So war es als Lozärner Fasnächtlerin in der Ostschweiz
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Die Lozärner Fasnacht war für mich jahrelang ein fixes Ritual. Dann zog ich in die Ostschweiz – und habe die Lozärner Fasnacht erst so richtig zu schätzen gelernt.
Sie steht da – halb gebeugt wie alle Bananen – und kotzt mit voller Innbrunst auf die Bussteigkante des 7ers am Luzerner Bahnhof. Das ist das erste Bild, welches in meinem Kopf erscheint, wenn ich an die Lozärner Fasnacht denke. Entstanden ist es vor 14 Jahren, während meiner Lehrzeit. Ich, brav auf dem Weg in die Frühschicht, dann plötzlich: die kotzende Banane.
Mit einer Mischung aus pubertärem Respekt gegenüber dem offenbar deutlich überfeierten Fasnächtler und deutlichem Ekel wegen des säuerlichen Gestanks in der Luft ging ich weiter. Wenn die Banane nur gewusst hätte, wie sehr sie sich in mein bildlich denkendes Gehirn einbrennen würde – und dies für Jahre! Janu, ich denke, sie hätte wahrscheinlich trotzdem fröhlich weiter «gekörblet».
Verkleidungspflicht
Irgendwie hatte und habe ich ja Verständnis für die Banane. Aufgewachsen im Rontal, war die Fasnacht für mich ein fixes Jahresritual, welches einfach immer dazugehörte. Ich verkörperte schon diverse Sujets: ein stolzer Kinder-Globi, ein gelbes Blüemli mit einer riesigen Konfettitasche, ein rotbackiges Schneewittchen, eine Schneiderin, eine Hexe mit Pippi-Langstrumpf-Zöpfen, ein an Halsschmerz leidendes Ufo oder ein pubertierendes Cowgirl. Für mich war immer klar: Wer nicht verkleidet ist, ist uncool.
Bis ich als junge Erwachsene in die Nordostschweiz zog. Dort scherte man sich nicht einen Deut um die Fasnachtstradition. Die Hälfte war unverkleidet, die andere Hälfte nahm nichtmal teil an den lokalen Fasnachtsbräuchen. Die Guggen waren meiner Meinung nach mehr Katzenmusik als sonstwas und überhaupt ist eine Fasnacht mit 50 Leuten keine Fasnacht.
So. Nun habe ich mir den Hass aller Ostschweizer Guggen aufgehalst. Ich meine es auch nicht böse, aber ich würde alle dazu einladen, einmal an die Lozärner Fasnacht zu kommen: 314'000 Fasnächtlerinnen und Fasnächtler feierten 2023 zwischen dem Schmutzigen Donnerstag und dem Güdiszyschtig in Luzern. Es ist mehr als nur ein «Fest». Es ist Anarchie, es ist ein Ereignis, es ist gelebte Kultur, es ist Kunst.
Ich muss anfügen als Rückkehrerin: Wer in der Zentralschweiz wohnt und das Nebelloch seit Oktober jeweils aushält, sollte auch mit einer 5. Jahreszeit belohnt werden. Dieses Jahr ist der Nebel ja so zäh, wie ich ihn nie in Erinnerung hatte. Sogar die St. Galler haben weniger Nebel – dafür aber auch weniger Fasnacht. So macht das knapp wöchige Sauf-, äh, Partyprogramm in Luzern auch Sinn.
Verteidigung der Lozärner Fasnacht
Die Lozärner Fasnacht musste ich «ennet der Grenze» (aka Ostschweiz) immer verteidigen. Und das tat ich. Inbrünstig.
Ich schwärmte von den besten Guggen im ganzen Land (Rontal Gugger: weil damals mit ein paar Militärmusikern).
Ich lobte die besten Partys (hör mir auf mit dem «Gaudiloch» vom Bodensee! Überhaupt: Woran denkt ihr bei diesem Lokalnamen?).
Ich huldigte der traditionsreichsten Fasnachtskultur des Abendlandes.
Als Videojournalistin nahm ich an verschiedensten Nordostschweizer Fasnachtsereignissen teil. Und als ich nach einer Fasnachtseröffnung titelte: «Stimmungstief an St. Galler Stadtfasnacht», bekam ich – ohne Witz – sehr wüste Nachrichten der dort ansässigen Fasnächtler zugesandt.
Klar, im Nachhinein wirkte dies sicherlich etwas überheblich, wenn die Erzählerstimme Lozärnerdütsch dabei spricht. Dabei finde ich, es sollten alle Fasnächtler – überkantonal – für den Erhalt der Fasnachtstradition kämpfen. Es braucht immer Freiwillige, die sich in den Komitees engagieren, die bei den Guggen mitlaufen, die sich am Dorfumzug beteiligen und schöne Kostüme herstellen.
Und ich muss zugeben: Seit ich selbst ein noch kleines Kind habe, war ich auch nicht mehr gross mitfeiern. Letztes Jahr waren wir natürlich am grossen Umzug in Luzern mitsamt Kostümen – aber so richtig kann man sich mit Kleinkind nicht in den Trubel werfen. Zu laut, zu voll, zu wenig Sicht und ohne Alkohol sehr bald auch zu kalt.
Traditionen weitergeben
Doch für mich ist wichtig: Nun, da wir wieder in Luzern wohnen, möchte ich meinen zwei in der Ostschweiz geborenen Familienmitgliedern die Lozärner Fasnachtstradition unbedingt mitgeben. Und ich hoffe, dass das Kind mit 18 Jahren nach dem Urknall nicht als kotzende Banane am Bahnhof Luzern rumhängt.
Ond: Echli Fasnacht döf sii. Well si esch rüüdig!