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Das halbvolle Glas betrachten

Zuger Projekt zeigt: Die Krise bietet auch Chancen

Das Gewerbe reagierte kreativ auf die Coronakrise. (Bild: Archivbild)

Michael Riboni erkennt zwar, dass die Krise schwierige Situationen evoziert. Doch bei genauerem Hinsehen ergeben sich für unseren Polit-Blogger auch Entwicklungsmöglichkeiten. Besonders ein Projekt des Baarer Gewerbes hat es ihm angetan.

Wie Herr und Frau Schweizer sass auch ich im vergangenen März beinahe allabendlich vor dem Fernseher und verfolgte die neusten Entwicklungen zur Coronakrise: Infektionsraten und Todeszahlen aus dem In- und Ausland, verzweifelte Unternehmer vor dem Ruin, Bilder von erschöpftem Arzt- und Pflegepersonal, gestresste Eltern – Negativschlagzeilen hüben wie drüben.

Hierauf folgte dann Mitte April und in den vergangenen Wochen und Tagen wie bei vielen anderen Menschen auch bei mir ein Unverständnis über die zögerliche und unlogische Ausstiegsstrategie des Bundesrates. Wieso durfte das Tattoo-Studio, in dem kein Mensch zwei Meter Abstand halten kann, am 27. April öffnen?

Das Möbelgeschäft hingegen, wo man häufig ein halbes Stockwerk für sich alleine hat, erst am 11. Mai? Und wieso müssen weitläufige Zoos, Tier- und Wildparks, wie etwa der Tierpark Goldau, bis zum 8. Juni warten? Wo bleibt da die Logik?

Persönlich versuche ich jeweils auch in schlechten Zeiten und Krisen das Positive zu sehen. Denn das Glas ist bekanntlich halbvoll und nicht halbleer. So schädlich die Coronakrise für unsere Wirtschaft ist, birgt sie auch Chancen.

Kreativität ist Trumpf

Not macht erfinderisch. Kreativität und Einfallsreichtum blühen auf. Lehrer unterrichten online und Künstler veranstalten Streaming- und Balkonkonzerte. Aber auch das Gewerbe zeigt sich kreativ.

Neben den unzähligen Heimlieferdiensten und Take-away-Angeboten der Restaurants hat mich insbesondere das Projekt «Zäme-Haa» beeindruckt, hinter welchem die Brauerei Baar, die Bäckerei Hotz-Rust, die Metzgerei Rogenmoser und der Hof-Märcht stehen. Die Absage sämtlicher Veranstaltungen und die Schliessung der Restaurants hat auch diese vier Baarer Unternehmen stark getroffen.

Anstatt zu lamentieren, haben sich die Unternehmen aber zusammengeschlossen und innert Kürze einen Lieferservice auf die Beine gestellt, welcher der Bevölkerung die frischen Lebensmittel vor die Haustür liefert. Also quasi LeShop oder coop@home à la Baar.

Das Beispiel zeigt, das Gewerbe lebt und trotzt der Krise, so gut es geht. Die Krise als Chance dank Einfallsreichtum und Kreativität.

Digitalisierungsschub

Seit Jahren reden alle von der Digitalisierung. Homeoffice und Videokonferenzen gab es auch schon vor der Coronakrise. Die Technologie dafür ist seit einigen Jahren vorhanden und ausgereift.

Doch nicht selten stiessen Digitalisierungsprojekte innerhalb von Unternehmen und Organisationen auf Vorbehalte. Die Coronakrise verleiht der Digitalisierung nun neuen Schub. Denn auf einmal ist Homeoffice für einen Grossteil der Bevölkerung die einzige Option und Webinare wie auch Telefon- und Videokonferenzen gehören zur Tagesordnung.

Statt langatmig, ist so manche Sitzung plötzlich kurz und effizient. Die Coronakrise bietet die Chance, systematische Veränderungen vorzunehmen und etwa die Sitzungskultur innerhalb von Unternehmen und Organisationen zu überdenken.

Gut, gibt's die Schweizer Bauern

Die Coronakrise zeigt klar, dass kurze, nicht globalisierte Wertschöpfungsketten durchaus ihre Vorteile haben. Die regionale Produktion mit kürzeren Wegen ist zuverlässiger und robuster, die globalisierte anfälliger.

Zum Autor

Michael Riboni sitzt für die SVP seit 2014 im Zuger Kantonsrat. Der Jurist ist als Fachverantwortlicher Rechtsschutz Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung beim Schweizer Bauernverband und ist Vorstandsmitglied der SVP Baar.

Das gilt auch im Nahrungsmittelbereich. Ein gewisser Grad an Selbstversorgung ist deshalb unerlässlich. Momentan beträgt dieser Selbstversorgungsgrad der Schweiz rund 60 Prozent.

Gemäss einer Studie des landwirtschaftlichen Forschungszentrums Agroscope würde dieser Selbstversorgungsgrad bei Annahme der beiden zurzeit hängigen und von links-grünen Kreisen lancierten Pestizid-Initiativen, die sogenannte Trinkwasserinitiative ist eine davon, um bis zu 20 Prozent sinken.

Die Lebensmittelproduktion würde einfach noch mehr ins Ausland verlagert, wo häufig viel tiefere Produktionsstandards gelten als bei uns in der Schweiz.

Einheimische Landwirtschaft stärken

Seit Beginn der Coronakrise boomen Hofläden und der Direktverkauf ab Hof, denn viele meiden zurzeit die grossen Supermärkte. So manchem wird bewusst: Gut, gibt's die Schweizer Bauern!

Dies bietet den Bauernbetrieben die grosse Chance, Herrn und Frau Schweizer aufzuzeigen, welchen Wert die Bauern und ein hoher Selbstversorgungsgrad für unser Land haben.

Denn nur eine starke einheimische Nahrungsmittelproduktion und ein ausreichender Selbstversorgungsgrad garantieren die langfristige Unabhängigkeit der Schweiz.

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Dieser Blog soll den Politikerinnen und Politikern aus den Kantonen Zug und Luzern Gelegenheit geben, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Es wird wöchentlich Bezug genommen zur aktuellen politischen Landschaft Zentralschweiz. Die Meinung von Bloggern und Gastautoren muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 14.05.2020, 13:03 Uhr

    «Wieso durfte das Tattoo-Studio, in dem kein Mensch zwei Meter Abstand halten kann, am 27. April öffnen?» Danke für diese wichtige und noch NIE gehörte Frage! Und hier die Antwort: Bei einem Coiffeur oder Tattooladen kann man die Kundenkontakte sehr gut rückverfolgen, beim Möbelgeschäft nicht. Das ist tatsächlich schwierig zu verstehen, aber wir können sonst auch eine Zeichnung machen.

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