«Stille sitzen»: Interessenpolitik statt Schlagzeilen
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Die beste Aussenpolitik für die Schweiz ist jene, die nicht in den Schlagzeilen landet. Als Kleinstaat sollten wir Konflikte meiden und nicht andere Länder voreilig verurteilen. Unsere Vorfahren, die alten Eidgenossen, nannten dieses Prinzip «stille sitzen». Wir reden heute von Neutralitätspolitik. Das heisst: Unparteiisch sein, gute Dienste anbieten, einen realen Beitrag für eine friedliche Welt leisten.
Ich darf für die nächsten zwei Jahre die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats präsidieren – und ich wünsche mir dabei eine Schweiz möglichst ohne Schlagzeilen. Leider haben viele Politiker vergessen, was Neutralität bedeutet und wie erfolgreich sie unser Land und die Menschen schützt. Seit über zweihundert Jahren sind wir von Krieg und Terror verschont worden. Nicht zuletzt dank unserer bewährten Neutralitätspolitik.
Sicherheitsrat entscheidet über Krieg und Sanktionen
Heute wollen viele Politiker jedoch lieber auffallen, sich als Weltmoralisten aufspielen. Sie schielen nach Prestige und Pöstchen. Ein Beispiel dafür ist, dass die Schweiz nach ihrer Meinung nun unbedingt Mitglied des UN-Sicherheitsrates werden sollte. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist derjenige Ort, an welchem über Krieg und Frieden entschieden, wo Grossmachtpolitik betrieben wird. Wie selbst der Bundesrat in seinem neusten Bericht einräumt, sieht die UNO-Charta ausdrücklich vor, dass der Sicherheitsrat sowohl über nichtmilitärische Sanktionen als auch über militärische Interventionen entscheiden kann.
Als neutraler Staat ist es unmöglich, über solche Fragen mitzubestimmen. Wir würden damit unser jahrhundertealtes Neutralitätsprinzip mit Füssen treten. Die Schweiz beherbergt in Genf das humanitäre Zentrum der UNO, ist eng verbunden mit dem IKRK und Depositarstaat der Genfer Konventionen. Eine Einsitznahme im Sicherheitsrat stellt die gesamte humanitäre Tradition als neutrales Land in Frage.
Selbstbestimmung statt EU-Hörigkeit
Ein Dauerbrenner der Schweizer Aussenpolitik bleibt das Verhältnis zur EU. Ich darf an dieser Stelle dem Bundesrat gratulieren, dass er letztes Jahr den Mut fand, das Rahmenabkommen zu beerdigen. Es kann nicht sein, dass wir einfach EU-Gesetze übernehmen und bei einem Streitfall die EU das höchste Schiedsgericht stellt. Neben der Neutralität ist die Unabhängigkeit die wichtigste Säule unseres Erfolges. Oder wollen wir, dass Brüssel über unsere Steuern, Löhne oder Energiepreise bestimmt?
Nun gibt es enttäuschte EU-Beitrittsbefürworter, die sofort nach neuen Verhandlungen rufen. Eine Mehrheit von SP, Grünen, Grünliberalen und Teile der FDP wollten der EU jährlich zwei Milliarden Franken «Kohäsionszahlungen» überweisen. Ohne Gegenleistung! Ohne dass die EU ihre diskriminierenden Massnahmen gegen die Schweizer Börse und die Medizinalbranche beendet. Meine Meinung ist: Wir müssen gar nichts überstürzen.
Zum Autor
Franz Grüter ist seit 2015 Nationalrat der SVP Luzern und seit 2016 in der Parteileitung der SVP Schweiz, zuständig für den Bereich Finanzen und Steuern. Er ist Präsident der Aussenpolitischen Kommission. Neben seiner politischen Tätigkeit ist er Verwaltungsratspräsident des IT-Unternehmens Green. Grüter ist ausserdem unter anderem Verwaltungsrat der Luzerner Kantonalbank, Beirat des FC Luzern, Delegierter des TCS-Sektion Waldstätte und Beirat der Hochschule Luzern HSLU Informatikdepartement.
Auch wenn die EU uns mit Nadelstichen zu plagen versucht: Wir haben funktionierende Beziehungen. Dafür muss man allerdings nicht mit Politikern reden, sondern mit Exportunternehmen. Die Wirtschaft will möglichst ohne Schikanen ihre Waren verkaufen – das gilt für Firmen in der Schweiz wie in der EU. Unsere Maxime muss lauten: Wir wollen gute Beziehungen mit Brüssel, uns aber politisch nicht einbinden lassen. Unsere Unabhängigkeit und unsere direkte Demokratie müssen gewährleistet bleiben.
Vom Hörsaal in den Ratssaal
Die Welt hört nicht in Europa auf. Es ist gut, dass die Schweiz immer weniger abhängig wird von der EU. Gerade die wachsenden Märkte in Asien sind wichtig für unsere Exportwirtschaft. Hier möchte ich auch meine Erfahrungen als Unternehmer, der oft international unterwegs war, einbringen. Wir sollten die Aussenpolitik als Interessenpolitik verstehen – wie jeder andere Staat auch. Mein Eindruck ist, dass wir im Parlament zu viele Politikerinnen haben, die direkt vom Uni-Hörsaal in den Ratssaal wechseln. Es fehlt der Bezug zur Arbeitswelt. Jeder Franken, den der Staat ausgibt, muss zuerst erwirtschaftet werden.
Umso wichtiger ist für ein kleines Land wie die Schweiz der Freihandel. Hier können wir die Bemühungen von Wirtschaftsminister Guy Parmelin nur unterstützen. Auch sollten wir aufhören, mit Drang gegen andere Staaten Sanktionen zu erheben. Wir tun gut daran, auch hier mehr Zurückhaltung zu üben und auf gute Beziehungen zu setzen. Das nützt der Bevölkerung in den betroffenen Ländern mehr, da oft die einfache Bevölkerung von möglichen Sanktionen betroffen ist.