Während sich die Einheimischen mit den Gepflogenheiten der asiatischen Gäste schwer tun, mahnt das Tourismus Forum Luzern in einer neuen Kampagne zu mehr Freundlichkeit. Denn: Von den 325 Millionen, die alleine die Chinesen einbringen, würden mehr Einheimische profitieren als zunächst gedacht.
Sie schreien Personal an, spucken auf den Boden, rülpsen laut heraus und werfen den Güsel achtlos auf die Strasse: So jedenfalls stellten lokale und nationale Medien diesen Sommer chinesische Touristen dar. Die Gäste aus dem Reich der Mitte geniessen in Luzern nicht gerade den besten Ruf – ob verstopfte Fusswege, unappetitlich hinterlassene Toiletten, der unausgeglichene Branchenmix in der Altstadt oder das Verkehrschaos aufgrund der vielen Reisecars, schuld seien die Chinesen, so der mediale Tenor (zentral+ berichtete).
Dass das «Chinesen-Bashing» gerade diesen Sommer so präsent war, ist kein Zufall. Es war beinahe ein Rekordsommer für Luzern Tourismus: Trotz Frankenstärke und schweizweit rückläufigen Logiernächten, wurde Luzern von neun Prozent mehr Touristen als im Vorjahr besucht. Fast jeder zehnte Tourist kam dabei aus China. Viele Stadtluzerner haben sich noch nicht so recht mit ihnen anfreunden wollen.
«Es sind manchmal richtige Invasionen, da sie immer in Gruppen unterwegs sind.»
Franz Friedli, Friedli’s Markthalle
Besonders konsumfreudig auf Reisen
Im Jahr 2014 waren 11'239 Vollzeitbeschäftigte im Tourismussektor tätig, die rund 1,3 Milliarden Franken generiert haben. Das entspricht fünf Prozent der Wertschöpfung des Kantons Luzern. Im Vergleich zum gesamtschweizerischen Wert von 2,9 Prozent ist dies überdurchschnittlich viel. Die direkte touristische Wertschöpfung hat gegenüber 2005 um ganze 19 Prozent zugenommen. 2014 wurden im Kanton Luzern rund 2,2 Millionen Übernachtungen gezählt. Zwischen 2005 und 2014 sind die Logiernächte mit einem Plus von 36 Prozent wesentlich stärker gestiegen als im schweizweiten Durchschnitt (plus neun Prozent).
(Quelle: Wertschöpfungsstudie Tourismus Kanton Luzern)
Ist dies als Reaktion auf die Kritik an den asiatischen Gästen zu verstehen? «Es geht in diese Richtung, weil einzelne Luzernerinnen und Luzerner den Tourismus aus verständlichen Gründen nur fragmentarisch wahrnehmen können», sagt Walter Schmid, Ehrenpräsident des Tourismus Forum Luzern. Das Reich der Mitte ist mittlerweile der wichtigste asiatische Markt für Luzern. Denn: Die Gäste aus China gelten als besonders konsumfreudig auf Reisen.
Mit 330 Franken pro Tag und Person geben sie überdurchschnittlich viel Geld aus und tragen so rund einen Viertel zur touristischen Wertschöpfung bei. Bei einem geschätzten Umsatzvolumen von rund 1,3 Milliarden Franken jährlich, sind dies 325 Millionen, die alleine von den Chinesen nach Luzern gebracht werden. Und das soll ja schliesslich auch so bleiben.
«Tourismus ist weitaus mehr als das, was auf dem Schwanenplatz passiert.»
Walter Schmid, Tourismus Forum Luzern
Wichtiger Wirtschaftszweig
«Tourismus ist weitaus mehr als das, was auf dem Schwanenplatz passiert», so Schmid vom Tourismus Forum. Man wolle der Bevölkerung mit der Kampagne zeigen, dass der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig ist, der massgeblich für unseren Wohlstand mitverantwortlich ist.
«Tourismus schafft Arbeitsplätze», lautet der Titel zur Kampagne, in welcher unter anderem aufgezeigt wird, welche Branchen vom Tourismus profitierten. Dabei kommen auch Vertreter des lokalen Gewerbes zu Wort, deren Metier auf den ersten Blick so ziemlich rein gar nichts mit dem Tourismus zu tun hat (siehe Bild).
In den Sommer- und Herbstmonaten seien Touristen eine wertvolle Ergänzung zu den einheimischen Kunden, sagt Franz Friedli. Gerade die Chinesen würden sehr gerne bei ihnen einkaufen. «Es sind manchmal richtige Invasionen, da sie immer in Gruppen unterwegs sind», lacht er. Die Gäste aus dem Reich der Mitte seien sehr anspruchsvoll und würden nur einwandfreie Ware kaufen. «Sie fassen die Ware sehr gerne an», erzählt Friedli weiter. Da müsse er dann schon mal einschreiten – «genau wie bei den Einheimischen auch».
Viele Branchen profitieren
«Viele sehen gar nicht, dass weitaus mehr Branchen vom Tourismus profitieren als Uhren- und Schmuckgeschäfte», betont Walter Schmid vom Tourismus Forum Luzern.
Letztlich sei der Tourismus aber ohnehin mehr als nur ein Geschäft. «Wir haben uns als attraktive Tourismusdestination weltweit einen Namen gemacht», sagt Schmid, «dazu gehört auch etwas Toleranz gegenüber anderen kulturellen Gewohnheiten. Unserer Region geht es sehr gut, nicht zuletzt dank des Tourismus.» Natürlich habe der Tourismus auch seine Schattenseiten, gibt er zu. «Die Bedenken der Bevölkerung müssen ernst genommen werden, doch letztlich muss man sehen, dass das Positive überwiegt.»
«Etwas mehr Wohlwollen gegenüber dem Tourismus, mehr Toleranz und Gastfreundschaft schaden nicht.»
Walter Schmid
Der Tourismus trägt mit seinem jährlichen Umsatz (siehe Tabelle) fünf Prozent zur kantonalen Wertschöpfung bei.
Tagesausgaben 2014 | Insgesamt | Durchschnitt pro Gast |
Gäste Hotellerie | 382 Millionen Franken | 200 Franken (150 bis 450) |
Gäste Parahotellerie* | 34,5 Millionen Franken | 100 Franken (80 bis 120) |
Tagesgäste | 900 Millionen Franken | 75 Franken |
Total | 1,3 Milliarden Franken |
* Darunter fallen unter anderem Jugendherbergen, Campingplätze, Pensionen und Ferienwohnungen.
(Quelle: Tourismus Forum Luzern)
Luzerner sollen freundlicher werden
Die Tourismus-Studie des Kantons Luzern kommt ausserdem zum Schluss, dass die Tagesausgaben der Touristen steigen, je mehr Möglichkeiten zum Geld ausgeben vorhanden seien. Das heisst auch: Je attraktiver sich eine Stadt gegenüber Touristen präsentiert, desto konsumfreudiger sind sie. Ist es deshalb so wichtig, dass die Luzerner freundlicher gegenüber den Touristen werden?
«Etwas mehr Wohlwollen gegenüber dem Tourismus, mehr Toleranz und Gastfreundschaft schaden nicht», meint auch Schmid. Marcel Perren, Direktor von Luzern Tourismus, sieht dies nicht anders: Verständnis und Toleranz sind für den Luzerner Tourismusdirektor die wichtigsten Punkte für die Zukunft, sagte er kürzlich im Interview mit zentral+.
Öffentlicher Podiumsanlass zur interkulturellen Kommunikation im Tourismus |
Seien es Gäste aus Deutschland, Grossbritannien, den USA, den Golfstaaten, Israel, China, Indien oder Russland: Alle nehmen ihre Gewohnheiten in die Ferien mit, haben aber auch Vorstellungen und Erwartungen was ihren Aufenthalt betrifft. Interkulturelle Kommunikation soll dabei weiterhelfen. Am Montag, 12. Oktober, veranstalten das Tourismus Forum Luzern (TFL) und Luzern Tourismus einen öffentlichen Podiumsanlass zum Thema. Ab 18.30 Uhr referieren im Art Deco Hotel Montana Experten aus dem Tourismussektor. Nähere Informationen zum Anlass finden Sie hier. |
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