Nach 13 Jahren an die Zuger Chesslete

Chesslete! Wie war das noch mal?

Die Chesslete in Zug – es ist alles da: Die Guggen, der Regen, die Kostüme, der Holdrio. (Bild: fam)

Wir geben zu: Es ist eine Weile her. Wie war das noch mal mit der Fasnacht? Wir finden’s raus – an der Zuger Chesslete. Und merken: Wir machen alles falsch.

Sprühplastik aus der Dose. Gibt’s das Zeug noch? Muss man sich schützen? Bewaffnen? Konfetti? Es ist schon ne Weile her, das mit der Fasnacht. Zuletzt an der Zuger Chesslete, das war vor dreizehn Jahren. Mit siebzehn. Damals der Kick: Freiwillig verdammt früh aufstehen (sehr selten) und feiern und dann nach Hause zum Ausschlafen, statt zur Schule zu gehen (weniger selten). Voller guter und etwas optimistischer Pläne übers Rumknutschen mit Mädchen im Allgemeinen und einem im Speziellen.

Heute der Kick: Euphorisches Flash wegen Viel-zu-früh-Aufstehens. Es regnet in Zug. Die Rest der Stadt ist ausgestorben. Versprengte Fasnächtler sind auf dem Weg zum Landsgemeindeplatz, denn da trifft sich die verschworene Fasnachtsmeute. Es ist zehn vor fünf und gleich geht’s los. Zug ist nicht Luzern. Aber Zug ist motiviert. Auf dem Landsgemeindeplatz stehen fünf Barwägen, drei Essensstände und ein Gratis-Kafi-Schnaps-Stand.

«In einer Minute geht es los», ruft der Ansager übers Mikro, «seid ihr bereit?» Der Platz ist voll, wenigstens in der Mitte, die Zuger Jugend hat sich in Schale geworfen, drei Guggenmusigen füllen die Bühnen rundherum, in die Mitte zwängen sich die Frühaufsteher, Giraffen und Piraten und Leute mit Farbe im Gesicht und Lämpchen auf dem Kopf. Mittlerweile schneit es dicke Flocken auf die Menge, und es hämmert schwere Tropfen. Das Wetter hat die junge Fasnacht unter Beschuss genommen, aber die ist zäh.

Alles ist möglich, es ist Fasnacht, es gibt Riesenburger

Und plötzlich ist es so weit: «Es ist fünf Uhr, die Zuger Chesslete ist eröffnet», die Leute jubeln ein bisschen, eine Rakete schiesst in den Himmel über dem Zugersee und jagt alle Bewohner der Altstadt aus dem Bett, Bamm, und gibt der Party einen Tritt. Und dann passiert alles gleichzeitig: Die drei Guggenmusigen versuchen, zusammenzuspielen. Die Dirigenten in der Mitte sind verzweifelt bemüht, einen Takt zu halten. Die verkleideten Jugendlichen sind begeisterungsfähig und fangen an zu tanzen. Und dann verschüttet irgendjemand sein Holdrio und erreicht damit, dass sich plötzlich alle wie zuhause fühlen: Der Holdrioduft schaltet die Welt um, von grauem Wintermorgen auf Mitten-in-der-Fasnacht, alles ist möglich, es gibt Riesenburger.

«Ob wir das geübt haben? Nein. Aber das war ja auch einfach.»

Die Maschine ist angeworfen, der Schnaps macht es sich in den Gehirnen gemütlich, die Begeisterung wächst. Zwei Schlümpfe singen lautstark mit, PokemonInnen und Batmen werfen sich verstohlene Blicke zu, hier wird schamlos abgecheckt. Eine Runde von Expat-Teenagern hat sich als sich selber verkleidet und versucht engagiert, die kulturelle Kluft (Tanzen zu einheimischer Musik) zu überwinden. «Du musst dir das so vorstellen wie bei Star Wars», sagt einer zum anderen, und meint damit das Fest der kleinen Pelzdinger im dritten (oder sechsten) Teil, die ebenfalls mit viel Hingabe seltsame Musik machen, nachdem sie das Imperium besiegt haben.

Mittlerweile haben sich die drei Guggenmusigen rhythmisch ein wenig verloren, das macht aber nichts: Man tanzt halt zu der, an der man näher dran ist. «Das war ja grottenschlecht», kommentiert einer der Trommler im Nachhinein, und klingt fast ein wenig stolz dabei, und ein Posaunist erklärt: «Ob wir das geübt haben? Nein. Aber das war ja auch einfach.»

Wie war das früher?

Alleine machen die Guggen einiges mehr her: Figorowa treten im Tenue Samichlaus an und machen lautstark guten Krach, Los Contineros spielen die richtigen Hits, und Descampados hat fantastische spontane Choreografien am Start, plus Motto: «Tiger, Mönch und Jungfrau». Die Musik ist gut genug. Zwei altruistische Jungs verteilen Kaffee-Schnaps aus der Thermoskanne und der Moderator ruft zum allgemeinen Gasgeben auf: «Die Bierstände haben noch fast keine Arbeit!»

Wie war das früher? Verschwommen und grösser. Wie ist es heute? Kleiner und aufgeräumter. «Was, du willst Kaffee ohne Schnaps?», fragt die Frau an der Kaffeetheke, und zum nächsten Kunden leicht angewidert, «du etwa auch?» Natürlich schon. Natürlich nicht. Chesslete und nachher nüchtern Artikel schreiben, ist wie in die Ferien gehen und dort Mails beantworten. Dumm. Deshalb: Heute gibt’s kein abschliessendes Urteil über die Zuger Chesslete. Letztes Mal waren wir am Schluss glücklich und/oder betrunken. Nächstes Mal machen wirs wieder so.

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