Kanton und Stadt machen auf Harmonie

Bypass: Luzerner Stadtrat übt sich im Spagat

Regierungspräsident Marcel Schwerzmann und Stadtpräsident Beat Züsli mit den frisch unterzeichneten Absichtserklärungen zum Bypass und Durchgangsbahnhof. (Bild: ewi)

Stadt und Kanton reichen sich die Hand. Gemeinsam wollen sie die beiden Grossprojekte Bypass und Durchgangsbahnhof vorantreiben. Der Schulterschluss hat aber mehr symbolischen Charakter als konkrete Folgen. zentralplus ordnet ein.

Kanton und Stadt Luzern wollen bei den Grossprojekten im Bereich der Mobilität, Bypass und Durchgangsbahnhof, vorwärtsmachen. Das haben sie am Montag in einer gemeinsamen Absichtserklärung festgehalten. Als Unterzeichnungsort haben sie sich für den historischen Ratssaal im Luzerner Rathaus entschieden. Ein aussergewöhnlicher Ort für eine Medienkonferenz.

Damit unterstreichen Stadt und Kanton feierlich die Bedeutung der Absichtserklärung. Denn dass sich Kanton und Stadt bei der Planung der beiden Projekte nun zusammenschliessen, war so nicht zu erwarten. In den vergangenen Monaten hatten die beiden das Heu nicht immer auf derselben Bühne. Das offenbarte sich explizit bei den Grossprojekten Bypass und Durchgangsbahnhof.

Haufenweise Kritik bei beiden Projekten

Beim Durchgangsbahnhof zeigte sich dies im Rahmen der Testplanung der Stadt Luzern. Nach Veröffentlichung der Resultate kritisierte der Kanton Luzern, dass die Auswirkungen aufs Gesamtverkehrssystem nicht genügend analysiert wurden – und initiierte eine eigene Studie. Der Zwist wurde so gross, dass sowohl Politiker im Grossen Stadtrat als auch im Kantonsrat einen Mediator involvieren wollten, um die Gräben zwischen Stadt und Kanton zu kitten (zentralplus berichtete).

Unter dem See bis nach Ebikon: Die geplante Linienführung (rot) im Rahmen des Projekts Durchgangsbahnhof. (Visualierung: zvg)

Noch grösser sind die Differenzen beim Bypass. Denn in der Stadt Luzern hat sich schon vor geraumer Zeit Widerstand gegen das Projekt gebildet. Das Komitee «Bypass Nein», bestehend aus Organisationen und Verbänden, verlangt einen Stopp des Strassenprojekts. Im Stadtparlament forderten SP und Grüne, dass sich der Stadtrat mit «allen Mitteln» gegen das «nutzlose Projekt» wehren soll (zentralplus berichtete).

Die Grosshofbrücke Bypass-Projekt: Statt heute 30 Meter wird sie 70 Meter breit sein. (Bild: zvg)

Und nicht zuletzt hat der Stadtrat selbst beim Bundesamt für Strassen (Astra) eine Einsprache gegen das geplante Projekt eingereicht. Für Bund und Kanton ist das Bypass-Projekt hingegen von zentraler Bedeutung, um die Herausforderungen im Strassenverkehr in den nächsten Jahrzehnten zu bewältigen.

Symbolischer Schulterschluss

Beide Bauprojekte stehen noch ganz am Beginn. Dennoch gibt es bereits unzählige Baustellen sowie verschiedenste Befürworter und nicht weniger Kritikerinnen. Die heute unterzeichnete Absichtserklärung ist vor diesem Hintergrund als symbolischer Schulterschluss zwischen Stadt und Kanton zu sehen. Zumal die Erklärung inhaltlich keine neuen Verpflichtungen beinhaltet.

«Wir gaben nach aussen vielleicht keinen koordinierten Eindruck ab.»

Marcel Schwerzman, Regierungspräsident

Der Luzerner Regierungspräsident Marcel Schwerzmann (parteilos) bestätigt dies: «Die Absichtserklärung ist ein Signal nach Bern. Wir wollen gegenüber dem Bund Einigkeit zeigen. Sonst kommen wir nicht vorwärts.» Denn weil es sich sowohl beim Bypass als auch beim Durchgangsbahnhof um zwei Projekte des Bundes handelt, entscheidet letztlich das nationale Parlament, ob die Projekte realisiert werden.

Zwar seien sich Stadt und Kanton schon vorher in vielen Punkten einig gewesen. Doch Schwerzmann räumt ein: «Wir gaben nach aussen vielleicht keinen koordinierten Eindruck ab. Doch es ist nicht so, dass Kanton und Stadt nicht miteinander geredet haben.» Darum brauche es nun diese Absichtserklärung als zusätzliches Signal nach aussen.

«Keine Reaktion auf Kritik»

Die Kritik an den beiden Bauprojekten hatte sich im Verlauf des vergangenen Jahres akzentuiert. Zuletzt äusserte sich sogar der ehemalige Chef der SBB, Benedikt Weibel, kritisch gegenüber dem geplanten Durchgangsbahnhof (zentralplus berichtete). Doch Schwerzmann will die Absichtserklärung nicht als Reaktion auf diese Kritik sehen. Er betont, dass kritische Stimmen bei solchen Grossprojekten völlig normal seien.

Die Idee für die Absichtserklärung ist schon vor fünf Monaten entstanden. Dies bestätigt der Stadtluzerner Umwelt- und Mobilitätsdirektor Adrian Borgula (Grüne), der bei der Unterzeichnung ebenfalls anwesend war. Dass die Planung dieser Erklärung just in den Zeitraum fällt, in dem sich das Neinkomitee zum Bypass gründete und Kanton und Stadt über die Testplanung zum Durchgangsbahnhof stritten, dürfte kein Zufall sein.

Happige Kritik von den Jungen Grünen

Letztlich ist festzuhalten: Weder der Kanton noch die Stadt haben durch die unterzeichnete Absichtserklärung etwas zu verlieren. Gegen aussen vermitteln sie ein vereintes Bild – und wagen sich bei inhaltlichen Fragen nicht auf die Äste hinaus. So habe die Erklärung auch keinen Einfluss auf die noch hängige Einsprache der Stadt gegen das Bypass-Projekt, wie Borgula betont. Ob die Absichtserklärung im Widerspruch zur Einsprache stehe, zeige sich erst, wenn der Bund Stellung dazu genommen habe.

Ganz anders sehen das die Grünen und Jungen Grünen. Die unterzeichnete Absichtserklärung widerspreche dem Legislaturziel für eine stadt- und landschaftsverträgliche Realisierung des Bypass und ignoriere den Auftrag des Parlaments. Die Grünen zeigen sich in einer Mitteilung deshalb «sehr irritiert», die Jungen Grünen finden das Vorgehen des Stadtrats sogar «nicht nur peinlich, sondern komplett daneben».

Adrian Borgula wiederum kontert, dass eine siedlungsverträgliche Realisierung des Bypass explizit in der Absichtserklärung festgehalten sei. Offenbar übt sich der Stadtrat im Spagat, sowohl den Interessen des Stadtparlaments als auch denen des Kantons entgegenzukommen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Karl
    Karl, 10.01.2022, 19:54 Uhr

    Durchgangsbahnhof in Luzern ist die zweitbeste Lösung.
    Besser in Emmen realisieren und ÖV nach der Stadt optimal ausbauen.
    Das meinen auch frühere SBB Chefs.
    Hier wollen sich die Politiker einfach ein Denkmal setzen, ein sehr teures und erst noch schlechtes

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