Steigende Fallzahlen bei Jungen

Covid an Schulen: Wie viel Schutz brauchen die Kinder?

Nach den steigenden Fallzahlen an den Schulen führen manche Kantone wieder die Maskenpflicht ein. (Symbolbild: Unsplash/Kelly Sikkema)

Mit dem Schulstart ist das Coronavirus zurück: Kinder und Jugendliche stecken sich derzeit oft mit dem Virus an. Darüber könne niemand überrascht sein, sagt ein Zuger Politiker und fordert bessere Schutzmassnahmen. Doch noch ist unklar, wie gefährdet die Jüngsten sind.

Der Sommer ist vorbei, die Ferienzeit zu Ende. In Zug gehen Kinder und Jugendliche seit drei Wochen wieder zur Schule. Jetzt zeigt sich: Viele haben nicht nur schöne Erinnerungen und Souvenirs aus dem Urlaub nach Hause gebracht, sondern auch das Virus.

Das schlägt sich in den Fallzahlen nieder. Im Kanton Luzern sind an den Volksschulen derzeit 26 Klassen in Quarantäne, 155 Schülerinnen und Schüler sind in Isolation. Auch im Kanton Zug betraf in den letzten zwei Augustwochen über ein Drittel der Fälle unter 20-Jährige. Zug und Luzern sind keine Einzelfälle.

Landauf, landab wird über Klassen in Quarantäne berichtet. Die 10- bis 19-Jährigen, das zeigt ein Blick in die Statistik, steckten sich in der Schweiz zuletzt verhältnismässig am häufigsten mit Corona an. Das dürfte, so viel ist inzwischen klar, mit dem Schulbetrieb zu tun haben.

Erste Kantone reagieren deshalb. Luzern hat am Freitag beschlossen, dass Kinder ab der 5. Klasse ab nächstem Montag wieder eine Maske tragen müssen (zentralplus berichtete).

Petition fordert mehr Schutz

Inzwischen werden zunehmend Stimmen laut, die einen besseren Schutz für Kinder fordern. Unter dem Hashtag #Protecthekids werden derzeit Unterschriften für eine Petition gesammelt, die sich an die kantonale Erziehungsdirektorenkonferenz richtet.

«Es kann niemand überrascht sein, dass es an den Schulen jetzt so viele Fälle und Quarantänen gibt.»

Stefan Thöni, Politiker

Unterstützt wird diese auch vom Zuger Politiker Stefan Thöni «Es kann niemand überrascht sein, dass es an den Schulen jetzt so viele Fälle und Quarantänen gibt», sagt der Präsident der Partei Parat. Die Experten hätten schon lange darauf hingewiesen, dass sich das Virus vorwiegend dort verbreite, wo viele ungeimpft seien – und das ist an den Schulen zwangsläufig der Fall. Denn unter 12-Jährige können sich nicht impfen lassen, Jugendliche erst seit wenigen Wochen.

Luftfilter kommen nur vereinzelt zum Einsatz

Für Thöni ist klar: «Es braucht in allen Klassenzimmern CO2-Ampeln und Luftfilter. Das sind zwei Massnahmen, die keinem Kind weh tun.» Ebenso seien regelmässige Spucktests und die Maskenpflicht nötig. Dass Letztere bei vielen Betroffenen und ihren Eltern auf Widerstand stossen, ist Thöni bewusst. «Ich kann nachvollziehen, dass Masken nicht so beliebt sind, aber sie sind erwiesenermassen sehr wirkungsvoll.»

Für stärkere Massnahmen plädieren auch Lehrerverbände sowie die Taskforce des Bundes. Letztere forderte bereits Mitte August einen gezielteren Schutz der Jungen, die sich nicht impfen lassen können. Konkret genannt wurden ebenfalls Luftfilter und Messanlagen – weil ausser den Kosten wenig gegen die technische Aufrüstung spricht – sowie regelmässiges Testen.

Dennoch leisten dieser Empfehlung viele Kantone nicht Folge. Obwohl für die Kinder ein angenehmes Mittel, kommen CO2-Messgeräte im Kanton Zug nur vereinzelt zum Einsatz, um Lehrer fürs Lüften zu sensibilisieren. Vorgeschrieben sind die Geräte nicht. Der Kanton Luzern hat derweil nach den Sommerferien in einzelnen Schulhäusern ein Pilotprojekt mit Messgeräten gestartet. Eine erste Auswertung zeigte kürzlich, dass nicht überall gut genug gelüftet wird (zentralplus berichtete).

Zumindest in einem Punkt sind sich derweil alle einig: Die Schulen sollen offen bleiben. Denn eine Schliessung wie im ersten Lockdown hätte zu einschneidende Folgen für Psyche und Bildung.

Wie gefährlich ist Covid für Kinder?

Was die gesundheitlichen Risiken einer Corona-Erkrankung für Kinder angeht, sind hingegen noch viele Fragen offen. Gemäss der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes erleben die meisten Kinder leichte Verläufe, selten gebe es jedoch auch schwere Erkrankungen. Das bestätigt der Experte vom Luzerner Kantonsspital. «Im Verlauf der Pandemie gab es im Kinderspital bisher einen Fall, wo man von einem schweren Krankheitsverlauf sprechen kann», sagt Michael Büttcher, Leitender Arzt und Kinderinfektiologe im Luzerner Kinderspital.

«Im Dezember 2020 hat das Kinderspital des Luzerner Kantonsspitals erstmals das Syndrom PIMS diagnostiziert.»

Michael Büttcher, Kinderspital Luzern

In letzter Zeit vermehrt registriert wurde bei Kindern das sogenannte PIMS-Syndrom, eine schwere Entzündungskrankheit. «Im Dezember 2020 hat das Kinderspital des Luzerner Kantonsspitals erstmals das Syndrom PIMS diagnostiziert», sagt Kinderarzt Michael Büttcher. Die Fälle lägen im einstelligen Bereich. Das Luzerner Kinderspital nimmt an einer internationalen Studie teil, um dieses neue Krankheitsbild zu erforschen.

Noch Gegenstand der Forschung sind darüber hinaus die langfristigen Folgen einer Covid-Erkrankung. «Auch Kinder können an Long Covid erkranken», sagte Taskforce-Präsidentin Tanja Stalder an einer Medienkonferenz Mitte August. Die Taskforce hält aber fest, dass weiter unklar sei, in welchem Umfang Kinder betroffen seien. Diese Ansicht teilt Michael Büttcher vom Luzerner Kantonsspital: «Zurzeit weiss man sehr wenig zu Long Covid bei Kindern, da dieses Phänomen bei Kindern bisher noch nicht häufig beobachtet wurde.»

Kanton Zug will die Schraube nicht anziehen

Welchem Risiko Kinder in Klassenzimmern ausgesetzt sind, ist aufgrund der Faktenlage also nicht einfach zu beantworten. Auch wenn Kinder in aller Regel keine schweren Krankheitsverläufe erleben, sind für den Zuger Stefan Thöni striktere Massnahmen verhältnismässig und nötig. «Jedes Kind, das Long Covid hat, ist eines zu viel. Auch wenn noch viele Fragen wissenschaftlich ungeklärt sind, müssen wir auf der Seite der Vorsicht sein», sagt Thöni.

Zum gesundheitlichen Aspekt kommt die epidemiologische Lage. Die Zahlen der letzten Wochen zeigen laut Thöni, dass sich das Virus über die Schulen verbreite – und die frühere Aussage, wonach Kinder kein Treiber der Pandemie seien, durch die Deltavariante in Frage gestellt wird.

Das bestätigt die wissenschaftliche Taskforce des Bundes. Es sei zu erwarten, hielt sie am 24. August fest, dass sich aufgrund der höheren Übertragbarkeit von Delta und der tiefen Impfquote bei den Jungen noch mehr in dieser Altersgruppe anstecken – und das die epidemiologische Beschleunigung begünstigt. «Ob die vorhandenen, aber regional stark unterschiedlichen Schutzkonzepte eine genügende Bremswirkung erzeugen, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.» 

Manche Kantone passen ihre Schutzkonzepte jetzt an, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Im Unterschied zu Luzern ist eine Einführung der Maskenpflicht in Zug jedoch kein Thema. Da ab der 4. Klasse Reihentests durchgeführt werden, entdecke man Personen, bevor sie ansteckend seien, sagt Lukas Fürrer von der Bildungsdirektion. 98 Prozent der infrage kommenden Schülerinnen und Lehrer würden daran teilnehmen. Auch wenn die Schule mit Forderungen von allen Seiten konfrontiert ist: Diese hohe Quote nimmt man im Kanton Zug als Indiz, dass die Eltern den gewählten «Mittelweg» unterstützen. Die aktuellen Massnahmen, schliesst Lukas Fürrer, seien dem Risiko angemessen – auch mit Blick auf die unter 12-Jährigen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 04.09.2021, 17:20 Uhr

    Diejenigen ohne Kinder haben die erste Antwortmöglichkeit gewählt…

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    • Profilfoto von Mary
      Mary, 05.09.2021, 15:53 Uhr

      Nein, die klar denkenden Eltern, welche ihre Kinder schützen wollen, haben die erste Antwort gewählt! Und jene, die auf nichts verzichten und sich nicht einschränken wollen haben Antwort 2 gewählt. Die möglichen zusätzlichen Schutzmassnahmen stören & gefährden nämlich auch KEIN Kind!

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