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Trainingslager an der Wärme statt in der Schweiz

Warum ich ein Feigling bin

Ich schwinge mein Paddel nun im feuchtwarmem Meerwasser aus dem Golf von Mexico.

(Bild: Linus Bolzern)

Waschbrettbauch, athletischer Körperbau und Profisportler, die Männlichkeit in Person: So beschreibt sich der Luzerner Kanut und Sportblogger Linus Bolzern. Doch sobald der Winter naht, zieht es ihn weg aus der Schweiz an die Wärme. Wie passt das zusammen?

Ein Sportler, das Sinnbild für hartes Training und Bezwinger von täglicher Selbstüberwindung, vertrieben von einstelligen Anzeigen auf dem Thermometer. Das ist alles andere als mutig und schon gar nicht hart. Trotzdem verziehe ich mich und manche andere Sportler jeden Winter mehrere Wochen nach Spanien, Südafrika oder Amerika ins Trainingslager. Wieso tun wir das, wo es doch auch zuhause schöne Seen zum Paddeln gibt und man den Unterschied zwischen einem amerikanischen Fitnessstudio zu einem Schweizerischen schwer ausmachen kann?

Im Moment, in dem ich diese Zeilen schreibe, sitze ich in Florida am Pool und warte darauf, bis das nächste Training beginnt. Von Kappe und Paddelhandschuhen habe ich mich für einen Monat verabschiedet und trage dagegen kurze Hosen und Sonnencreme. In der Schweiz ist es für diese Jahreszeit erstaunlich mild und doch will ich nicht mit meinen Paddelkollegen zuhause tauschen. Zu schön ist es hier. Obwohl es sich in der Schweiz natürlich auch trainieren lässt. Wir haben keine Probleme mit gefrorenen Seen, so wie unsere nordischen Kollegen, denen gar nichts anderes übrig bleibt als das warme Exil.

Paddeln in der Schweiz

Bevor ich nach Florida aufbrach, habe ich auch in der Schweizer Kälte trainiert und das klappte ganz gut. Wie oft hört man als Paddler die Frage: «Aber im Winter geht ihr nicht auf den See, oder?». Auf die Antwort folgt dann meistens ein etwas ungläubiges Staunen und der leise Verdacht einem Verrückten gegenüber zu stehen.

So sieht es jedenfalls für mich aus. Und obwohl Wassersport im Winter vielleicht wirklich etwas verrückt erscheint, ist es nicht so schlimm wie man es sich vorstellt. Wer war im Winter nicht schon mal joggen? Nicht so schlimm, richtig? Paddeln ist sozusagen Joggen auf dem See mit etwas Spritzwasser, aber dafür gibt es ja Regenjacken. Paddeln geht also auch in der Kälte.

Ab in den Süden

Trotzdem schwinge ich mein Paddel nun im feuchtwarmem Meerwasser aus dem Golf von Mexico. Für das eher schmale Portemonnaie eines Sportlers einer nicht geraden populären Sportart doch eine ziemliche Belastung. Und doch lohnt es sich. Fern von den Alltagssorgen und all den Möglichkeiten, die man zuhause hat neben dem Sport, konzentriere ich mich hier voll auf das Training. Mit Freunden an die Fasnacht oder in den Ausgang: Das gibt es hier nicht.

Mein Körper ist im Spitzensport mein Kapital und den will ich gesund und fit halten

Training, Erholung und Spass im Team, diese Dinge stehen hier auf dem Programm. Wo ich noch krank nach Florida angereist bin, habe ich wenig Angst mich hier zu erkälten, was zuhause doch schon vorkommen kann. Das ist ein weiterer Grund wieso ich hier bin. Mein Körper ist im Spitzensport mein Kapital und den will ich gesund und fit halten.

Schliesslich ist die Trainingsqualität an der Wärme einfach besser. Keine von der Kälte stechende Lunge nach einem Sprint und auch das Wasser ist wärmer, was man beim Paddeln deutlich spürt. Bei den wichtigen Wettkämpfen im Sommer wird es um die 30 Grad warm sein und das wirkt sich auch auf den Körper aus. Wieso soll man sich denn nicht schon im Winter daran gewöhnen?

Die Saison kommt!

Am Ende geht es im Spitzensport um das beste Ergebnis und nicht um das beste Preis-Leistungs Verhältnis. Darum trainiere ich in den bestmöglichen Bedingungen, auch wenn das viel Geld kostet. Dazu zählt auch den Ruf des harten Typen, der bei Minusgraden auf das Wasser geht, abzulegen und dafür ein Feigling zu sein. Wenn ich am nächsten Wettkampf meine Bestleistung übertrumpfen kann, bin ich gerne ein Feigling!

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Spitzensportler schreiben über ihr Leben. Mario Gyr (Rudern), Petra Lustenberger (Schiesssport), der Ringer Samuel Scherrer, Snowboarder Dario Burch, Ueli Schnider (Langlauf) und andere erzählen aus ihrem Alltag an Wettkämpfen und was der Sport für sie persönlich bedeutet.
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