Gegen Ergänzungsleistungen für Familien

CVP setzt sich nur selektiv für Familien ein

Früher sprach man einfach von armen Leuten. Eine Grossfamilie, fotografiert von Peter Ammon, 1963. (Bild: Peter Ammon/AURA)

Im Kanton Luzern sollen arme Familien nicht mit Ergänzungsleistungen unterstützt werden. Der Regierungsrat lehnt eine Initiative aus grünen Kreisen ab. Guido Graf (CVP), Vorsteher des Sozial- und Gesundheitsdepartements, vertritt die Gesamtregierung. Trotzdem fragen wir: Wie lässt sich die Ablehnung mit der CVP-Familienpolitik vereinbaren? Und was sagen CVP-Frauen und die Initianten dazu?

Die Gesetzesinitiative war 2013 als allgemeine Anregung von Grünen und Jungen Grünen eingereicht worden. Ihr Titel lautet «Kinder fördern – Eltern stützen, Ergänzungsleistungen für Familien». Verlangt werden Ergänzungsleistungen für Familien mit geringem Einkommen. Die Initianten verweisen darauf, dass 2011 die Eltern von rund 2’500 Kindern im Kanton Luzern Sozialhilfe erhielten. Mit Ergänzungsleistungen könne verhindert werden, dass Familien unter die Armutsgrenze fielen und Sozialhilfe beziehen müssten.

Der Luzerner Regierungsrat teilt die Argumente der Initianten nicht. Er beantragt dem Kantonsrat, die Initiative abzulehnen und den Stimmberechtigten auch keinen Gegenvorschlag zu unterbreiten. Also ein kompromissloses Nein. Hauptargument sind die Kosten, welche die Ergänzungsleistungen bei Kanton und Gemeinden verursachten. «Dieser finanzielle Aufwand wäre unverhältnismässig», sagt Regierungsrat Guido Graf. «Weder der Kanton noch die Gemeinden können sich eine solche neue Hilfe leisten.» Allerdings sind die Kosten sehr vage ausgewiesen – je nach Berechnungsmodell (der Regierungsrat liess drei Modelle durchrechnen) betragen sie zwischen fünf und 58 Millionen Franken.

Guido Graf betont, dass er in dieser Frage die Meinung des Gesamtregierungsrats zu vertreten habe, sagt er zentral+. Seine eigene Meinung will er nicht kundtun.

CVP-Fraktionschef: «Nicht möglichst viele Zulagen ausschütten»

Ludwig Peyer, CVP-Fraktionschef im Luzerner Kantonsrat, verteidigt den Entscheid der Regierung. Auch wenn seine Partei familienfreundlich politisiere. «Eine gute Familienpolitik heisst nicht einfach möglichst viele Zulagen an Familien auszuschütten, sondern besteht in einem Mix verschiedenster Massnahmen», sagt Peyer. Er spricht von Zulagen nach dem Giesskannenprinzip. Würden Ergänzungsleistungen denn nicht in diesen Mix hinein passen? Das könne er noch nicht sagen, meint der CVP-Politiker. «Es kann sein, dass – wie bei allen Ergänzungsleistungen – der bürokratische Aufwand sehr hoch ist und ein System wie beispielsweise steuerfreie Kinderzulagen oder die Befreiung der Kinder von den Krankenkassen-Prämien einfacher umzusetzen wären.»

CVP: Familienpolitik für Mittelstand

Die CVP hat sich bekanntlich die Familienförderung auf die Fahne geschrieben. Ihre eigene nationale «Familieninitiative» kommt am 8. März zur Abstimmung. Die Initiative fordert, dass die Kinder- und Ausbildungszulagen auf Bundes-, Kantons und Gemeindeebene von den Steuern befreit werden. Die Steuerausfälle auf Bundesebene bei einer Annahme der Initiative werden auf rund 200 Millionen Franken geschätzt, auf Kantons- und Gemeindeebene auf 750 Millionen Franken. An der Initiative wird von links bis ganz rechts (SVP) kritisiert, dass vor allem einkommensstarke Familien von der Entlastung profitieren würden. Die «Working Poor» hingegen müssten darunter leiden, dass die Kantone und Gemeinden die resultierenden Steuerausfälle durch Einsparungen beim Service public wieder kompensieren müssten.

Die CVP-Fraktion habe die Initiative noch nicht diskutiert, fügt Peyer hinzu. «Ich persönlich bin skeptisch, da noch viele Fragen offen sind, insbesondere diejenige zu den Kosten.» Aufgrund dessen wird es die Initiative gemäss Peyer eher schwierig haben in der christdemokratischen Fraktion. Er kritisiert die Vagheit des Vorstosses: «Die Initiative ist als allgemeine Anregung nicht genügend ausformuliert und lässt viel Spielraum offen. Je nachdem, wie man sie ausgestaltet, kostet es mehr oder weniger. Ich meine, die Initianten sollten sagen, was sie genau wollen», findet Ludwig Peyer.

Grünen-Kantonsrat: «Peinlich»

Die Kritik von Peyer lässt Michael Töngi nicht gelten. «Wir haben die Initiative bewusst nicht ausformuliert, die CVP weiss ganz genau wieso», sagt der grüne Kantonsrat und Regierungsratskandidat. So könne das Parlament verschiedene Modelle und Ansätze ausdiskutieren. Zum Vorwurf der Zulagen nach dem «Giesskannenprinzips» meint Töngi, dieses Argument sei eher peinlich. «Das Geld würde nicht mit der Giesskanne verteilt, sondern sehr gezielt an Familien, deren Einkommen nicht ausreicht, und die sonst beim Sozialamt landen würden.»

Die neue Unterstützung soll sich an den Ergänzungsleistungen zur AHV und IV orientieren und im Verbund von Kanton und Gemeinden getragen werden. Bei der Umsetzung soll darauf geachtet werden, dass Arbeitsanreize geschaffen und Schwelleneffekte vermieden werden. Der Regierungsrat stellt sich auf den Standpunkt, dass Luzern den einkommensschwachen Familien bereits ausreichend substanzielle Hilfe gewähre, dies in Form von Steuerabzügen oder Beitragszahlungen.

CVP-Frauen: Hinweis auf neue Studie

Und was sagen die CVP-Frauen? Auch sie ständen Ergänzungsleistungen für Familien skeptisch gegenüber, sagt die frisch vereidigte CVP-Kantonsrätin Claudia Bernasconi. Sie ist Gemeindepräsidentin in Greppen. «Als Gemeindepräsidentin bin ich froh, wenn der Kanton und die Gemeinden nicht noch mehr finanziell belastet werden. Es gibt fast keine Gemeinde im Kanton, der es sonderlich gut geht», sagt sie.
Als CVP-Frau hoffe sie auf die Annahme der nationalen Familieninitiative ihrer Partei, sagt Bernasconi. «Wir finden es ungerecht, dass die Kinderzulagen überhaupt besteuert werden». Zu den prognostizierten Steuerausfällen findet die Kantonsrätin, ein Teil des Geldes werde wieder in den Konsum zurück fliessen. Bernasconi gibt ausserdem zu bedenken, «dass es Haushalten mit tiefem Einkommen paradoxerweise teilweise besser geht als dem Mittelstand.» (Der «Tages-Anzeiger» hat diese Tage eine Studie dazu ausgewertet).

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1 Kommentar
  • Profilfoto von GianWaldvogel
    GianWaldvogel, 02.02.2015, 17:52 Uhr

    Die CVP Luzern wirft der Initiative «Ergänzungsleitungen für Familien» der Grünen und Jungen Grünen vor, sie verteile Gelder im Giesskannenprinzip. Der Vorwurf ist unhaltbar, im Gegenteil, das Modell unterstützt gezielt einkommensschwache Familien im Kanton Luzern. Sehr wohl nach dem Giesskannenprinzip funktioniert die Familieninitiative der CVP, dort profitieren jedoch gerade die ärmeren Familien aber kaum oder gar nicht. Die CVP ist keine Familienpartei sondern eine Reichen-Partei.

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