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Überwältigt von den Kanu-Weltmeisterschaften

Die Super-WM

Maurus Pfalzgraf und Linus Bolzern schaffen die Qualifikation für den 500-Meter-B-Final und den 1000-Meter-C-Final. (Bild: Linus Bolzern)

Noch ein Jahr bis Tokyo. Die WM. Das erste Qualifikationsrennen. In Ungarn. Einem Land, in dem Kanu das ist, was bei uns der Skisport ist. Ein Anlass der Superlative und unser Sportblogger Linus Bolzern mittendrin.

Wir sitzen beim Morgenessen im Trainingslager in Budapest. Wir sind im Vorbereitungslager für die WM. Der Fernseher brummt irgendetwas vor sich hin, niemand interessiert sich für das Programm. Plötzlich schauen doch alle gebannt hin. Da läuft Kanu im Fernsehen. DA LÄUFT KANU IM FERNSEHEN! Das sind wir uns nicht gewohnt.

Das letzte Mal, dass unser Sport in der Schweiz im Fernsehen lief, war vor drei Jahren an den Olympischen Spielen. Was wir nicht wissen: In Ungarn ist das ganz normal. Alle zwei bis drei Tage läuft ein Bericht über die ungarischen Kanu-Neuigkeiten, wie wir lernen. Auch im Training habe ich selten so viele Kanuten gesehen, wie hier in Ungarn. Hier sind wir keine Randsportart, wir stehen im Zentrum.

Tokyo 2020

Olympia, der Traum jedes Sportlers. Doch dieser Traum wird nur wenigen gewährt. Beim Flachwasserkanu gibt es drei Möglichkeiten, sich zu qualifizieren. Für Tokyo sind das die WM 2019, eine Kontinentalqualifikation 2020 und der Weltcup 2020. Die meisten Plätze werden an der WM 2019 vergeben. Wer sich dann nicht qualifiziert, muss bereits zittern und hat noch zusätzlich Nachteile, weil er sich nicht optimal für Olympia vorbereiten kann.

Wann findet also der grösste Konkurrenzkampf statt? Genau, an der WM in diesem Jahr. Und ich bin mittendrin.

Linus bei den Grossen

Mein Partner Maurus Pfalzgraf und ich fahren Zweier, sind 19 respektive 20 Jahre alt und haben praktisch keine Chance, uns zu qualifizieren. Klar, es gibt immer junge Ausnahmetalente, die den Sprung ins Olympiateam schon mit 20 schaffen, wir gehören aber nicht dazu. Was tun wir also an der härtestumkämpften WM im ganzen Olympiazyklus? Richtig: Erfahrungen sammeln.

Wir starten ohne jeglichen Druck und Erwartungen in ein Rennen, das wir wahrscheinlich sowieso verlieren werden. Das ist unsere Einstellung. Wir geben unser Bestes und geniessen die einmalige Stimmung. Und was für eine Stimmung!

Der Wettkampf

Die WM findet in der Kanuhauptstadt Szeged in Ungarn statt. 101 Nationen sind am Start, mehr als 1000 Athleten geben ihr Bestes, alle mit einem Funken Hoffnung, sich für Tokyo zu qualifizieren. Fünf Tage lang dauert der Wettkampf und wird von A bis Z im ungarischen Fernsehen übertragen.

Doch nicht nur im Fernsehen verfolgen die Fans unsere Rennen. Man munkelt, dass mehr als 10’000 Zuschauer dem Spektakel beiwohnten. Der Lärm ist bei den Entscheidungsrennen ohrenbetäubend. Noch nie habe ich einen Kanu-Anlass, abgesehen von Olympia, in dieser Grössenordnung gesehen. Wahnsinn.

Das Duo Bolzern und Pfalzgraf geniessen die Rennatmosphäre. (Bild: Linus Bolzern)

Ready, set, go

Unser Rennen steht an. Wir sprinten los. Wir werden gnadenlos abgehängt. War ja klar. Ist uns egal. Das Höchste unserer Gefühle wäre eine Halbfinalqualifikation. Einfach durchbeissen, denke ich mir. 200 Meter vor dem Ziel beginnen die Zuschauertribünen. Ich höre die Kuhglocken der Schweizer Fans.

Nochmals Vollgas! Und wir packen es! Sowohl über 500 Meter als auch 1000 Meter behaupten wir uns in den Vorläufen und haben das Startrecht in den Halbfinals. Über 1000 Meter bedeutet das sogar automatisch mindestens eine C-Final-Qualifikation. Wir sind überwältigt und überglücklich.

Damit hätten wir nicht gerechnet. Auch in den Halbfinals liefern wir tolle Rennen und qualifizieren uns sogar für einen B- und ein C-Final. Im 500-Meter-B-Final gelingt uns ein weiterer Coup und wir paddeln uns auf Rang 6. Das ist Platz 15 in der Gesamtwertung. Im 1000-Meter-C-Final, dem letzten Rennen, ist die Luft dann etwas knapp und wir werden Letzte. Nichtsdestotrotz sind wir happy mit der ganzen WM und freuen uns auf die wohlverdienten Ferien.

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Spitzensportler schreiben über ihr Leben. Mario Gyr (Rudern), Petra Lustenberger (Schiesssport), der Ringer Samuel Scherrer, Snowboarder Dario Burch, Ueli Schnider (Langlauf) und andere erzählen aus ihrem Alltag an Wettkämpfen und was der Sport für sie persönlich bedeutet.
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