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An einem Tag 162 Kilometer auf dem Wasser

Kanu-Ultramarathon von Buochs nach Basel

Die beiden auf ihrer Kanutour von Buochs nach Basel. (Bild: lib)

Eine Kanutour von Buochs nach Basel, über 162 km und etliche Stunden paddeln: Cornel Bretscher und unser Sportblogger Linus Bolzern wagen sich an das Grossprojekt. Ob es gelingen wird, steht in den Sternen.

«Keine Wettkämpfe? – Kein Problem!», dachte ich mir und überlegte mir etwas Eigenes. Eine Paddeltour von Buochs nach Basel sollte es sein. B2B nennen wir sie. Wie lange das genau dauern würde und ob es überhaupt machbar wäre in einem Tag, wusste ich nicht. Doch ich wollte es versuchen. Wie das Ganze vonstattenging, erfährst du hier.

Der Plan

Ein Kollege von mir brachte mich auf diese verrückte Idee. Er wollte von Luzern aus nach Amsterdam paddeln. Ja, richtig, Amsterdam, das geht. Ganz so viel Zeit wollte ich mir aber nicht nehmen und beschränkte mich daher auf die Strecke bis Basel.

Weil unser regionales Leistungszentrum (und mein Boot) jedoch in Buochs (NW) liegen und sonst die Abkürzung B2B nicht funktioniert hätte, verlegte ich den Start nach Buochs. Einfach um vor den 145 km auf dem Fluss zuerst noch 15 km über den See paddeln zu müssen.

Zwölfmal auswassern

Die Strecke ist insgesamt ziemlich «tubelisicher». Keine Verzweigungen, keine Möglichkeiten, falsch zu fahren, sondern einfach immer nur dem Wasser hinterher. Der Weg führt von Buochs über den Vierwaldstättersee bis nach Luzern, von dort aus mit der Reuss nach Brugg, wo die Reuss in die Aare fliesst. Danach geht’s weiter bis nach Koblenz, von wo aus der Rhein bis nach Basel führt.

Die knapp 165 km lange Strecke von Buochs nach Basel. (Bild: lib)

Aber Achtung! Auf dem Weg gibt es immer wieder Hindernisse. Insgesamt zwölf unfahrbare Kraftwerke oder Wehre müssen umtragen werden. Also zwölfmal auswassern, Boote aufsatteln und wieder einwassern. Meine Messung auf Google Maps ergibt, dass es bis Basel von Buochs aus etwa 160–165 km zu fahren sind.

Mitpaddler gesucht

Zunächst suchte ich einen Irren, der mit mir mitkommen wollte. Das war einfacher als gedacht. Cornel Bretscher, Leistungssportler und Teamkollege, suchte nach seiner Matura noch eine Beschäftigung fürs Zwischenjahr und war daher sofort dabei. Zumindest so stelle ich mir seine Entscheidungsfindung vor.

Auf jeden Fall war er dabei! Leider sind wir beide eher auf die kürzeren Strecken spezialisiert. So war das längste, das ich zuvor am Stück gepaddelt bin, der Kanumarathon Buochs mit 42 km. Cornels Streckenrekord waren sogar nur ungefähr 23 km im Training. Beste Voraussetzungen also für einen Ultramarathon mit fast 100 Meilen Länge.

Die Vorbereitung

Was wir nicht trainiert hatten, machten wir dafür mit Essen wett. 4–5 Liter Isostar, 3–4 Liter Wasser, 1,5 Liter Cola, 6 Snickers, Salzstängeli, Bananen, etc. packten wir in unsere Boote. Pro Person wohlgemerkt. Ausserdem hatten wir glücklicherweise den Einfall, sogenannte Bootswägeli mitzunehmen. Damit kann man Räder unterhalb des Bootes befestigen und muss sein Boot bei Portagen nicht tragen, sondern kann es ziehen.

Aufgrund meiner Schätzungen berechneten wir eine Gesamtzeit von etwa 14 Stunden. Um auch nach etlichen Stunden noch paddeln zu können, bastelten wir verschiedene Vorrichtungen, um unseren Allerwertesten zu polstern. Ausserdem befestigten wir mit viel Klebeband unsere Ausrüstung in den Booten. Ein Begleitfahrzeug hatten wir nämlich nicht, welches uns das Material hätte transportieren können. Nur das Abholen in Basel war organisiert.

Am Abend davor galt es dann richtig Pasta reinzubuttern und möglichst früh ins Bett zu gehen. Es sollte ein langer Tag werden.

Auf geht’s!

Um 4.00 Uhr klingelte der Wecker. Schnell frühstücken, Sonnencreme einschmieren und zum letzten Mal das Boot prüfen. Von der Sonne war noch nichts zu sehen, als wir um 5.15 Uhr in Buochs unsere Tour starteten. Im Dunkeln paddelten wir am Bürgenstock entlang. Von da aus so direkt wie möglich nach Luzern. Beim Lospaddeln hielt sich die Vorfreude in Grenzen, um nicht zu sagen, dass wir fast etwas demotiviert waren. «Heute werden wir nichts tun ausser paddeln», dachten wir uns.

Um etwa 6.45 Uhr erreichten wir pünktlich mit den ersten Sonnenstrahlen Luzern. Auf der Seebrücke schwirrten die Autos vorbei. Wir amüsierten uns darüber, wie alle Menschen zur Arbeit mussten und wir einen ganzen Tag nur im Boot sassen. Andersherum fragte ich mich natürlich auch, ob ich wirklich nichts Besseres zu tun hätte, als diesen Tag zu «verschwenden». Doch zum Herumträumen hatte ich keine Zeit. Wir mussten ja weiterpaddeln.

Massgebende Fliessgeschwindigkeiten

Auf der Reuss kamen wir dann richtig in Fahrt. Nachdem wir auf dem See einen Schnitt von ca. 10 km/h gepaddelt waren, erreichten wir auf der Reuss schon 8 km/h, wenn wir gar nichts taten. Nach etwa 4,5 Stunden verlangsamte sich das Wasser und wir erreichten den Stausee oberhalb von Bremgarten.

Cornel hatte zu diesem Zeitpunkt ein zwischenzeitliches Tief und auch für mich war es mental nicht ganz einfach, nun doch wieder im stehenden Wasser paddeln zu müssen. Das hatten wir nicht erwartet. Ein Trost war dafür die wunderschöne Natur bei Bremgarten.

Nach dem Umtragen des Kraftwerks ging es dann aber wieder schneller vorwärts. Bis zum Zusammenfluss der Reuss und der Aare kamen wir zackig voran. Ein Schluck Isostar da, ein Biss Snickers dort und schon hatten wir die Hälfte geschafft. Nach etwa sieben Stunden knackten wir die 80-km-Grenze. Wir gönnten uns eine kurze Pinkelpause und dann ging's weiter.

«Nur noch ein Marathon»

Nun wurde es zäh. Die Aare floss langsamer, als wir geschätzt hatten, und auch der Rhein enttäuschte uns mit seiner Fliessgeschwindigkeit. Dazu kam, dass wir den Grossteil der Kraftwerke noch vor uns hatten. Leider dauerte das Umtragen der Kraftwerke immer zwischen 10 und 20 Minuten, was uns nicht gerade in die Karten spielte.

Bei einem Wehr auf dem Rhein wurde dann auch noch eine Brücke saniert, sodass wir mit unseren Booten einen Umweg gehen und etwa 700 m zusätzlich zu Fuss zurücklegten mussten. Zudem spürten wir langsam, aber sicher die Müdigkeit in den Knochen. Nach elf Stunden waren wir immer noch weit von unserem Ziel entfernt. Ich kann nicht sagen, ob wir froh darüber waren, dass es nur noch «ein Marathon» weit war oder ob es eher eine Belastung darstellte.

Die Erlösung

Kurz vor Basel begann die Abenddämmerung und kurz nach 21.00 Uhr erreichten wir unser Ziel im Dunkeln. 15 Stunden und 46 Minuten haben wir gebraucht, um 162 km zu paddeln, etliche Wehre zu umtragen, mentale und physische Hochs und Tiefs durchzustehen und vor allem durchzubeissen.

Basel war eine Erlösung. Wahrscheinlich haben sich wenige Menschen vor mir so sehr auf einen Teigwarensalat gefreut wie ich zu diesem Zeitpunkt. Unser Chauffeur brachte uns unsere frischen Kleider, eine reichliche Auswahl an Snacks und meine geliebten Teigwaren.

Das nächste Projekt

Wir haben es geschafft. Und wir sind stolz darauf. So lange habe ich noch nie Sport getrieben und werde es auch so schnell nicht wieder tun. Cool war es allemal. Ich wurde gefragt, ob es mir Spass gemacht hatte. Und ich muss sagen, dass Spass wohl das falsche Wort ist. Es war richtig krass und es hat mich auf eine gute Art sehr gefordert, doch gelacht habe ich nicht wahnsinnig viel.

Doch das war auch nicht das Ziel. Das nächste Projekt soll mehr ein «sprintiges» sein, haben Cornel und ich vereinbart. Wann es kommt, ist noch offen, aber dass es kommt, das steht fest. In Erinnerung wird uns B2B noch lange bleiben.

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Spitzensportler schreiben über ihr Leben. Mario Gyr (Rudern), Petra Lustenberger (Schiesssport), der Ringer Samuel Scherrer, Snowboarder Dario Burch, Ueli Schnider (Langlauf) und andere erzählen aus ihrem Alltag an Wettkämpfen und was der Sport für sie persönlich bedeutet.
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