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Durch kluge Taktik zur Spitzensportfinanzierung

Wie man als Profi in einer Randsportart über die Runden kommt

Wie man als Sportler finanziell den Kopf über Wasser hält. (Bild: Neil Smorthit)

«Ich bin Kanute.» «Cool und was machst du beruflich?» «Ich bin Kanute.» «Ich wusste gar nicht, dass man damit Geld verdienen kann.» «Naja, nicht so wirklich. Ich zeige dir, wie ich trotzdem nicht in die Notschlafstelle muss.» Diesen Dialog kennt Sportblogger Linus Bolzern nur zu gut.

Mit zehn Jahren bin ich das erste Mal in einem Kanu gesessen. Gepackt hat’s mich sofort. Über die Jahre wurde mein Gepaddle immer zielorientierter und seit letztem Jahr bin ich nun Profi. Die meisten meiner Freunde arbeiten bereits oder schliessen schon bald ihren Bachelor ab. Bei mir geht das alles etwas langsamer. Meine berufliche Karriere muss noch etwas warten. Und das soll sie auch.

Ich kann nach dem Spitzensport noch genug lange arbeiten. Trotzdem geht’s nicht ohne Geld. In einer Sportart, in der man als Sportler weder bei einem Club angestellt ist noch Preisgelder kassiert (selbst wenn man Weltmeister wird!), ist Kreativität gefragt.

Was kostet der Spass?

Vom Farmerstengel bis hin zum neuen Rennboot. Für alles muss ich Geld auftreiben. Hier eine Auswahl an Ausgaben:

  • Ein Pack Farmer: 3.60 Franken
  • Thermoshirt, Decathlon (das günstigste, aber nicht das wärmste): 10 Franken
  • Tagespauschale Trainingslager: 50 bis 100 Franken
  • Neues Paddel: 450 Franken
  • Jahresbeitrag für Mitglieder des Nationalkaders an den Kanuverband: 1’200 Franken
  • Neues Boot (Einer): 4’500 Franken

Natürlich kaufe ich nicht jedes Jahr ein neues Boot, dafür bin ich zwischen 100 und 170 Tage im Jahr im Trainingslager. So kommen pro Jahr Kosten von 10’000 bis 15’000 Franken ausschliesslich für den Sport zusammen. Und damit bin ich im Vergleich zu anderen Sportarten noch gut weggekommen.

Dass Mama und Papa irgendwann nicht mehr Lust haben, für ihren 20-jährigen Sohn die Gönner zu spielen, liegt auf der Hand. Also komme ich für die Kosten selbst auf.

Wie bezahle ich den Spass?

Anders als bei den meisten Leuten, die einen Arbeitgeber haben, der ihnen den Lohn zahlt, setzt sich mein Einkommen aus vielen kleinen Puzzleteilchen zusammen. Das grösste dieser Teilchen ist die Stiftung Schweizer Sporthilfe. Sie bezahlen ausgewählten Spitzensportlern Förderbeiträge, um ihre Sportkosten zu decken.

Diese Unterstützungsbeiträge betragen zwischen 2’000 und 30’000 Franken pro Jahr und Athlet. In meinem Fall sind es 12’000 Franken pro Jahr. Die Höhe des Beitrags berechnet die Sporthilfe aufgrund der Resultate, dem Potential und der Steuererklärung der Athleten. Jedes Jahr wird neu zugeteilt.

Eine weitere Unterstützung bietet der Kanton Luzern mit dem Sportteam «Unsere Helden», in das ich aufgenommen wurde. Der Kanton unterstützt jeweils zwei Jahre vor den Olympischen Spielen potentielle Olympiakandidaten aus der Region.

Ungewöhnliche Einkommensquelle

Was viele vielleicht nicht für eine Einkommensquelle halten würden, für mich aber von grosser Bedeutung ist, ist das Militär. Ich habe die Spitzensport-RS absolviert, wodurch ich erstens einen halbjährigen Trainingsausfall umgehen konnte und zudem als Nichtsverdienender den täglichen Erwerbsersatz kassieren konnte.

Nach der RS muss ich wie normal jedes Jahr 30 Diensttage als WK absolvieren. Zusätzlich kann ich aber noch weitere 100 Tage freiwilligen Dienst leisten. Als Dienst können Trainingslager und Wettkämpfe mit dem Nationalkader angerechnet werden. Wer alle 130 Diensttage absolviert (was ich tue), kommt so auf rund 8’500 Franken im Jahr. Also viel besser als nichts.

Sponsorensuche oh weh

Alle oben genannten Unterstützungsmassnahmen sind perfekt auf den Sport ausgerichtet und professionell organisiert. Es ist schwer, in solche Förderprojekte reinzukommen, doch wenn man dann aber drin ist, profitiert man umso mehr.

Schwieriger gestaltet sich die Sponsorensuche. Unternehmen sind nicht auf die Förderung ausgerichtet, sondern wollen für gespendetes Geld auch entsprechende Gegenleistungen. Dies ist für unbekannte Randsportler meistens nicht einfach zu bewältigen, denn deren Reichweite ist begrenzt.

Die Suche nach Sponsoren ist daher extrem aufwändig und nervenaufreibend. Ohne Vitamin B durch Freunde und Bekannte geht meist gar nichts. Ich selbst habe mit der Schnitzer GmbH nur einen einzigen Sponsor, zu dem ich vorgängig keinen Kontakt hatte.

Ideen muss man haben

Was tun? Um mir Abhilfe zu verschaffen, habe ich einen Gönnerclub gegründet. Freunde, Bekannte und alle, die das, was ich tue, toll finden, treffen sich bei Ginger&Friends, meinem Unterstützerkreis. Meine Friends zahlen einen jährlich frei gewählten Beitrag.

Je nach Höhe der Spende kriegen die Unterstützenden eine Gegenleistung. Aus den vielen kleinen Beiträgen kommen bei mir pro Jahr zwischen 2’000 und 5’000 Franken zusammen. Das Ganze bedeutet einen ziemlichen organisatorischen Aufwand, lohnt sich aber neben dem finanziellen Aspekt auch, weil man weiss, dass jemand hinter einem steht. Motivation gibt’s also gratis dazu.

Reicht das aus?

Zu den Sportkosten kommen natürlich auch noch die ganzen Alltagskosten hinzu. Für mich als noch bei den Eltern hausender Student, reichen meine Einnahmen im Moment gut aus. Wie es aussieht, wenn ich ausziehe, werde ich sehen.

Sollte das Geld nicht reichen, werde ich wohl oder übel arbeiten gehen und so einen Teil meiner Trainingszeit oder Regenerationszeit aufgeben müssen. Wie meine Trainingskollegin so schön sagt: «Das Leben ist kein Ponyhof, geritten wird trotzdem.»

Ich werde nicht auf einem Goldesel in die Zukunft reiten, aber hoffentlich trotzdem meine Ziele erreichen. Danke an alle, die mich unterstützen.

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Spitzensportler schreiben über ihr Leben. Mario Gyr (Rudern), Petra Lustenberger (Schiesssport), der Ringer Samuel Scherrer, Snowboarder Dario Burch, Ueli Schnider (Langlauf) und andere erzählen aus ihrem Alltag an Wettkämpfen und was der Sport für sie persönlich bedeutet.
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