Folgen für Ausbauprojekte in Luzern?

Bye-bye Büro – hallo Homeoffice: Firmen überdenken Arbeitsmodelle

Die CSS will in eine neue Arbeitskultur hineinwachsen. Der Abriss des Gewerbegebäudes im Hintergrund ist davon indes nicht betroffen. (Bild: jal)

Die Krankenkasse CSS darf für ihren Neubau das Gewerbegebäude an der Tribschenstrasse abreissen. Doch braucht sie den Platz angesichts des Homeoffice-Trends noch? Eine Frage, die sich auch anderen Firmen stellt. Experten rechnen damit, dass Unternehmen künftig weniger Bürofläche belegen werden.

Die CSS will ihren Hauptsitz im Tribschenquartier seit Jahren wachsen. Die Krankenversicherung plant einen Neubau mit rund 500 zusätzlichen Arbeitsplätzen. Bislang kam das Projekt nur schleppend in die Gänge, insbesondere, weil sich Denkmalschützer und Architekten gegen den Abriss des Gewerbegebäudes wehren. Nun hat das das Kantonsgericht zugunsten der Krankenversicherung entschieden (zentralplus berichtete).

Doch inzwischen hat die Coronakrise auch in der Wirtschaftswelt einige vermeintliche Gewissheiten ins Wanken gebracht. In den letzten Monaten arbeiteten viele Arbeitnehmer in den eigenen vier Wänden. Mit Folgen: Firmen und Angestellte sind auf den Geschmack gekommen.

Nicht nur in den Verwaltungen wird künftig stärker auf Homeoffice gesetzt, auch viele Unternehmen erkennen, dass das Konzept funktioniert und Vorteile bietet. Internetgigant Google zum Beispiel lässt seine Mitarbeiter bis nächsten Sommer zu Hause arbeiten. Noch einen Schritt weiter geht der Basler Pharmakonzern Novartis: Wer will, kann zukünftig stets im Homeoffice arbeiten. Das wird für leere Büros sorgen, berichtete der «Tagesanzeiger» letzte Woche.

Trotz Homeoffice-Trend: CSS braucht mehr Platz in der Stadt

Auch bei der Krankenkasse CSS hat man im Lockdown gute Erfahrungen gemacht. 90 Prozent der Belegschaft arbeiteten von zu Hause aus, heute sind es noch immer rund 60 Prozent. «Diese unerwartete Experiment war eine gute Erfahrung», sagt Mediensprecherin Christina Wettstein. «Die Produktivität hat nicht gelitten.»

Fest steht darum bereits jetzt: «Homeoffice hat sich bewährt und ist auch nach der Krise ein wichtiger Bestandteil der Arbeitswelt der CSS.» Der Wandel, für den Corona als Katalysator wirkt, geht allerdings darüber hinaus. Das Unternehmen plant, in Zukunft mit anderen neuen Formen – zum Beispiel Co-Working-Spaces – zu experimentieren. «Die CSS will in eine neue Arbeitskultur hineinwachsen», sagt Wettstein. «Nicht wo und wie wir arbeiten ist letztlich von Bedeutung, sondern das Ergebnis.»

«Der Entscheid, das Gewerbegebäude nicht zu integrieren, steht nicht zur Diskussion.» 

Christina Wettstein, CSS

Insofern liegt die Frage auf der Hand: Besteht nach wie vor Bedarf für die geplanten 500 Arbeitsplätze im Neubau? «Die Pandemie hat einiges in Bewegung gebracht», sagt CSS-Sprecherin Christina Wettstein. Was die Dimension des Projekts angeht, bleibe aber alles beim Alten. «Trotz aller Veränderungen ist klar, dass wir in der Stadt Luzern mehr Platz benötigen.»

Denn aktuell ist die CSS in verschiedenen Bürostandorten eingemietet. Der Hauptzweck des Neubaus liegt – unabhängig von Corona – in der Zusammenlegung dieser Standorte. «Das können wir nicht einfach mit mehr Homeoffice umsetzen», sagt Wettstein. «An unserem zusätzlichen Platzbedarf ändert sich daher nichts.»

Insofern dürfen sich auch die Kämpfer für das Gewerbegebäude keine Hoffnungen machen. «Der Entscheid, das Gewerbegebäude nicht zu integrieren, steht nicht zur Diskussion», stellt die CSS-Sprecherin klar. 

Luzerner Bankangestellte wollen einen Mix

Eine räumliche Aufstockung plant auch die Luzerner Kantonalbank am Hauptsitz an der Pilatusstrasse (zentralplus berichtete). Inwiefern das Projekt von der zukünftigen Ausgestaltung der Arbeitsweise tangiert wird, ist derzeit noch offen. «Der Einfluss auf künftige Bedürfnisse nach Büroflächen können wir zum aktuellen Zeitpunkt nicht beantworten», sagt Mediensprecherin Ursi Ineichen.  

«Eine Umfrage bei den Mitarbeitenden zeigte, dass eine sinnvolle Rotation zwischen der Arbeit zu Hause und am Arbeitsplatz begrüsst wird.»

Ursi Ineichen, LUKB

Derzeit werden die Erfahrungen mit Homeoffice ausgewertet. Bei der LUKB waren während des Lockdown bis zu 50 Prozent der 1220 Angestellten zu Hause am Arbeiten. «Die Erkenntnisse fliessen schliesslich in Überlegungen ein, wie künftige Homeoffice-Modelle bei der LUKB aussehen könnten», sagt Ursi Ineichen.

Will aufstocken: Die Kantonalbank am Hauptsitz an der Luzerner Pilatusstrasse. (Bild: jal)

Das Personal steht einem Wandel offen gegenüber, will aber nicht komplett in den eigenen vier Wänden arbeiten. «Eine Umfrage bei den Mitarbeitenden zeigte, dass eine sinnvolle Rotation zwischen der Arbeit zu Hause und am Arbeitsplatz begrüsst wird.»

Homeoffice macht Arbeitgeber attraktiver

Experten rechnen damit, dass zukünftig mehr Angestellte ihren Arbeitsort flexibler handhaben dürften. Die Coronakrise hat in diesem Punkt einen bereits laufenden Wandel beschleunigt.

Ob der Trend zu mehr Homeoffice auch nach der Coronakrise anhält, hängt laut Christian Kraft stark vom einzelnen Unternehmen ab. «Drei Faktoren sind entscheidend», sagt der Co-Leiter des Masterstudiengangs Real Estate an der Hochschule Luzern. «Erlaubt es die Tätigkeit? Finden die Mitarbeiter zu Hause die nötigen Voraussetzungen vor, um konzentriert arbeiten zu können? Und vor allem: Wollen sie das überhaupt?» 

Wenn Unternehmen vermehrt auf Homeoffice setzen, geschehe das in der Regel nicht aus finanziellen Überlegungen im Zusammenhang mit «eingesparten» Büroflächen. «Es geht vielmehr darum, gut qualifizierte Arbeitskräfte zu halten, indem sie dank flexiblen Arbeitsformen produktiver und zufriedener sind», sagt Kraft.

«Man kann davon ausgehen, dass der Flächenbedarf der Firmen zukünftig zurückgeht.»

Christian Kraft, HSLU

Die Einschätzung, wonach der Immobilienmarkt das zu spüren bekommen werde, teilt der Dozent am Institut für Finanzdienstleistungen. «Man kann davon ausgehen, dass der Flächenbedarf der Firmen zukünftig zurückgeht», sagt Kraft. Das sei aber nicht nur dem Homeoffice-Trend geschuldet, sondern insbesondere auch den konjunkturellen Entwicklungen. «Die wirtschaftliche Krise bremst das Wachstum vieler Firmen und führt teilweise sogar zu einem Stellenabbau.» Dass Unternehmen ihre vor dem Lockdown aufgegleisten Aus- und Neubauprojekte überdenken, sei insofern naheliegend.  

Es sei hingegen nicht zu befürchten, dass in der Zentralschweiz deswegen bald reihenweise Bürohäuser leerstehen. «Der Geschäftsflächenmarkt war vor der Coronakrise im Gleichgewicht», sagt Kraft. «Er kann eine rückläufige Nachfrage daher bis zu einem gewissen Grad verkraften.»

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