Zuger Kantonsarzt lehnt 2G-Regel ab

Corona-Zahlen steigen: Herr Hauri, hört das denn nie auf?

Der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri geht davon aus, dass sich die Lage im Frühling 2022 entspannt. (Bild: Screenshot Youtube)

2G-Regime und Lockdown für Ungeimpfte: Während unsere Nachbarländer die Schraube anziehen, steigen auch in der Schweiz die Corona-Fallzahlen. Was heisst das? Wie sieht die Lage in den Zentralschweizer Spitälern aus? Und drohen neue Verschärfungen? Antworten auf die zehn drängendsten Fragen.

Österreich entscheidet diesen Sonntag über einen Lockdown für Ungeimpfte und führt die Impfpflicht für Gesundheitsberufe ein. In Deutschland, wo mehrere Bundesländer die 2G-Regel ausweiten, spricht das Robert-Koch-Institut von einer besorgniserregenden Entwicklung des Infektionsgeschehens. Und Dänemark, eines der Vorzeigeländer, muss nach dem im September verkündeten Ende der Pandemie wieder Corona-Massnahmen einführen.

Ach, seufzen wir! Die Coronapandemie hat uns wieder voll im Griff. Auch in der Schweiz, wo die Abstimmung über das Covid-Gesetz in zwei Wochen ohnehin schon an den Nerven zerrt. Am Freitag meldete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 3922 Fälle. Im 7-Tage-Schnitt sind das laut SRF satte 48 Prozent mehr als in der Vorwoche.

zentralplus hat bei Fachpersonen aus der Zentralschweiz nachgefragt, wie die aktuelle Situation einzuschätzen ist. Die Antworten auf zehn aktuelle Fragen.

1. Die Fallzahlen steigen: Wie sieht die Situation in Zug und Luzern aus?

Sowohl im Kanton Luzern als auch im Kanton Zug steigen die Fallzahlen seit Ende Oktober ebenfalls wieder deutlich an. «Wir befinden uns in einer unerfreulichen und kritischen Lage in dieser Pandemie», sagt der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri. «Die durchschnittlichen Fallzahlen steigen seit mehreren Wochen und mit steigendem Tempo an.»

Im Kanton Luzern sind diese Woche an einem Tag erstmal wieder so viele neue Ansteckungen gemeldet worden wie zuletzt im Januar 2021. Aufgrund der Impfungen sind für neuerliche Massnahmen aber nicht die absoluten Zahlen ausschlaggebend, sondern die Situation in den Spitälern (siehe Frage 4).

2. Wie konnte es so weit kommen?

«Die Impfquote ist leider nicht so hoch, dass die Virusaktivität genügend gebremst werden kann», sagt der Zuger Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der Schweiz.

Knapp ein Drittel der Bevölkerung sei nach wie vor nicht geimpft und unter diesen Personen zirkuliere das Virus besonders stark. «Dies wird durch das kältere Wetter beschleunigt, da sich die Menschen jetzt mehr in Innenräumen aufhalten», sagt Hauri. Bei den geimpften Personen stelle man auch Infektionen fest. «Diese verlaufen aber in fast allen Fällen mild.» 

3. Wie läufts mit den Impfungen?

Derzeit haben knapp zwei Drittel – 64,7 Prozent der Bevölkerung – zwei Impfungen erhalten, wie das BAG auf seiner Webseite festhält (Stand: 12. November). Wie sehr die nationale Impfwoche, die diesen Sonntag endet, den Wert nach oben schrauben konnte, muss sich noch zeigen. In der Region stiessen die Angebote teilweise auf durchzogenes Interesse (zentralplus berichtete).

«Die Covid-19-Situation am Luzerner Kantonsspital hat sich stabilisiert. Dazu hat auch die Impfung beigetragen, welche insbesondere vor schweren Erkrankungen schützt.»

Markus von Rotz, LUKS-Sprecher

Im Kanton Luzern liegt die Quote mit 63.35 Prozent leicht unter dem nationalen Schnitt, in Zug mit 65.57 Prozent leicht darüber. Doch für Experten ist klar: Das reicht nicht, um die Verbreitung des Virus effektiv einzudämmen.

4. Wie ist die Lage in den Spitälern?

Im Kantonsspital Luzern lagen am Freitag 41 Patienten mit einer Covid-Infektion. Die Situation habe sich seit einigen Wochen stabilisiert, sagt Sprecher Markus von Rotz. «Dazu hat auch die Impfung beigetragen, welche insbesondere vor schweren Erkrankungen schützt.» Allerdings stelle man in den letzten Tagen wieder einen Anstieg der hospitalisierten Covid-19-Erkrankten im LUKS und damit eine leicht höhere Auslastung der Intensivkapazitäten fest.

Gemäss dem Corona-Reporting von Lustat waren alle elf Covid-Patienten auf der Intensivstation ungeimpft. Zudem waren zuletzt drei der 42 zertifizierten Intensivpflegebetten in Luzern frei. «Sollte es nötig sein, sind wir innert weniger Tage in der Lage, unsere Covid-Kapazitäten zu erhöhen», sagt Markus von Rotz.

Im Zuger Kantonsspital waren laut aktuellstem Lagebericht des Kantonsarztes diese Woche 11 Covid-Erkrankte hospitalisiert. 5 davon lagen auf der Intensivpflegestation. Mit 64 Prozent war die Mehrheit der Covid-Patienten nicht geimpft. Laut Rudolf Hauri beobachte man auch in den Spitälern eine Zunahme von Covid-Patienten. «Wir beobachten diese Entwicklung mit Sorge. Wenn auch die Zahlen auf den Intensivpflegestationen ansteigend sollten, würde die Belastung für das Gesundheitswesen kritisch.» 

5. Ist die Lage vergleichbar mit der zweiten Welle im Herbst 2020?

«Nein, wir befinden uns in einer anderen Lage», sagt der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri. Gerade bei den Hochrisikogruppen sei die Impfquote hoch. Die Situation in den Pflegeheimen sei dadurch etwa viel weniger angespannt als vor einem Jahr. «Gleichzeitig sehen wir auch, dass die Delta-Variante deutlich ansteckender ist, als die Virusvariante im letzten Herbst – unter den Ungeimpften breitet sich das Virus also noch schneller aus.»

Ebenso betont er aber auch, dass im Herbst 2020 die Ausgangslage eine andere war: Damals seien die Fallzahlen den ganzen Sommer über sehr tief geblieben. «Dieses Jahr hatten wir auch im Sommer ein deutlich höheres Grundniveau an Infektionen», sagt Hauri. Das heisst: Wenn sie steigen, dann erreicht man rascher höhere Zahlen.

6. Geimpfte können das Virus auch bekommen und vor allem verbreiten. Wieso ist die Zertifikatspflicht trotzdem gerechtfertigt?

Diese Frage stellen gerade im Abstimmungskampf derzeit viele, welche die aktuellen Massnahmen skeptisch beurteilen. Der oberste Kantonsarzt der Schweiz verweist darauf, dass die Infektionen bei Geimpften in den allermeisten Fällen sehr mild verlaufen – und so keine Belastung für das Gesundheitswesen darstellten. In Zug

«Geimpfte Personen haben ihren Beitrag zur Pandemiebekämpfung geleistet – es ist deshalb richtig, dass sie auch von den Erleichterungen profitieren, die sie ermöglichen», begründet Hauri.

Zudem, so hält er fest, sei bei jeder Impfung davon auszugehen, dass die Schutzwirkung nach einer gewissen Zeit etwas nachlässt. «Das ist absolut unproblematisch und normal.»

7. Wie realistisch ist eine 2G-Regel in der Schweiz? Und wie wirkungsvoll ist das überhaupt?

Nachdem das Ausland vorangeht, wird zunehmend auch in der Schweiz die Frage aufgeworfen, ob nur noch Geimpfte und Genesene an Veranstaltungen oder ins Restaurant dürfen sollen. Mehrere Experten sprechen sich für die 2G-Regel aus, doch politisch hat sie einen sehr schweren Stand und ihre Wirksamkeit ist umstritten.

«Ich persönlich sehe derzeit keine Notwendigkeit für diese Massnahme.» 

Rudolf Hauri, oberster Kantonsarzt der Schweiz

«Die Auswirkung einer 2G-Regel ist schwer abzuschätzen», sagt dazu auch der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri. Er verweist darauf, dass man in den kommenden Wochen zum Beispiel in Österreich Erkenntnisse dazu gewinnen werde. Für ihn kommt ein 2G-Regime derzeit nicht in Frage. «Ich persönlich sehe derzeit keine Notwendigkeit für diese Massnahme», so Hauri.

Die Frage ist, ob andere Verschärfungen nötig werden. Der Kanton Luzern zieht nächste Woche die Schraube bei den Tests für das Zertifikat an (zentralplus berichtete).

8. Wann kommt der Booster (für alle oder zumindest für das Gesundheitspersonal)?

Im Kanton Zug und im Kanton Luzern können sich über 65-Jährige seit dieser Woche für die Booster-Impfung anmelden, sofern ihre letzte Impfung oder Genesung mindestens sechs Monate zurückliegt. Das ist wichtig, weil bei ihnen der Impfschutz nachgelassen hat. Gemäss der wissenschaftlichen Task-Force des Bundes hat der Anteil der doppelt geimpften Menschen unter den hospitalisierten über 80-Jährigen in den letzten Wochen stark zugenommen

Deshalb freuen sich viele Betroffene, dass es ab Montag mit den Auffrischungsspritzen los geht. In Zug werden sie am kantonalen Impfzentrum in Baar durchgeführt, in Luzern in den Impfzentren Luzern, Willisau und Hochdorf (zentralplus berichtete).

«Viele von uns hatten wohl die falsche Vorstellung, dass die Pandemie am Tag X zu Ende ist – so funktionieren Pandemien leider nicht.»

Rudolf Hauri, Zuger Kantonsarzt

Jüngere Personen mit einer Risiko-Erkrankung können sich nur im Einzelfall nach Absprache mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt zur Booster-Impfung anmelden. Allen anderen Personen empfehlen BAG und Impfkommission (EKIF) im Moment die Auffrischimpfung nicht. Doch bereits diskutieren Experten darüber, dass sich dies schon bald ändern könnte oder müsste.

Das Luzerner Kantonsspital bietet ab nächster Woche auch Mitarbeitenden an allen Standorten Booster-Impfungen an. «Mit dieser Massnahme will das LUKS seine Mitarbeitenden vor möglichen Durchbruchsinfektionen schützen mit dem Ziel, den Spitalbetrieb möglichst lange ohne grössere Einschränkungen aufrechtzuerhalten», sagt Sprecher Markus von Rotz. 

9. Soll ich mich – auch doppelt geimpft – bei jedem Schnupfen testen lassen?

Das Bundesamt für Gesundheit rät bei klaren Covid-Symptomen – Halsschmerzen, Husten, Kurzatmigkeit, Brustschmerzen, Fieber sowie Verlust des Geruchs- oder Geschmackssinns – zu einem Test. Im Zweifelsfall soll man Rücksprache nehmen mit der Hausärztin.

10. Zum Schluss: Hört das denn nie auf?

Nach rund 18 Monaten Coronapandemie sehnen sich viele nur noch nach einem: dem Ende. Eine Studie der Hochschule Luzern zeigte kürzlich, dass der Wunsch nach einer Rückkehr zur Normalität das häufigste Motiv ist für eine Covid-Impfung (zentralplus berichtete).

«Viele von uns hatten wohl die falsche Vorstellung, dass die Pandemie am Tag X zu Ende ist – so funktionieren Pandemien leider nicht», erklärt der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri. Trotz Unsicherheiten, was zum Beispiel neue Virusvarianten betrifft, sei man dank der Impfstoffe aber weit fortgeschritten.

Zum jetzigen Zeitpunkt geht Hauri davon aus, dass sich die Lage im nächsten Frühling deutlich entspannt. «Bis dann werden wohl sehr viele eine Immunisierung erhalten haben – entweder durch die Impfung oder durch eine Ansteckung. Das Virus wird weiter vorhanden sein und teilweise zu schweren Fällen führen. Die Gefahr für das Gesundheitssystem sollte aber gebannt sein.»

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9 Kommentare
  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 14.11.2021, 17:48 Uhr

    Es ist erst vorbei wenn die Profiteure genug verdient haben und alle Hauris, Bersets etc. pensioniert sind.
    Bis dahin hoffe ich dass wir alle wieder etwas anständiger miteinander umgehen und uns gegenseitig respektieren. Mit Maske, ohne Maske, mit Grippe, mit Covid oder mit HIV.
    Wir sterben alle, ängstlich oder angstfrei; die Entscheidung soll jeder für sich tragen, bitte aber dann mit allen Konsequenzen. Eigenverantwortung.

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    Aleina Wirz, 14.11.2021, 17:06 Uhr

    Nur schon aufgrund der unglaublichen Aggressivität der Zertifikatsgegner werde ich in zwei Wochen JA stimmen. Diese Leute, die imemr noch glauben, wenn man alles ablehnt, werd edie Pandemie verschwinden, nerven nur noch.

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    • Profilfoto von kaalro
      kaalro, 15.11.2021, 12:21 Uhr

      Diese Aggressoren werden nicht kleiner, weil sie wirklich glauben was sie glauben. Das allein ist schon unglaublich und zeigt in welcher weltfremd ausgedachten Realität manche Menschen leben. Diese würden auch nie zugeben was nicht ihrem Weltbild entspricht….. vielleicht auch ein Virus aber in einer anderen Form. Da nützt wirklich keine Impfung etwas. 🙂

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    Raffaela Annen, 14.11.2021, 11:40 Uhr

    «Der oberste Kantonsarzt der Schweiz verweist darauf, dass die Infektionen bei Geimpften in den allermeisten Fällen sehr mild verlaufen – und so keine Belastung für das Gesundheitswesen darstellten.» Da stellen sich Fragen: Weshalb brauchts denn einen Booster? Weshalb denn müssen auch Geimpfte hospitalisiert werden?

    Was die «zu tiefe» Impfquote betrifft: Weshalb verbreitet sich denn das Virus gerade in Ländern mit sehr hoher Impfquote wieder stark? War man da zu leichtsinnig, nachdem es von offizieller Seite geheissen hat (und bei uns immer noch heisst), eine hohe Impfquote sei der Weg aus der Pandemie? Das ist offensichtlich nicht der Fall.

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    Marco, 14.11.2021, 10:58 Uhr

    Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zug schert sich sowieso nicht um die Regeln, hier ein paar Beispiele: 1. In der Hauptempfangshalle Aabachstrasse Kantonsgebäude steht seit 2 Jahren eine Plexiglaswand, die Angestellten ziehen seit 2 Jahren keine Maske an, die «Internen Gäste» die dort Regelmäßig sehr ausgiebige Diskussionen abhalten, ziehen die Maske auch gleich aus, Kontrolle Fehlanzeige! 2. Das Restaurant Aabächli gleich gegenüber hat bis vor kurzem Zertifikate nicht gescannt, sondern nur den Prüfknopf benutzt, trotz vielen Hinweisen ans Personal, dass das nicht erlaubt sei. 3. Restaurants werden gar nicht kontrolliert, so werden zum Beispiel in Cham in Bars am Wochenende jeweils gar keine Zertifikate geprüft, gerade wenn es also wichtig wäre. 4. Seit 2 Jahren gehen viele in den Einkaufszentren ein und aus ohne Maske, immer die gleichen Zeitgenossen, Konsequenz keine! Wäre Zermatt im Kanton Zug so würden diese ohne Konsequenz immer so weiter machen können! Das Ganze widerspiegelt sich in den Zahlen im Kanton! So wird man es nie schaffen die Pandemie zu bewältigen, egal ob wir 3G, 2G, 1G oder was auch immer einführen. Solange niemand die Regeln durchsetzt können wir auch einen kompletten Lockdown ausrufen und das Resultat wird immer das gleiche sein, keine Durchsetzung, keine Lösung!

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      Armando, 14.11.2021, 13:49 Uhr

      Da braucht es eine Riesenportion Dummheit, um sowas zu glauben.

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    Urs Lang, 14.11.2021, 10:07 Uhr

    NEIN stimmen und der Wahnsinn wird ein Ende haben.

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  • Profilfoto von Es ist voll
    Es ist voll, 14.11.2021, 07:23 Uhr

    Spitäler in DE schon voll, in AT bald auch. Kommt auch bald bei uns.

    Und unsere Regierung durchseucht die Kinder und meint wir können uns auch die kleinste Massnahme nicht leisten.

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    • Profilfoto von Roli Greter
      Roli Greter, 14.11.2021, 17:50 Uhr

      Der Abbau im Gesundheitswesen hat in den 80ern begonnen, aber man darf natürlich an alles glauben…

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