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Stimm- und Wahlrecht für Ausländer in Luzern

Sollen in Luzern 80’000 Menschen ausgeschlossen bleiben?

80'000 in Luzern lebende Personen dürfen nicht abstimmen oder wählen, weil sie keinen Schweizerpass besitzen.

Im Kanton Luzern leben 80'000 Menschen, die wegen ihrer Herkunft nicht stimmen und wählen dürfen. Trotzdem sind sie genauso von Volksentscheidungen wie der AHV-Reform oder dem Ausbau einer Strasse betroffen. Ist es noch legitim, dass die Herkunft über die politischen Rechte entscheiden soll?

In der Schweiz hängen die politischen Rechte mit der Staatsbürgerschaft zusammen. Das bedeutet, dass im Kanton Luzern nur diejenigen stimmen und wählen dürfen, die auch den Schweizerpass besitzen. Folglich werden Personen ohne Schweizerpass, unabhängig davon, ob sie im Kanton Luzern wohnen, Steuern zahlen, arbeiten oder gar geboren wurden, von direkten politischen Entscheidungen ausgeschlossen.

An Niederlassung statt an Staatsbürgerschaft binden

Diese Tatsache ist noch drastischer, wenn man an Abstimmungen denkt, deren Konsequenzen nur Personen ohne Schweizerpass tragen. Beispiele dafür sind die Masseneinwanderungsinitiative oder die Ausschaffungsinitiative. Wäre es nicht gerade dort sinnvoll, auch die Betroffenen mitentscheiden zu lassen?

Die Verbindung der Staatsbürgerschaft mit den politischen Rechten führt auch dazu, dass nicht immer diejenigen, welche die unmittelbaren Umstände kennen, über ein politisches Geschäft abstimmen können. Beispielsweise kann eine kürzlich zugezogene Person mit Schweizerpass in einer beliebigen Luzerner Gemeinde über den Ausbau einer Gemeindestrasse abstimmen. Eine Person ohne Schweizerpass, die schon seit 20 Jahren in dieser Gemeinde lebt, darf dies aber nicht. Wenn die politischen Rechte hingegen an eine Niederlassung und nicht an die Staatsbürgerschaft gebunden wären, könnten wir diesem Problem entgegentreten.

Breitere Demokratie als Katalysator für die Integration

Ein weiteres Problem der Verknüpfung von Staatsbürgerschaft mit den politischen Rechten stellt die mangelnde Legitimität von Volksentscheidungen an die Regierung dar. Wenn nur Dreiviertel der Einwohner der Schweiz ihre Meinung äussern können, kann sich die Staatsgewalt nicht sicher sein, ob die Mehrheit der Bevölkerung hinter dem Entscheid steht.

Sobald auch Personen ohne Schweizerpass abstimmen können, vervollständigt dies den Charakter der Demokratie, der Volksherrschaft, und legitimiert die Politik grossflächiger. Ebenso würde sich auch die Mehrheit der in Luzern lebenden Menschen tatsächlich in ihrer politischen Meinung vom Staat vertreten fühlen. Dies würde den Zusammenhalt der Einwohnerinnen stärken und zu einer nachhaltigen, besseren und effizienteren Integration von Personen ohne Schweizerpass führen.

Politische Rechte und Chancengleichheit im Widerspruch

Auch widersprechen sich die an die Staatsbürgerschaft gebundenen politischen Rechte und die Gleichbehandlung. Schliesslich werden die Menschen je nach Herkunft bezüglich ihrer politischen Rechte verschieden behandelt. Das hat zur Konsequenz, dass nicht alle in Luzern lebenden Menschen die gleichen Chancen haben, ihre politische Meinung kundzutun. Die herkunftsgebundenen politischen Rechte stehen somit im Gegensatz zur Chancengleichheit, die gemäss Bundesverfassung möglichst gefördert werden sollte.

Es ist purer Zufall, ob die eigenen Eltern einen Schweizerpass haben. Und je nachdem, in welche Familie und monetären Umstände man hineingeboren wird, muss man hohe Kosten und Zeit auf sich nehmen, um das Schweizer Staatsbürgerrecht zu erwerben, während andere dies nicht müssen. Die zufällige Herkunft entscheidet also, wie viel man zuvor leisten muss, um politische Rechte in Luzern und der Schweiz ausüben zu können.

Vorlage kommt in den Kantonsrat

Dass das Stimm- und Wahlrecht nicht an das Staatsbürgerrecht gekoppelt sein soll, haben auch einige Mitglieder des Kantonsrats Luzern erkannt. So wird im Oktober über das fakultative kommunale Stimm- und Wahlrecht für Personen ohne Schweizerpass abgestimmt. Die staatspolitische Kommission hat dies zwar abgelehnt. Dennoch ist die Hoffnung gross, dass die Mehrheit des Kantonsrats erkennt, dass wir mit einem Ja nur unsere Demokratie stärken. Mit dieser Einzelinitiative würde man aber nicht nur Demokratie und Integration stärken, sondern auch die Gemeindeautonomie.

Auch müssen wir akzeptieren, dass Migration real ist. Nicht alle werden mit einem Schweizerpass geboren und die Bevölkerung war stets von kultureller und nationaler Diversität geprägt. Statt die Augen davor zu verschliessen und Personen ohne Schweizerpass an den Rand zu drängen und von der Luzerner Politik auszuschliessen, sollten wir endlich einen problemorientierten Migrationsdiskurs führen. Und eine Lösung dazu wäre, Personen ohne Schweizerpass in Luzern und der Schweiz politisch partizipieren zu lassen.

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Dieser Blog soll den Politikerinnen und Politikern aus den Kantonen Zug und Luzern Gelegenheit geben, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Es wird wöchentlich Bezug genommen zur aktuellen politischen Landschaft Zentralschweiz. Die Meinung von Bloggern und Gastautoren muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.
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7 Kommentare
  • Profilfoto von Karin
    Karin, 01.10.2022, 18:06 Uhr

    Nicht wir schließen sie aus, sie schließen sich selbst aus, indem sie sich nicht einbürgern.
    Das ist wiederum eine Idee, unüberlegt, aus der linken Ecke.

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  • Profilfoto von Lucommenter
    Lucommenter, 01.10.2022, 13:47 Uhr

    Einwohner mit einer anderen Staatsbürgerschaft haben auch Vorteile. So dürfen sie in ihrem Heimatland wählen und jederzeit wieder dort leben oder arbeiten. Weiter müssen sie keinen Militärdienst in der Schweiz leisten, resp. keine Ersatzabgaben bezahlen. D.h. sie haben auch Vorteile und Chancen, welche «nur» Schweizer Bürger nicht haben. Daher ist das Argument der Chancengleichheit nicht stichhaltig.

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  • Profilfoto von Vic
    Vic, 01.10.2022, 08:33 Uhr

    Jemand der schon 20 Jahre in einer Gemeinde wohnt, hätte schon längst die Möglichkeit gehabt sich einzubürgern und am Leben hier teilzunehmen. Vermutlich und davon kann man ev ausgehen ist das Interesse gar nicht vorhanden.

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  • Profilfoto von oliver.heeb
    oliver.heeb, 29.09.2022, 21:20 Uhr

    Der Titel ist irreführend und steht in der Tradition des linken Populismus. Diese 80’000 Leute sind nicht wegen ihrer Herkunft vom Stimmen ausgeschlossen, sondern weil sie noch nicht eingebürgert sind, die Einbürgerungskriterien nicht erfüllen und/oder gar nie erfüllen werden können. Möglicherweise sind ein Teil dieser Menschen auch die Opfer einer vollkommen fehlgeleiteten Migrations- und Asylpolitik, so, wie sie vor allem von der Linken unterstützt wird. Dort werden allenthalben auch und hirnrissige Forderungen, wie «no-borders» gestellt bzw. gesprayt. Die Staatsbürgerschaft ist Voraussetzung zur politischen Mitsprache, das ist auf der ganzen Welt so. Rechte gehen überall mit Pflichten einher.

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    • Profilfoto von Alain K
      Alain K, 29.09.2022, 21:49 Uhr

      «In der Tradition des linken Populismus»… ich kenne in der Schweiz nur eine populistische Tradition, und die kommt von rechts. Begründet vom Macher aus Herrliberg. Inhaltlich bin ich sonst mit Ihnen einig, doch wie gesagt: populistisch ist hierzulande vor allem die SVP unterwegs.

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      • Profilfoto von oliver.heeb
        oliver.heeb, 30.09.2022, 07:23 Uhr

        Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass es nur einen «rechten» Populismus à la SVP geben kann?

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  • Profilfoto von Toni
    Toni, 29.09.2022, 19:36 Uhr

    Nur wer den Schweizerpass hat, ist berechtigt hier abzustimmen

    Das wird Weltweit so praktiziert

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