Die Touristen müssen möglichst nah am Zentrum ein- und aussteigen können. Sonst wird man unattraktiv und die Touristen weichen auf andere Destinationen aus – schliesslich hat Interlaken auch eine schöne Kulisse. Aber es hat teilweise zu viele Cars und es ist mancherorts gefährlich, etwa am Schwanenplatz. Ich sehe das Parking Musegg als Lösung. Auch kann man damit Oberflächenparkplätze unter den Boden bringen. Zudem ist es eine Chance, dass eine private Initiative entstanden ist und die Stadt es nicht mal selber zahlen müsste.

zentralplus: Doch das Parking Musegg ist mit viel Widerstand konfrontiert. Ist es für Sie einfach die beste aller schlechten Alternativen?

Bitzi Staub: Ich finde es keine schlechte Alternative. Dass ein solch grosses Bauprojekt knifflige Fragen aufwirft, ist normal. Aber ich sehe keine grossen Probleme. Probesprengungen zeigen beispielsweise: Die Angst, die Museggtürme würden zerstört, ist unbegründet. Klar ist das Musegg Parking für das betroffene Geissmattquartier wegen der Zufahrt unattraktiv. Aber bei einer Kanalisierung des Verkehrs lassen sich die Immissionen besser bekämpfen. Das ist insgesamt weniger schlimm, als wenn die Cars zehnmal über die Seebrücke fahren und Stau verursachen.

«Bisher hat die Tiefsteuerstrategie einfach nicht den erwarteten Erfolg gebracht.»

zentralplus: Sie ticken finanzpolitisch bürgerlich. Doch zur kantonalen Tiefsteuerstrategie haben Sie sich zuletzt kritisch geäussert. Braucht es eine Anpassung der Firmensteuersätze?

Bitzi Staub: Bisher hat die Tiefsteuerstrategie einfach nicht den erwarteten Erfolg gebracht: Dass die Zahlungen aus dem Finanzausgleich (NFA) derart zurückgingen, dass wir mehr Staatsanwälte brauchen, um Wirtschaftskriminalität zu bekämpfen: All die negativen Aspekte hat man zu wenig berücksichtigt, als man die Halbierung der Gewinnsteuern entschieden hat.

zentralplus: Wären Sie Finanzdirektorin des Kantons, würden Sie sich für eine Erhöhung der Firmensteuern stark machen?

Bitzi Staub: Nein, noch nicht, denn wichtig ist für die Unternehmen Stabilität, sie brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Aber ich hätte die Halbierung damals nicht beschlossen. Luzern müsste meiner Ansicht nach nicht zwingend die Nummer 1 sein bei den Firmensteuern, denn die anderen Standortfaktoren – Erreichbarkeit, Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte – sind genauso wichtig. Und das Verhältnis zwischen der Belastung der natürlichen Personen und der juristischen Personen finde ich nicht in Ordnung. Aber Tatsache ist: Wir haben diese Tiefsteuerstrategie und nun gilt es, sie zu unseren Gunsten zu nutzen.

 

Die strahlende Siegerin: Franziska Bitzi Staub wird für die CVP für den Luzerner Stadtrat kandidieren.

Die strahlende Siegerin: Franziska Bitzi Staub wird für die CVP für den Luzerner Stadtrat kandidieren.

zentralplus: Gutes Stichwort: Wir testen Ihr Finanzwissen. Mit wie hohen Steuereinnahmen von Firmen und natürlichen Personen rechnet die Stadt Luzern nächstes Jahr?

Bitzi Staub: Die Prognose geht von einem 3-Prozent-Wachstum aus. Aber in absoluten Zahlen weiss ich es nicht, solche Dinge schlage ich jeweils nach (sie zieht einen Stapel Unterlagen hervor, darunter das städtische Budget 2017, und blättert kurz). Also für die natürlichen Personen sind es knapp 263 Millionen, bei den Firmen 47 Millionen.

zentralplus: Zweite Quizfrage: Wie viele Arbeitsplätze gibt es in der Stadt Luzern?

Bitzi Staub: Die sind angestiegen, inzwischen haben wir fast gleich viele Arbeitsplätze wie Einwohner, also rund 80’000. (Anmerkung der Redaktion: Das ist richtig, es waren Ende 2014 rund 80’000, was zirka 60’000 Vollzeitstellen entsprach.)

zentralplus: Mit dem Konsolidierungsprogramm 17 (KP17) des Kantons könnten Kosten in Millionenhöhe auf die Stadt zukommen. Muss die Bevölkerung den Preis für die Tiefsteuerstrategie zahlen?

Bitzi Staub: Es wäre zu kurz gegriffen, die Tiefsteuerstrategie alleine dafür verantwortlich zu machen. Wir haben zwar deswegen einen Rückgang bei den NFA-Zahlungen, aber wir haben auch steigende Ausgaben im Sozialen und im Gesundheitsbereich, im Asylbereich, aber auch in der Bildung. Das sind exogene Faktoren, die der Kanton nicht selber steuern und voraussehen konnte.

«Das Problem ist, dass ein Sparpaket dem nächsten folgt.»

zentralplus: Die Gemeinden wehren sich gegen KP17. Würden Sie als städtische Finanzdirektorin den Widerstand mittragen?

Bitzi Staub: Ja. Denn die Gemeinden werden vor vollendete Tatsachen gestellt, sodass es für jeglichen Diskurs zu spät ist. Dieser Prozess müsste partnerschaftlicher gestaltet werden. Das Problem ist jedoch, dass ein Sparpaket dem nächsten folgt. Weil die Erarbeitung immer schneller gehen muss, sind sie weder gut abgestützt noch mit den Betroffenen abgesprochen.

zentralplus: Als Stadträtin hätten Sie wieder mit dem kantonalen Finanzdirektor Marcel Schwerzmann zu tun, mit dem Sie während Ihrer Zeit als Leiterin des Rechtsdienstes zusammengearbeitet haben. Wie war Ihr Verhältnis?

Bitzi Staub: Er war nie mein direkter Vorgesetzter. Als Leiterin des Rechtsdienstes musste ich ihn auf rechtliche Rahmenbedingungen oder Risiken aufmerksam machen. Aufgrund meiner Rolle als «Compliance Officer» waren wir daher nicht immer gleicher Meinung, aber ich sehe keine Probleme für eine Zusammenarbeit.

Franziska Bitzi Staub will den Sitz des abtretenden Stadtrats Stefan Roth erobern.

Franziska Bitzi Staub will den Sitz des abtretenden Stadtrats Stefan Roth erobern.

(Bild: les)

zentralplus: Die Stadt Luzern steht finanziell wieder sehr gut da. Man rechnet für das laufende Jahr mit 22 Millionen mehr als erwartet und für 2017 ebenfalls mit einem Gewinn von 8 Millionen Franken – dies, nachdem erst im letzten Februar ein Sparpaket an der Urne verabschiedet wurde. Zeit also, um einige Sparmassnahmen rückgängig zu machen?

Bitzi Staub: Das ist eine gute Frage. Ich weiss nicht, ob das Volk gleich entschieden hätte, wenn man die ausserordentlichen Erträge, die jetzt eintrafen, bereits gekannt hätte. Aber ich bin dagegen, im Nachhinein aus diesem politisch ausgehandelten Paket selektiv Sparmassnahmen rückgängig zu machen. Ich bin eher dafür, das als Handlungsspielraum für anstehende Investitionen und Projekte anzusehen und diese Gewinne so für die nächste Generation zu investieren.

zentralplus: Stefan Roth wurde oft von den Linken vorgeworfen, zu pessimistisch zu budgetieren und auf Vorrat zu sparen.

Bitzi Staub: Dieser Vorwurf ist nicht gerechtfertigt. Die Gewinne beruhten auf vielen einmaligen Faktoren wie beispielsweise der Auslagerung der Heime und Alterssiedlungen, Erbschafts- oder Grundstückgewinnsteuern. Klar könnte man – und das tönt jetzt makaber – eine Liste der vermögenden älteren Leute erstellen, aber letztlich ist es schwierig, diese Effekte vorherzusagen. Es ist wichtig, zu probieren, die Prognosen genauer zu machen. Aber zu sagen, es sei bewusst pessimistisch budgetiert worden, ist falsch.

zentralplus: Würden Sie diese pessimistische Budgetierungsstrategie als Finanzdirektorin weiterführen?

Bitzi Staub: Es ist die Pflicht eines Finanzdirektors oder einer Finanzdirektorin, vorsichtig zu budgetieren. Man stelle sich das Gegenteil vor: Man würde von Einnahmeausfällen überrascht, wie das jetzt beim Kanton der Fall war. Das finde ich viel schlimmer.

«In Zukunft werde ich das Velo wahrscheinlich schieben, um keinen Anstoss zu erregen.»

zentralplus: Angesichts der guten Aussichten: Sind die Sparzeiten – zumindest für die nächsten Jahre – in der Stadt vorbei?

Bitzi Staub: Das hoffe ich sehr. Allerdings sind wir nicht auf Rosen gebettet, denn mit dem KP17 oder der Unternehmenssteuerreform III kann sich die Ausgangslage leider schnell ändern.

zentralplus: Sie stehen durch die Exekutivwahl als Person stärker im Rampenlicht. Wie ist das für Sie?

Bitzi Staub: Ich bin lange genug in der Politik, um zu wissen, dass man dadurch stärker im Fokus ist (überlegt). Aber mir war wohl nicht wirklich bewusst, was es bedeutet – und ich suche das auch nicht. Wenn man zu einer Person des öffentlichen Interesses wird, ist die Privatsphäre nicht mehr dieselbe.

zentralplus: Wie meinen Sie das?

Bitzi Staub: Ich kann zum Beispiel bei mir ums Haus nicht direkt mit dem Velo auf die Strasse fahren, weil der Weg zum Veloständer übers Trottoir führt. Schiebe ich das Velo 20 Meter oder fahre ich, wenn kein Mensch auf dem Trottoir ist? In Zukunft werde ich das Velo wahrscheinlich schieben, um keinen Anstoss zu erregen (lacht).

zentralplus: Wenn man sich umhört, rühmen viele Ihre Kompetenz und Ihr Fachwissen. Manche erleben Sie aber auch als unnahbar und etwas abgehoben.

Bitzi Staub: (zögert) Es ist mir bekannt, dass man das von mir sagt. Offenbar habe ich diese Wirkung – und das bedaure ich. Wer mich kennt, weiss jedoch, dass ich umgänglich bin und wenig Berührungsängste habe.

«Inzwischen bin ich der Überzeugung, dass es in gewissen Branchen und Gremien eine Frauenquote braucht.»

zentralplus: Sie sind seit über zehn Jahren im Luzerner Stadtparlament. Woher kommt Ihr Interesse an der Politik?

Bitzi Staub: 1992 bei der Abstimmung über den EWR-Beitritt, den Europäischen Wirtschaftsraum, hat mich dieses Virus gepackt. Es war die Zeit des Aufstiegs von Christoph Blocher, und ich habe damals im Entlebuch gemerkt, wie die kontrovers diskutierte EWR-Frage die Bevölkerung entzweit. Für mich war klar: Da muss man sich engagieren. Ähnlich erging es mir später bei der Abstimmung zur Mutterschaftsversicherung, wo ich mich fragte: Wie kann man das nur anders sehen?

zentralplus: Wie sahen Sie es denn damals?

Bitzi Staub: Ich war für den EWR-Beitritt und denke noch heute, dass dies eine gute Lösung gewesen wäre und sich die EU-Frage dadurch anders entwickelt hätte. Auch die Mutterschaftsversicherung unterstützte ich, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist mir nach wie vor ein grosses Anliegen.

zentralplus: Haben sich Ihre politischen Haltungen seither verändert?

Bitzi Staub: Ich habe, wie andere Politiker wohl auch, einige Meinungen justiert, natürlich auch, weil die Welt nicht stehen geblieben ist. Ein Beispiel: Als ich 1999 für den Nationalrat kandidierte, war ich die beste nicht gewählte Frau auf der Liste. Nach dem Wahlsonntag wurde ich deshalb gefragt, ob ich für eine Frauenquote sei, weil ich dann gewählt wäre. Damals, gleich nach dem Studium, war für mich klar: Wenn Frauen etwas wollen, können sie das erreichen. Inzwischen bin ich der Überzeugung, dass es in gewissen Branchen und Gremien eine Quote braucht, um Frauen den Einstieg überhaupt zu ermöglichen. Ich finde das tragisch, aber die letzten 20 Jahre haben gezeigt, dass es auf Freiwilligkeitsbasis nicht funktioniert. In anderen Fragen bin ich weniger links, beispielsweise bin ich seit vielen Jahren gegen den EU-Beitritt.

 

 

Hinweis: Das Interview mit Rudolf Schweizer folgt demnächst.

Das Interview mit SVP-Stadtratskandidat Thomas Schärli: «Gebranntes Kind der CVP» will Luzerner Theater schliessen

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Walter Albrecht
    Walter Albrecht, 17.11.2016, 12:47 Uhr

    Eine Politikerin, die nicht mit Schlagworten um sich wirft und lösungsorientiert arbeiten wird.
    Da sie sich für verkehrspolitisch engagiert, wäre es naheliegend, wenn sie das Projekt Metro genauer anschauen würde. Wenn es vom Bahnhof Emmenbrücke zum Bahnhof Luzern verwirklicht
    würde, hätte die Region auf einen Schlag, viele Verkehrsprobleme gelöst.

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