Keine Anhaltspunkte für Amtsmissbrauch

Corona-Demo: Staatsanwaltschaft entlastet Luzerns Behörden

Ende Juli gingen Tausende Kritiker der Corona-Massnahmen auf die Strasse. Für die Behörden hatte das ein Nachspiel. (Bild: bic)

Im Rahmen einer Corona-Demonstration in der Stadt Luzern ist Ende Juli ein Polizist angegriffen worden. Das kann laut der Staatsanwaltschaft aber nicht den Behörden angelastet werden, welche die Kundgebung bewilligt hatten. Sie legt eine entsprechende Strafanzeige ad acta.

Hätte die Stadt Luzern der grossen Corona-Demo von Ende Juli keine Bewilligung erteilen dürfen? Diese Frage kam auf, nachdem an jenem Wochenende rund 5'000 Personen gegen die Covid-Massnahmen demonstriert hatten und in diesem Zusammenhang ein Polizist angegriffen und verletzt worden war (zentralplus berichtete).

Die Luzerner Staatsanwaltschaft kommt jetzt zum Schluss: Die Vorwürfe an die Behörden sind nicht gerechtfertigt. Sie verfügt eine Nichtanhandnahme, was bedeutet, dass die Sache nicht näher untersucht wird.

Sie widerspricht damit den Argumenten des Luzerner Juristen Loris Mainardi, der im August Strafanzeige wegen Amtsmissbrauch und fahrlässiger Körperverletzung einreichte. Die Anzeige richtete sich gegen Unbekannt und eventuell gegen Stadtrat Adrian Borgula sowie die beiden Regierungsräte Paul Winiker und Fabian Peter (zentralplus berichtete).

Staatsanwaltschaft erkennt keine Hinweise auf Amtsmissbrauch

Mainardi argumentierte, dass den Behörden das Renitenz- und Aggressionsverhalten des Demonstranten-Umkreises hätte bekannt sein sollen – auch aufgrund der «mediennotorischen Vorgeschichte». Indem die Stadt die Kundgebung bewilligte, seien die Polizisten «wider besseres Wissen» einer Gefahr ausgesetzt worden. Bei einem Demonstrationsverbot wären laut dem Juristen niemals 5'000 Menschen nach Luzern gereist. So wäre es für die Polizei einfacher gewesen, einzelne Renitente wegzuweisen.

«Dass anlässlich von Demonstrationen einige wenige Demonstranten negativ auffallen und sich strafbar machen, kann nie gänzlich ausgeschlossen werden.»

Luzerner Staatsanwaltschaft

Laut der Staatsanwaltschaft liegen allerdings keine Hinweise auf einen Amtsmissbrauch vor. Die Verantwortlichen der städtischen Dienststelle hätten dem «Aktionsbündnis Urkantone» nach einer Abwägung der betroffenen Interessen – auch gestützt auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit – und nach bestem Wissen und Gewissen die Demo-Bewilligung erteilt. Dieses Vorgehen sei nicht zu beanstanden. Indem sie die Bewilligung an Auflagen und Bedingungen – etwa eine festgelegte Laufroute oder Covid-19-Schutzmassnahmen – knüpften, hätten sie die notwendigen Vorkehrungen getroffen, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten.

Wofür demonstriert wird, darf keine Rolle spielen

«Dass anlässlich von Demonstrationen einige wenige Demonstranten negativ auffallen und sich strafbar machen, kann nie gänzlich ausgeschlossen werden», heisst es in der rechtskräftigen Nichtanhandnahme-Verfügung der Luzerner Staatsanwaltschaft. Dieses Verhalten sei jedoch losgelöst vom Akt der Bewilligungserteilung zu betrachten und könne den zuständigen Behörden nicht angelastet werden. Es sei zudem davon auszugehen, dass es nicht in ihrem Interesse war, dass Personen zu Schaden kommen.

Zudem betont die Staatsanwaltschaft, dass die Bewilligungsbehörde zu einer neutralen, sachlichen Haltung verpflichtet ist. Sie habe nicht zu beurteilen, ob die «von den Demonstranten vertretene Auffassung und ihre Anliegen mehr oder weniger wertvoll erscheinen». Ein Amtsmissbrauch liegt laut der Staatsanwaltschaft klar nicht vor.

Was die fahrlässige Körperverletzung betrifft, handelt es sich um ein Antragsdelikt. Das heisst, die Anzeige müsste vom Opfer eingereicht werden. Weil für die zwei Tatbestände zum einen kein begründeter Anfangsverdacht vorliegt, zum anderen die nötige Prozessvoraussetzung fehlt, ist das juristische Nachspiel der Corona-Demo in diesem Punkt abgeschlossen.

Stadtrat verteidigt Praxis der Behörden

Auch politisch hatte die Corona-Demo ein Nachspiel. Die SP reichte im Nachgang eine Interpellation ein, die vor knapp zwei Wochen im Luzerner Stadtparlament für einigen Gesprächsstoff sorgte. «Wir wollen keine Nazis auf Luzerns Strassen», kritisierte der frühere SP-Präsident Claudio Soldati in der Debatte. Wenn die Wahrscheinlichkeit für gewalttätige Ausschreitungen gross sei, müssten die Behörden eine Demo untersagen.

Stadtrat Adrian Borgula verteidigte hingegen die Praxis der Stadt Luzern. «Wir können eine Demo nur verbieten, wenn das Risiko von Gewalt sehr hoch ist.» Im konkreten Fall habe es keine Anhaltspunkte gegeben, dass sich die Organisatoren in der Vergangenheit nicht korrekt verhalten hätten (zentralplus berichtete).

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4 Kommentare
  • Profilfoto von Armando
    Armando, 07.12.2021, 16:46 Uhr

    Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Luzerner Behörden und deren Justiz sehr tolerant mit den Massnahmengegnern umgehen, auch dann noch, wenn es nicht mehr angebracht ist. Sie sollten sich ein Beispiel an der Stadt Bern nehmen, dort wird nicht mehr lange gefackelt und hart durchgegriffen, mit Recht. Wir brauchen keine Saubannerzüge von gewalttätigen Covidioten.

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  • Profilfoto von Professor Tarantoga
    Professor Tarantoga, 07.12.2021, 15:19 Uhr

    Herb-bittere Niederlage Herr Mainardi. Jetzt ist Fassung gefragt. Ein rares Gut. Aber egal.

    Wie heisst dieser juristische Terminus schon wieder, wenn man ein Gericht anruft, obwohl keine Aussichten auf Erfolg bestehen und es de facto nur zum Trotz gemacht wird? Helfen Sie bitte weiter…

    Und ist der Gang nach Lausanne (man könnte auch sagen Canossa) angedacht?

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    • Profilfoto von Klein aber Fein
      Klein aber Fein, 07.12.2021, 20:13 Uhr

      Die Stawa ist wohl kein Gericht.

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  • Profilfoto von Loris Fabrizio Mainardi
    Loris Fabrizio Mainardi, 07.12.2021, 12:59 Uhr

    Die Nichtanhandnahmeverfügung der Luzerner Staatsanwaltschaft ist aus mehreren Gründen nicht nachvollziehbar:

    1. Da der ebenfalls beanzeigte RR Winiker als Justizdirektor administrativer Vorgesetzter sämtlicher Luzerner Staatsanwälte ist, hätte man aus strafprozessualen Gründen einen ausserordentlichen ausserkantonalen Staatsanwalt mit der Untersuchung beauftragen müssen. 
    2. Sowohl der Stadtrat als anscheinend auch die Staatsanwaltschaft verkennen unter Ignoranz der Bundesgerichtspraxis, dass es bei der geforderten Risikoeinschätzung nicht auf das vom Bewilligungssteller, sondern auf das von den TEILNEHMERN ausgehende Gefahrenpotential ankommt (BGE 132 I 256). Auf letzteres wurden Stadt und Kanton Luzern im Vorfeld der Demo von mir persönlich bzw. medial propagiert hingewiesen. Von einer «sozialadäquaten» Körperverletzungsgefährdung von Polizeibeamten anlässlich politischer Demonstrationen zu sprechen, ist geradezu zynisch.
    3. Da der vorgeworfene Tatbestand des Amtsmissbrauchs auch durch die Gewährung unrechtmässiger Vorteile erfüllt ist, wären diesbezüglich sowohl die unbotmässige Erteilung der Demonstrationsbewilligung an Gruppen mit notorisch renitentem und teilweise aggressivem Teilnehmerkreis als auch die aufgeworfene Ungleichbehandlung der Demonstranten zu untersuchen gewesen. Jedenfalls widerspricht es einer normsymmetrischen Bewilligungspraxis, den Gegendemonstranten bloss eine ortsfeste Veranstaltung, den «Massnahmenkritikern» aber zusätzlich einen Demonstrationszug mit halbstündiger Blockierung der gesamtstädtischen Hauptverkehrsadern und des ÖV zu gestatten – v.a. nachdem es nur wenige Tage zuvor zu einer massiven, illegalen Störung städtischer Hauptverkehrsadern durch jene Gruppen gekommen war.
    4. Nicht nur fiskalisch, sondern auch rechtsstaatlich problematisch ist schliesslich, erwiesenermassen renitent und gewalttätig in Erscheinung getretenen Exponenten eine Politbühne in der Stadt Luzern zu schenken, für deren Kosten die Luzerner Steuerzahler aufzukommen haben. Die Luzerner Polizei sperrt sich bekanntlich bis heute dagegen, den «COVID-Skeptikern» Einsatzkosten selbst bei erwiesenermassen erfolgten Gewaltausschreitungen in Rechnung zu stellen.

    Dass sich schliesslich Stadtrat Borgula und Regierungsrat Winiker explizit geweigert haben, die Nichtanhandnahmeverfügung zu veröffentlichen und diese von Journalistinnen in den Räumlichkeiten der Staatsanwaltschaft abgetippt werden musste (!), spricht weder für ein transparentes und bürgerfreundliches noch für ein amtswürdiges Gebaren jener steuerbesoldeten Magistraten.

    Loris Fabrizio Mainardi, lic.iur.

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